Kommentar: “Wollen” und “werden” in der Engagementpolitik

von Stefan Nährlich

Die drei Partner einer künftigen großen Koalition haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das bürgerschaftliche Engagement zu fördern. Die wichtigsten Punkte sind im Abschnitt „Stärkung der Zivilgesellschaft und des Ehrenamts“ aufgelistet. Wenn die SPD-Basis zustimmt, kann die Arbeit der Regierung beginnen. Was ist dann zu erwarten?

Zunächst fällt auf, dass viel von „wollen“ die Rede ist. CDU, CSU und SPD wollen entbürokratisieren, wollen das Gemeinnützigkeitsrecht und das Stiftungsrecht verbessern, wollen Ehrenamtliche steuerlich entlasten. Wollen ist schon mal ein Anfang. Ob dies wirklich geschieht, steht noch auf einem zweiten Blatt. Wie das umgesetzt wird, auf einem Dritten. Nur an einer Stelle wird es einigermaßen verbindlich, dort heißt es: „Wir werden (das ehrenamtliche und bürgerschaftliche Engagement) herausgehoben in der Bundesregierung verankern und durch konkrete Maßnahmen unterstützen und stärken.“ Wie aus dem Konrad-Adenauer-Haus zu hören war, ist mit der herausgehobenen Verankerung eine Ehrenamtsstiftung gemeint.

Das klingt nach Deutscher Engagementstiftung, die das Familienministerium in der letzten Legislaturperiode schon umsetzen wollte und die am Widerstand des Finanzministeriums scheiterte. Man könnte sich auch an die erste Stiftung dieser Art erinnert fühlen, die bereits vor 20 Jahren die damalige Familienministerin Claudia Nolte (CDU) auf den Weg brachte und die der Nachwelt eine Reformruine hinterließ. Private Geldgeber stiegen aus, die Zivilgesellschaft machte nicht mit und die Nachfolgeregierung drehte den Geldhahn zu. Eine Landesehrenamtsstiftung gibt es in Hessen: Auch sie ist keine Erfolgsgeschichte. Die konkrete Umsetzung dieses neuerlichen Vorhabens sollte also gut überlegt sein.

Wichtige Ziele – aber was ist mit der Umsetzung?

Wichtig für die Stärkung der Zivilgesellschaft und des Ehrenamtes sind andere im Koalitionsvertrag formulierte Punkte. Allen voran die Entbürokratisierung! Wie zuletzt die EU-Geldwäscherichtlinie von Stiftungsgremien umgesetzt werden sollte und aktuell die EU-Datenschutzgrundverordnung, ist sehr belastend. Auch wichtig: langfristig mehr Engagierte! Die Koalitionspartner wollen Grundschulkinder gezielt an ehrenamtliche Tätigkeiten heranführen. Das geht in die richtige Richtung, wie die guten Erfahrungen mit Service Learning in Schulen und Hochschulen zeigen. Außerdem wollen die möglichen Regierungspartner vermehrt Hauptamtliche zur Entlastung Ehrenamtlicher einsetzen. Klingt innovativ, geradezu wie die Umkehr der alten Debatte vom Ehrenamt als Jobkiller. Jetzt also das Ehrenamt als Jobmaschine? Richtig ist die Idee. Die Frage ist, wie ihre Umsetzung aussehen kann.

Insgesamt ist der Koalitionsvertrag keine schlechte Grundlage für die Agenda der Engagementpolitik in der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags. Wieviel der Großen Koalition die Zivilgesellschaft tatsächlich wert ist, wird die Umsetzung zeigen. Die Ideen haben Potential. Die Prioritäten, wie sie sich in der Verwendung der Worte “wollen” und “werden” im Koalitionsvertrag ausdrücken, sollten nochmal nachjustiert werden.

Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 186 – Februar 2018 vom 27.02.2018

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