Auf zu den Sternen

Die Bürgerstiftung Lilienthal hat langjährige Erfahrung in der Kinder- und Jugendarbeit. Doch von Routine ist bei den Engagierten nichts zu spüren, wie unser Rundgang durch die neue Astronomie-Ausstellung gezeigt hat

Die Stimmung in Kalis Werkstatt ist gut – und dabei sind gar keine Kinder in der Kinder-Ausstellung. An den Mitmachstationen sollten sie das Thema Astronomie praktisch erleben und erforschen. Doch Corona hat auch der Bürgerstiftung Lilienthal einen großen Strich durch viele Projekte gemacht. Immerhin, bald kann es wieder losgehen. Und darauf bereiten sie sich jetzt schon vor.

Sie, das sind Christa Kolster-Bechmann, die Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung, Eugen Bechmann, der Mitglied im Stiftungsrat ist, Schülerin Tina Kallmeyer und die Dozenten für die aktuelle Astronomie-Ausstellung in Kalis Werkstatt: Bertold Kirst, Peter Kreuzberg und Marco Scharringhausen. Die drei sprudeln nur so vor Informationen über Sternbilder, Himmelskörper und schwarze Löcher und scheinen dabei mindestens genauso viel Spaß zu haben wie später die Kinder.

Christa Kolster-Bechmann, die Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung Lilienthal

Kalis Werkstatt ist Teil der Kinderakademie Lilienthal, zu der auch Ferienkurse und eine Homepage mit Experimenten für zu Hause gehören. Maskottchen ist KaLi Schlaufuchs (KaLi steht für Kinderakademie Lilienthal). Die Werkstatt wird von Lilienthaler Kindergärten und Grundschulen besucht. Nachmittags und am Wochenende können Kinder auch einfach so vorbeikommen. Die Ferienkurse bietet die Bürgerstiftung drei Mal pro Jahr für je eine Woche an, allerdings erst für Kinder ab sechs Jahren. „Manche warten sehnsüchtig, bis sie alt genug sind und teilnehmen können“, erzählt Eugen Bechmann. Und er ist beeindruckt, dass die Kinder dann „trotz Ferien um 9 Uhr auf der Matte stehen“.

Seit 2016 gibt es Kalis Werkstatt, 200 Stationen hat die Bürgerstiftung seitdem zu insgesamt zehn Themengebieten produziert. Der Fokus lag immer auf den MINT-Fächern, also auf Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. „Mint ist DAS Thema“, erklärt Kolster-Bechmann. „Wir werden die Probleme, die auf uns zukommen, nur mit Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern lösen.“ Die Begeisterung müsse jedoch früh entfacht werden, zwischen dem 4. und 10. Lebensjahr. Um noch mehr Kinder zu erreichen, werden die Stationen deshalb auch verliehen, „theoretisch bis auf den Mond“, sagt Kolster-Bechmann und lacht.

Wir werden die Probleme, die auf uns zukommen, nur mit Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern lösen.

Christa Kolster-Bechmann, Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung Lilienthal

Mond, das ist ein gutes Stichwort. Denn gerade erfahren wir, warum wir dessen Rückseite eigentlich nie zu Gesicht bekommen. Manche Stationen, die solche Erkenntnisse veranschaulichen sollen, sind dabei eingekauft, andere Marke Eigenbau. Als Dozent Bertold Kirst sein Modell zur Entstehung von Ebbe und Flut vorstellt, wird klar, was das ursprünglich einmal war: ein Frühstücksbrett. Nicht alles ist dabei im richtigen Verhältnis dargestellt, das geht manchmal auch gar nicht.

Mithilfe eines Frühstücksbretts zeigt Bertold Kirst die Entstehung von Ebbe und Flut. Im Hintergrund: Marco Scharringhausen und Peter Kreuzberg

So wie bei der Station „Planetenbahnen – Ekliptik“ von Peter Kreuzberg, die einen Überblick über die Planeten unseres Sonnensystems gibt. Die Kinder können mit diesem Modell die Umlaufbahnen mit ihren unterschiedlichen Geschwindigkeiten simulieren und mit Hilfe einer Astronomie-Software den jeweils aktuellen Stand aller Planeten herausfinden und auf der Scheibe abbilden. Auf dem Rand sind die 13 astronomischen Tierkreiszeichen aufgemalt. Man stutzt. Wieso 13 und nicht 12? Da habe die Astrologie gemauschelt, erklärt Hobby-Astronom Kreuzberg, der im zweiten Ehrenamt in der Sternwarte Telescopium-Lilienthal engagiert ist. Die astrologischen Geburtssternbilder hätten wenig mit der Realität zu tun.

Anhand einer anderen Station, gebaut von Marco Scharringhausen, lassen sich die enormen Größenskalen erkunden, mit denen wir es im Sonnensystem zu tun haben. Entlang einer sechs Meter langen Magnetleiste werden die Planeten platziert, wobei sich herausstellt, dass Merkur, Venus, Erde und Mars in weniger als 30 Zentimeter Distanz die Sonne umkreisen, Uranus und Neptun dagegen vier bzw. sechs Meter entfernt sind.

Auf einer Magnetleiste sollen die Planeten maßstabsgetreu im Abstand zur Sonne platziert werden

Das Interesse für Astronomie hat in Lilienthal Tradition. Dort entwickelte der Oberamtmann Johann Hieronymus Schroeter 1794 das damals größte Spiegel-Teleskop Europas. Lilienthal wurde daraufhin zu einem Zentrum der Astronomie mit der größten Sternwarte auf dem Kontinent. So bedeutend ist der 20.000-Einwohner-Ort bei Bremen heute nicht mehr, es geht beschaulich zu. Im Ortskern reihen sich Einfamilienhäuser um die alte Klosterkirche und den gepflegten Amtsgarten.

In bester Lage befindet sich auch die Geschäftsstelle der Bürgerstiftung Lilienthal, das Conrad-Naber-Haus. Benannt ist es nach einem Lilienthaler Unternehmer, der das Haus 2007 der Bürgerstiftung schenkte. Im Garten stehen Skulpturen von Lilienthaler Künstlern, drinnen stapeln sich Bücher vom letzten Bücherbasar. Conrad Naber hatte seine Vision für das Haus so formuliert: „In diesem Haus sollen Kinder ein- und ausgehen, etwas lernen, den Weg in die Zukunft finden.“ Mit der hier ebenfalls stattfindenden Hausaufgabenhilfe scheint sie Realität geworden zu sein.

Das Conrad-Naber-Haus im Herzen Lilienthals

Ihre eigene Rolle will Kolster-Bechmann gar nicht so sehr herausstellen, es seien schließlich noch viele andere in der Bürgerstiftung aktiv. Dennoch war sie es, die im Februar 2002 auf dem Rückweg von einem Vortrag über Bürgerstiftungen, gehalten vom Mitgründer der Bürgerstiftung Hannover, zu ihrem Mann gesagt hat: „Das machen wir auch!“ Sie fand acht Mitstreiter, zusammen gründeten sie noch im selben Jahr die Bürgerstiftung Lilienthal. Heute sind sie über 144 Zustifterinnen und Zustifter, die insgesamt über eine Million Euro ins Stiftungskapital gegeben haben, um die Arbeit der Bürgerstiftung langfristig möglich zu machen. 18 Personen engagieren sich in den Gremien und über 150 in den verschiedenen Projekten und der allgemeinen Bürgerstiftungsarbeit.

Neben der Kinderakademie betreibt die Bürgerstiftung noch weitere Projekte im Kinder- und Jugendbereich wie das Leseprojekt „Lilienthal liest“, Kunstprojekte oder Projekte im Naturschutzbereich. Vor allem Kinder und Jugendliche aus bildungsferneren Familien will die Bürgerstiftung damit unterstützen. Corona habe viele von ihnen zurückgeworfen, sagt Kolster-Bechmann. „Das kann uns nicht gleichgültig sein.“ Für die studierte Psychologin ist genauso klar, dass Bildung nur gelingen kann, wenn auch die psychische Situation der Kinder berücksichtigt wird.

Bertold Kirst hat sich inzwischen von seiner Leidenschaft für Mathematik und Informatik mitreißen lassen und ist längst bei Ausstellungsstücken aus früheren Jahren angelangt: einem selbst gebauten Roboter, einem Modell zum Satz des Pythagoras und der sogenannten zyklischen Zahl. „Mathe ist voll cool“, findet er – und man ist selbst ein bisschen überrascht, dass man das in dem Moment genauso sieht.

Text: Lena Guntenhöner, Fotos: Gaby Ahnert

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