Die Corona-Krise verschärft die Schwächen der Engagementpolitik

Drei Beispiele der jüngsten Zeit zeigen, wie falsche Ansätze, Ideen von gestern und unkoordiniertes Handeln die Gestaltung guter Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement hemmen. Was sich ändern muss.

von Stefan Nährlich

Im Juni hat die Bundesregierung ihr Konjunkturprogramm beschlossen, um die Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen, Wohlstand zu sichern und Zukunftsfähigkeit zu stärken, wie es in dem Papier des Koalitionsausschusses so schön heißt. Auch für gemeinnützige Organisationen gibt es Unterstützung. Insgesamt eine Milliarde Euro. Und das ist keine Einzelmaßnahme für das bürgerschaftliche Engagement.

Bereits Anfang des Monats haben drei Länder im Bundesrat eine Initiative für ein Zukunftsprogramm Zivilgesellschaft eingebracht. Und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nimmt auch schon die Zukunft in den Blick und hat beschlossen, wie aus ihrer Sicht das Ehrenamtsgesetz 2021 aussehen soll.

Die Maßnahmen zeigen: der Staat handelt, nimmt Geld in die Hand und hat die Zivilgesellschaft dabei im Blick. Schaut man sich die drei Maßnahmen genauer an, macht sich jedoch Ernüchterung breit.

Das Konjunkturprogramm entpuppt sich als ein Kredit-Sonderprogramm. Die Gemeinnützigen können also keinen Zuschuss beantragen, sondern einen Kredit, der zurückgezahlt werden muss.

Kann das funktionieren? Die Einnahmen und Ausgaben gemeinnütziger Organisationen müssen am Jahresende generell plus-minus Null aufgehen. Denn die Einnahmen sind oft steuerbegünstig und der Gesetzgeber will, dass sie zum Wohle der Allgemeinheit ausgegeben und nicht auf die hohe Kante gelegt werden. Im Steuerrecht heißt das: zeitnahe Mittelverwendung.

Woher sollen also die Überschüsse kommen, mit denen ein gemeinnütziger Verein seinen Kredit zurückzahlen kann? Aus Gebührenerhöhungen seiner Bildungsangebote vielleicht? Die Nutzer solcher Angebote sind oft Menschen die nur eine geringe Kaufkraft haben. Aus zusätzlichen Spendeneinnahmen? Menschen spenden, um anderen Menschen konkret zu helfen. Nicht für die Rückzahlung von Krediten. Mit neuen unternehmerischen Ideen? Hierfür lässt das Konkurrenzverbot der Abgabenordnung den Gemeinnützigen keinen Spielraum.

Das Zukunftsprogramm Zivilgesellschaft der Länder Berlin, Bremen und Rheinland-Pfalz ist im Bundesrat knapp gescheitert. Mit dem Programm sollten sowohl die Folgen der Corona-Pandemie abgefedert werden, als auch gemeinnützige Organisationen dabei unterstützt werden, notwendige Modernisierungsmaßnahmen umzusetzen. Eine Überraschung, denn die beiden beratenden Ausschüsse hatten den Ländern empfohlen, den Antrag anzunehmen. Einige Ländern haben das auch getan, andere enthielten sich. Die Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen stimmten gegen das Zukunftsprogramm Zivilgesellschaft.

Ein doppelter Verlust. Zum einen fehlt das Geld, um gemeinnützigen Organisationen dabei zu helfen, sich zukunftssicher aufzustellen und beispielsweise in der jetzt boomenden Digitalisierung mitzuhalten. Zum anderen fehlt die von den Antragstellern geforderte Koordinierung der Maßnahmen von Bund und Ländern und das vorgeschlagene Gipfeltreffen mit der Zivilgesellschaft.

Das Eckpunktepapier der Unionsfraktion im Bundestag für das Ehrenamtsgesetz 2021 enthält nur wenige, kleinteilige und altbekannte Maßnahmen. Fortschritt in Trippelschritten. Bestenfalls.

Ob dabei die vor jeder Bundestagswahl wiederkehrende Erhöhung der Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale wirklich hilfreich ist, ist unter Fachleuten umstritten. Dass gemeinnützige Organisationen den Menschen, die sich nicht mehr rein unentgeltlich, also ehrenamtlich, engagieren wollen oder können, jetzt wieder einen etwas höheren finanziellen und steuerfreien Zuschuss geben können, kann man für eine pragmatische Idee halten. Man kann es aber auch für einen grundsätzlichen Irrweg halten, ehrenamtliches Engagement zu fördern, indem man die Ehrenamtlichen bezahlt. Abgesehen davon, müssen die Vereine das Geld ja auch erstmal haben, um es als Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale wieder ausgeben zu können.

Die Corona-Krise wirkt wie ein Brennglas auf die Probleme der Engagementpolitik und legt die schon länger bekannten Schwächen bloß. Falsche Ansätze, Ideen von gestern, unkoordiniertes Handeln in einem falsch verstandenen Föderalismus. Das alles hemmt die Gestaltung guter Rahmenbedingungen. Die ehrenamtlich Engagierten, die gemeinnützigen Organisationen und die Zivilgesellschaft brauchen aber gute Rahmenbedingungen, um ihre Potentiale voll zu entfalten. Das kann man besser machen, das muss man besser machen – Engagement braucht gute, nein braucht die besten Rahmenbedingungen.

Bürgerengagement leistet für das Zusammenleben der Menschen in unserem Land einen bedeutenden Beitrag und die Herausforderungen werden nicht kleiner. Die Sondermaßnahmen für Vereine und Stiftungen aus der Zeit der sogenannten Flüchtlingskrise sind immer noch in Kraft und schon hat die Corona-Krise für neue Ausnahmeregelungen gesorgt. Ausnahmen können aber nicht die Regel sein. Wir brauchen einen Neustart der Engagementpolitik und müssen die Schwächen überwinden. Drei Punkte, was dabei im Fokus stehen sollte:

Kompetenz

Engagementpolitik im Bund braucht in allen Parteien und Fraktionen kompetente Profis und Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker. Einen Verein aus seinem Wahlkreis zu kennen, Sportförderung mit Engagementpolitik gleichzusetzen oder nur die Interessen der eigenen parteinahen Umfeldorganisationen im Blick zu haben, reicht nicht mehr aus.

Zuständigkeit

Engagementpolitik im Bund braucht eine klare Zuständigkeit in der Regierung und mehr Gestaltungskraft im Parlament. Die Landesregierung in Baden-Württemberg zeigt mit der im Staatsministerium des Ministerpräsidenten angesiedelten Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, wie man es besser machen kann, ohne dass dies schon das Ende der Entwicklung ist. Die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und der Zivilgesellschaft braucht Struktur.

Kompass

Engagementpolitik muss Ordnungspolitik sein, mit der Rahmenbedingungen gestaltet und nicht der Staat selbst zum Akteur gemacht wird. Ordnungspolitik braucht einen Kompass, wie das Prinzip der Subsidiarität, angepasst an die heutige Zeit. Gute Rahmenbedingungen ermöglichen eine bessere Finanzierung, eröffnen Spielräume für mehr eigenverantwortliches Handeln und verbessern die Transparenz.

Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 212 – Juni 2020 vom 30.06.2020

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