Digitalisieren, Nachwuchs finden, alternsgerechte Angebote machen: Für Stefan Hell, Vorstandssprecher der Volksbank Ulm-Biberach, ist der demographische Wandel sowohl persönlich als auch in der Bank ein zentrales Thema. Im Interview erklärt er, wie die Volksbank die Herausforderungen geschäftlich und in ihrem gesellschaftlichen Engagement annimmt und was sich in den kommenden Jahren ändern wird.
Sie waren bis vor kurzem ehrenamtlich Vorstand im Verein Das Demographie Netzwerk (ddn) engagiert. Warum engagieren Sie sich persönlich zum Thema Demographie?
Ich war vorher schon auf lokaler Ebene im ddn aktiv und habe unter anderem Veranstaltungen gemanagt. Das Netzwerk bietet zahlreiche Gelegenheiten, Impulse und Informationen aufzusaugen und deckt thematisch alle Baustellen ab, die sich mit dem demographischen Wandel ergeben. Aus Zeitgründen habe ich mein Amt weitergegeben, aber dafür gesorgt, dass es in unserem Haus bleibt.
Warum?
Der Demographische Wandel ist für die Volksbank in jeder Hinsicht eine zentrale Herausforderung. Ein Drittel unserer Belegschaft hört in den kommenden Jahren altersbedingt auf. Wir suchen junge wie auch erfahrene neue Kolleginnen und Kollegen auf einem inzwischen stark umworbenen Bewerbermarkt. Gleichzeitig sind wir in einem Spagat zwischen Digitalisierung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz einerseits und der wachsenden Zahl älterer Kunden andererseits, die noch auf hergebrachten Wegen mit ihrer Bank kommunizieren möchten. Und natürlich ist auch das Werben um jüngere Kundschaft herausfordernder geworden.
Wie reagieren Sie auf diese Herausforderungen?
Wir sind sehr aktiv auf Social Media, um die jüngeren Zielgruppen zu erreichen. Im Sommer präsentieren wir in Biberach das „Blue Orange Open Air 2025“ Festival. Wer sich erfolgreich bei uns bewirbt, bekommt seinen Arbeitsvertrag binnen 72 Stunden. Dieses Jahr haben wir mit 25 Auszubildende, so viele wie noch nie und auch für 2026 schon die Hälfte der Plätze besetzt.
Auch für die älteren Kunden machen wir zielgerichtete Angebote. Beispielsweise ermöglichen wir, die Immobilie noch während der Nutzung zu liquidieren, so dass Pflegekosten finanziert werden können. Eine Mitarbeiterin von uns, selbst bereits im Ruhestand, besucht nebenberuflich Heimbewohner und bringt ihnen Bargeld mit oder erledigt Überweisungen für sie.
Welche Rolle spielt der demographische Wandel in der Region für das gesellschaftliche Engagement der Bank?
Wir kümmern uns um die wachsenden Bedürfnisse der älteren Generation, indem wir Nachbarschaftshilfe und Austausch unterstützen, also etwa Einkäufe für Seniorinnen und Senioren oder Ausflüge. Aber wir unterstützen auch die Tafeln. Es ist erschreckend, wie die Zahl verwitweter älterer Kundinnen dort zunimmt. In der Region sind die Mietkosten in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen und es wird für viele Menschen schwieriger, mit einer bescheidenen Rente auszukommen.
Wir berücksichtigen darüber hinaus alle relevanten Zielgruppen gleichmäßig und fördern ebenso Bildung, Jugend, Sport und Nachhaltigkeit. Oftmals machen uns unsere Mitarbeiter auf unterstützenswerte Projekte aufmerksam. Die Volksbank kann insgesamt 1,1 Millionen Euro an Fördermitteln einsetzen, die Hälfte aus unserer Volksbank-Stiftung, rund eine halbe Million Euro aus dem Gewinnsparverein.
Welche Entwicklungen durch den demographischen Wandel erwarten Sie in den kommenden Jahren?
Bislang ist Ulm kein Hotspot für demographische Probleme. Es gibt Zuzug und wir wurden 2024 zur attraktivsten Stadt Deutschlands gewählt. Doch die Entwicklung ist auch hier spürbar. Für uns wird die Suche nach guten Mitarbeitern auf jeden Fall eine Herausforderung bleiben, zumal wir auch sehr großen Wert darauf legen, dass sie unsere genossenschaftlichen Werte teilen.
Hilft da nicht die Digitalisierung?
Nur teilweise. Denn wenn es drauf ankommt, wollen auch unsere jungen Kundinnen und Kunden nicht alles digital erledigen, sondern mit einem echten Bankberater sprechen. Am Ende des Tages vertraut man nicht der KI, sondern dem Menschen!
Stefan Hell, diplomierter Betriebswirt, ist seit Mitte 2023 Sprecher des Vorstands der Volksbank Ulm-Biberach, in den er 2013 berufen wurde.
Interview: Gudrun Sonnenberg
Foto: Volksbank Ulm-Biberach
Das Interview ist Teil des Fokus Alles im Wandel – Engagement und Demographie der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte März 2025 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.