Ehrenamtliche Besuchsdienste, Bewegungsangebote für Senioren, aber umgekehrt auch Freizeitgestaltung für Kinder und Unterstützung bei der beruflichen Qualifizierung – Bürgerstiftungen und engagierte Schülerinnen und Schüler begegnen den Herausforderungen des demographischen Wandels mit einem breiten Spektrum an Projekten. Ausgewählte Beispiele aus den Programmbereichen der Stiftung Aktive Bürgerschaft zeigen, was geht.
Doppelt gewinnen: Engagement und Qualifikation
Wer sich ehrenamtlich engagiert und anderen hilft, lernt immer auch für sich selbst etwas dazu. Handfeste berufliche Kompetenzen entstehen in Schulprojekten, wenn die im Fachunterricht erworbenen Kenntnisse im Engagement angewendet und weiterentwickelt werden. Von diesem Engagement profitieren sowohl ältere Menschen, die Hilfe brauchen, als auch junge Leute, die nach beruflichen Perspektiven suchen.
Am Alice-Salomon-Berufskolleg Bochum engagieren sich Schülerinnen und Schüler der zweijährigen Berufsfachschule Soziales/Gesundheit aus dem Sportgerontologie-Unterricht heraus im Rahmen des Service-Learning-Programms sozialgenial der Aktiven Bürgerschaft. Die Schülerinnen und Schüler wenden in der Praxis an, was sie in der Theorie gelernt haben: In einem Pflege- und Wohnheim führen sie wöchentlich Bewegungsveranstaltungen mit Musik, Gymnastik und Gedächtnisübungen durch.
Zum Projekt „Bewegung für Senioren“
Auch am Berufskolleg Stadtmitte Mülheim an der Ruhr verbinden sich Engagement für ältere Menschen und berufliche Qualifikation. Das Projekt „Engagiert für Demenzerkrankte“ verzahnt die Theorie aus den Fächern „Soziales und Erziehung“ sowie „Gesundheit“ mit ehrenamtlicher Praxis in einer Demenz-WG. Im Unterricht eignen sich die Schülerinnen und Schüler Wissen über das Krankheitsbild, Therapieformen und Prävention an. In der Demenz-WG betreuen die Schülerinnen und Schüler drei Monate lang im Umfang von zwei Wochenstunden die dementiell erkrankten Bewohnerinnen und Bewohner, singen, machen Spaziergänge, lesen mit ihnen. Sie lernen den Umgang mit den alten Menschen und bauen Hemmschwellen ab. Das Projekt zielt auch darauf ab, dass die Schülerinnen und Schüler die gesellschaftliche Dimension des Themas erfassen und Verantwortung übernehmen.
Zum Projekt „Engagiert für Demenzerkrankte“
An der Lindenschule SBBZ Lernen Ostfildern, einer Förderschule, gibt es ein sozialgenial-Projekt, in dem Schülerinnen und Schüler für Senioren eines Nachbarschaftstreffs kochen und das Essen anschließend auch servieren. Während die Senioren so unter Menschen kommen und in Gesellschaft speisen können, können sich Schülerinnen und Schülern einen Eindruck von möglichen Berufen verschaffen.
Kochen für Senioren
Einsamkeit lindern
Freunde und Angehörige müssen sich verabschieden, gesundheitliche Einschränkungen beeinträchtigen Mobilität und Teilhabe: Für einsame ältere Menschen kann das Ehrenamt viel Gutes tun. Umso besser, wenn Menschen bereits in jungem Alter auf die Problematik aufmerksam werden.
Schülerinnen und Schüler der Arnold-Freymuth-Gesamtschule Hamm engagieren sich in einem Mehrgenerationencafé, dem „Café Marie“ der Arbeiterwohlfahrt, in dem sich Menschen aus verschiedenen Altersgruppen begegnen. Die Siebt- und Achtklässler bereiten gemeinsames Kaffeetrinken vor, gärtnern mit den Seniorinnen und Senioren und bieten Handy-Sprechstunden an. Das „Café Marie“ soll Lebensqualität der älter werdenden Hammer Bürgerinnen und Bürger im Wohnumfeld verbessern und der Vereinsamung entgegenwirken.
Café Marie
Konzerte junger Menschen für Senioren mit gemeinsamem Singen hat die Bürgerstiftung Hemmingen im Projekt „Jung musiziert für Alt“ angeschoben. 2400 Euro, eingenommen bei einer Verlosungsaktion, ermöglichten, dass die Musikschule Hemmingen 2024 vier Konzerte in Seniorenresidenzen veranstaltete. Musikschülerinnen und Musikschüler spielten auf, die Seniorinnen und Senioren sangen mit.
Jung musiziert für Alt
„ZwischenMenschlich – Paten für Senioren“ ist ein seit langen Jahren betriebener ehrenamtlicher Besuchsdienst der Bürgerstiftung Hannover. Die Freiwilligen besuchen Bewohnerinnen und Bewohner von Seniorenheimen. Die Paten sollen eine verlässliche Abwechslung im Alltag herstellen und das Wohlbefinden der Seniorinnen und Senioren über die tägliche Versorgung hinaus verbessern.
Paten für Senioren
Den Nachwuchs unterstützen: Für die Jugend engagieren
Weniger junge Menschen müssen in Zukunft mehr stemmen und brauchen entsprechende Voraussetzungen. Doch um Begabungen zu entdecken und zu entwickeln, fehlen in Schulen und Elternhaus oft die Ressourcen. Bürgerschaftliches Engagement kann Räume schaffen und Kinder und Jugendliche individuell unterstützen. Häufig engagieren sich Seniorinnen und Senioren – eine Win-win-Konstellation.
Die Bürgerstiftung Neukölln in Berlin vermittelt und begleitet Freizeitpaten in ihrem Projekt „Neuköllner Talente“. Die Paten – Erwachsene aller Altersgruppen – gehen mit Kindern im Grundschulalter ins Museum oder in die Bibliothek, kochen oder machen Sport. So fördern sie individuelle Interessen und Fähigkeiten, für die es Zeit und Zuwendung braucht.
Neuköllner Talente
Die Bürgerstiftung Mössingen ist Mitglied des MENTOR Bundesverbands der Leselernhelfer e.V und fördert Lesepatenschaften. Die Paten werden extra qualifiziert und erhalten Arbeits- und Lernmaterial. Sie fördern Kinder individuell und mindestens ein Jahr lang. Das Projekt zielt auf die Sprach- und Lesekompetenz insgesamt und will Kinder auch ans Lesen heranführen. Von den Grundschulen in Mössingen ist ein hoher Bedarf gemeldet worden.
Leseförderung
Auf engagierte Seniorinnen und Senioren setzt die Bürgerstiftung Neuss in ihrem Projekt „Seniorpartner an Schulen“. Sie unterstützen Aktivitäten wie gemeinsames Kochen oder Exkursionen. Dabei können Sprachkenntnisse wie auch soziale Kompetenzen weiterentwickelt werden und die beteiligten Schülerinnen und Schüler lernen sich von neuen Seiten kennen.
Seniorpartner in Neuss
Die Bürgerstiftung Bonn hat das Projekt „Groß & Klein – Engagement an Bonner Grundschulen“ ins Leben gerufen. Hier engagieren sich Seniorinnen und Senioren als Schulpaten, sie helfen bei den Hausaufgaben und in der Sprachförderung, basteln und gärtnern mit den Kindern und begleiten Schülerinnen und Schüler mit Lern- oder Verhaltensproblemen. Dabei kooperiert die Bürgerstiftung mit dem Verein Seniorpartner in School e.V.
„Groß & Klein“
Räume schaffen: Immobilienprojekte
Ältere Menschen mit körperlichen Einschränkungen brauchen barrierefreie Wohnungen, möglichst in zentraler Lage, damit sie weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Auf dem angespannten Wohnungsmarkt sind entsprechende Immobilien zu selten zu finden. Hier engagieren sich Bürgerstiftungen.
„Gutes Älterwerden in Ostfildern“: Unter dieser Überschrift macht sich die Bürgerstiftung Ostfildern für die Seniorinnen und Senioren in der Stadt stark. Eine Erbschaft ermöglicht ihr, ein Haus mit 16 barrierefreien und zugleich bezahlbaren Wohnungen zu bauen. Das KühnleHaus ist nach dem Zustifter Richard Kühnle benannt. Es liegt zentral in Nellingen, so dass die Seniorinnen und Senioren Orte wie die Volkshochschule erreichen können.
KühnleHaus
Eine zentral gelegene Senioren-Wohngemeinschaft ist auch mithilfe der Bürgerstiftung Herdwangen-Schönach entstanden. Sie vermietet die Räumlichkeiten „Am Voglerhof“ – zwölf Zimmer – an den Nachbarschaftshilfeverein, der die Einrichtung betreibt. Der Vereinsvorstand, zugleich Unternehmer, stiftete zusammen mit seiner Frau der Bürgerstiftung für das Immobilienprojekt eine sechsstellige Summe zu.
Zeitungsbericht über die Einweihung
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Digitalisierung: Alle mitnehmen
Smartphone, E-Mail: Es wird immer schwieriger, den Alltag analog zu bewältigen und manche ältere Menschen werden von den Entwicklungen geradezu abgehängt. Dabei können digitale Lösungen speziell ihnen das Leben auch erleichtern. Bürgerschaftliches Engagement leistet Hilfestellung.
Bei der Bürgerstiftung Weimar helfen ehrenamtliche Mediencoaches alten Menschen beim Einstieg in die digitale Welt. Sie unterstützen die Anschaffung von Smartphones oder helfen bei der Suche nach Lösungen, wenn jemand stecken geblieben ist. Die Initiative ist Teil des Projekts „Weimars gute Nachbarn“, das darauf abzielt, älteren Menschen so lange wie möglich ein selbstständiges Leben zuhause zu ermöglichen.
„Weimars gute Nachbarn“
In Dortmund veranstalten Schülerinnen und Schüler der Robert-Koch-Realschule Smartphone-Sprechstunden für Senioren. Im Rahmen ihres sozialgenial-Projekts besuchen sie einmal in der Woche die Bewohnerinnen und Bewohner eines Seniorenheims und beantworten deren Fragen zum Umgang mit den Geräten. Dabei freuen sich die alten Menschen nicht nur über die fachliche Hilfe, sondern auch über die Gesellschaft.
sozialgenial an der Robert-Koch-Realschule
Pflege: Alle Beteiligten unterstützen
Krankheit und Pflege sind besonders große Herausforderungen im Alter. Bürgerschaftliches Engagement setzt an den Rahmenbedingungen an, adressiert Begleiterscheinungen wie Überlastung und versucht, die Lebensqualität zu verbessern.
„Demenzfreundliches Wiesloch“ lautet die Initiative, mit der sich die Bürgerstiftung Wiesloch für Lebensqualität demenzkranker Mitbürgerinnen und Mitbürger einsetzt. Sie bietet damit eine Plattform, auf der Fachleute und Ehrenamtliche zusammenkommen, sei es bei Infoabenden, sei es im Kochkurs „Wohlfühlküche bei Demenz“, sei es in der Demenz-Sportgruppe – die Initiative sammelt und macht sichtbar, welche Angebote es in Wiesloch gibt.
„Demenzfreundliches Wiesloch“
Auf die pflegenden Angehörigen, die oft hoch belastet sind, blickt die Bürgerstiftung Bremen. Sie lädt sie zum Essen ein, organisiert Hin- und Rückfahrt und gegebenenfalls auch die Betreuung der Pflegebedürftigen. Das Projekt „Hol mal Luft“ soll vernetzen und entspannen und eine kleine Auszeit vom Alltag bieten.
„Hol mal Luft“
Mobil bleiben und (wieder) werden
Nur zuhause oder im Wohnheim sitzen, schlägt aufs Gemüt. Ehrenamtliche stellen die Mobilität für ältere Menschen wieder her.
Die BürgerStiftung Düsseldorf hat acht Fahrradrikschas finanziert, mit denen Ehrenamtliche alte Menschen spazieren fahren oder zu Terminen bringen. Sie kommen an unterschiedlichen Standorten in der Stadt zum Einsatz. „Radeln ohne Alter“ wird zusammen mit dem Verein „In der Gemeinde leben e.V.“ umgesetzt. Die Bürgerstiftung finanzierte das Projekt mit einer Spendenaktion.
„Radeln ohne Alter“
Dieser Beitrag ist Teil des Fokus Alles im Wandel – Engagement und Demographie der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte März 2025 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.
Foto: Arnold-Freymuth-Gesamtschule Hamm