Think small – kalkuliere realistisch – verknüpf dein Engagement mit Schule oder Beruf – nutze Synergieeffekte – entlaste die Vorstände: Was wirklich vor Ort funktioniert und wie, teilen Engagierte, die es wissen müssen. Lesen Sie, was zwei Lehrerinnen raten, wie sich Bürgerstiftungen organisieren und wie Engagierte aus Volksbanken und Raiffeisenbanken Engagement mit Qualifizierung und Job verbinden.
Zeitaufwand der Freiwilligen realistisch kalkulieren
Tipps von Heike Engelhardt aus der Bürgerstiftung Jena Saale-Holzland
Für die Arbeit mit Freiwilligen sind klare Angaben zum Zeitaufwand besonders wichtig. Zum Beispiel verbringen Freiwillige in unserem Projekt „Schatzheber“, in dem sie kompetenzfördernde Angebote für Kinder in Kitas machen, maximal eine Stunde pro Woche in der Kita. Doch es ist auch die Vorbereitungszeit einzurechnen, so dass insgesamt zweieinhalb Wochenstunden zusammenkommen. Das kommunizieren wir von vornherein, damit alle Beteiligten realistisch kalkulieren können.
Wenn umgekehrt jemand sagt, er oder sie habe vier Stunden pro Woche Zeit, suchen wir eine entsprechende Tätigkeit heraus. Es gibt auch kleine Aufgaben, die erledigt werden müssen, und sei es, dass jemand mit wenig Zeit die Etiketten für unseren Wunschbaum ausdruckt. Die Voraussetzung ist immer, dass wir als Profis sagen können, wieviel Zeit eine Aufgabe in Anspruch nimmt.
Empfehlen möchte ich außerdem, zwar Zeit zu sparen, indem man pragmatisch arbeitet, aber sich andererseits auch Zeit zu nehmen, wenn man sie braucht. Zum Beispiel, um Strategien für neue Herausforderungen zu entwickeln oder sich gegenseitig zu motivieren.
Heike Engelhardt betreut bei der Bürgerstiftung Jena Saale-Holzland verschiedene Projekte und die Freiwilligenagentur Jena. Foto: Bürgerstiftung Jena Saale-Holzland
Schule: Engagementprojekt mit Fachunterricht verknüpfen
Tipps von Anja Henke, Gymnasiallehrerin
Unsere Schülerinnen und Schüler haben zuletzt im sozialgenial-Projekt „Ökologische Herausforderungen der Gegenwart“ Grundschüler unterrichtet. Es ging um Themen wie Upcycling, saisonale Ernährung und regenerative Energieformen, und die Grundschüler sollten anschließend etwas mit nach Hause nehmen können.
Wir haben dieses durchaus aufwändige sozialgenial-Projekt zeiteffizient durchführen können, weil wir es mit dem regulären Unterricht im Grund- und Orientierungskurs Politik und Wirtschaft der Jahrgangsstufe 11 verknüpften und die Vor- und Nachbereitung in die Unterrichtsstunden integrierten. Die Leistungen des sozialgenial-Projekts gingen dementsprechend auch in die Bewertung der mündlichen Leistungen ein.
Besonders hilfreich war übrigens der Ratschlag von Caroline Deilmann aus der Aktiven Bürgerschaft, unter den Schülern auch eine Gruppe für Kommunikation zu bilden. Diese hielt die Kommunikation zwischen den beiden am Projekt beteiligten Kursen aufrecht, verfasste Artikel für die Homepage bzw. für das Jahrbuch der Schule, übernahm die Abstimmung mit der Grundschule und stellte Kontakt zur Presse her. Die Schüler haben diese verantwortungsvollen Aufgaben gerne übernommen und uns dadurch sehr entlastet.
Anja Henke ist Lehrerin am Gustav-Stresemann-Gymnasium in Bad Wildungen. Foto: privat
Think small – eine Nummer kleiner tut es auch
Tipps von Nina Wollenhaupt, stellvertretende Schulleiterin
Für uns haben sich ein paar Dinge als sehr kräftesparend bei Schulprojekten erwiesen, unter anderem:
- Service nutzen! Beim Schreiben von Pressetexten oder Newslettern kann man sich an Formulierungen zur Definition von Service Learning von sozialgenial orientieren; fertige Vordrucke für Zertifikate zum Ausfüllen können bei der Aktiven Bürgerschaft bestellt werden.
- Geteilte Freude ist doppelte Freude! Wenn möglich, sollte man eine weitere Lehrkraft mit ins Boot holen. Arbeitsteilung schafft Freiräume, und die Freude zu teilen, gibt neue Kraft.
- Think small! Veranstaltungen sollten nicht zu groß angesetzt werden. In der Stadthalle kann man den kleineren Saal buchen, am Weihnachtsmarkt kann man den Verkaufstand für nur zwei von drei Tagen anmelden.
Und vor allem: Die eigenen Ansprüche nicht zu hoch schrauben! Es reicht, ein paar Schüler pro Jahr zu erreichen. Es muss nicht unbedingt die ganze Stufe oder Schulgemeinde sein. Befriedigung und Erfolg kann man auch beim Drehen kleinerer Rädchen haben.
Nina Wollenhaupt ist stellvertretende Schulleiterin des Georg-Büchner-Gymnasiums in Bad Vilbel. Foto: privat
Im Ehrenamt qualifizieren
Tipps aus der Raiffeisenbank Neumarkt i.d.OPf. von Sophie Fuhrmann
Bei knapper Zeit ist es ein Riesenvorteil, wenn man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen kann. Mir persönlich macht mein Engagement als Vorständin bei der Bürgerstiftung zwar so viel Freude, dass ich die Stunden nicht zähle. Doch tatsächlich bringt mich der Einsatz auch beruflich weiter. Denn: Ich bin bei der Raiffeisenbank Neumarkt i.d.OPf. für deren bankeigene Stiftung zuständig und assistiere in der Vermögensberatung. In beiden Bereichen kommen mir die Praxiserfahrungen, die ich in der Bürgerstiftung sammle, sehr zugute und ersparen mir Zeit, die ich sonst in Recherche stecken müsste. Von den Erfahrungen in der Bürgerstiftung habe ich auch profitiert, als ich mich bei der Akademie Deutscher Genossenschaften e.V. (ADG) zur Stiftungsberaterin und zur Stiftungsmanagerin weiterqualifiziert habe und direkt einordnen konnte, wovon dort in der Theorie die Rede war.
Sophie Fuhrmann, Assistentin Private Banking bei der Raiffeisenbank Neumarkt i.d.OPf. und Managerin der bankeigenen Stiftung, engagiert sich ehrenamtlich im Vorstand der Bürgerstiftung Region Neumarkt i.d.OPf. Foto: Siegfried Mandel
Synergieeffekte nutzen
Tipps aus der Volksbank Vechta von Martin Kühling
Wenn das Ehrenamt zeitsparend ablaufen soll, empfehle ich, solche Aufgaben zu übernehmen, für die man das entsprechende Know-how mitbringt. So kümmere ich mich in der Bürgerstiftung Vechta federführend um die Vermögensanlage, wozu ich als Vorstand der Volksbank Vechta prädestiniert bin. Ich kann von allem im Team die Aufgabe mit dem geringsten Zeitaufwand im Team erfüllen. So haben von der Effizienz alle etwas und nicht nur ich persönlich.
Optimal ist, wenn das ehrenamtliche Engagement Synergieeffekte mit der beruflichen Tätigkeit erzeugt. Die Bürgerstiftung und die Volksbank haben ähnliche Ziele in ihrem Einsatz für die Lebensqualität in Vechta. Ich kann mein Engagement daher problemlos mit meiner beruflichen Rolle vereinbaren. Durch mein Engagement bei der Bürgerstiftung wird die Volksbank von Stifterinnen und Stiftern wahrgenommen und ich lerne wiederum interessante Partner und potenzielle Partner kennen. So tue ich als Bürgerstiftungsvorstand zugleich etwas für die Volksbank – und umgekehrt!
Dr. Martin Kühling, einer von zwei Vorständen der Volksbank Vechta, engagiert sich ehrenamtlich im Vorstand der Bürgerstiftung Vechta. Foto: Volksbank Vechta
Vorstände durch Vorstandsbeauftragte entlasten
Tipps aus der Bürgerstiftung Lebensraum Aachen von Joelle Ramakers
Die Bürgerstiftung Lebensraum Aachen wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet, den derzeit drei Vorstandsbeauftragte entlasten. Wir haben diese Möglichkeit in unserer Satzung verankert. Die Vorstandsbeauftragten übernehmen klar umrissene Aufgabenfelder. Ein Beauftragter für Steuern, Finanzen und Anlageberatung unterstützt durch seine Expertise als Steuerberater bei Budgetplanung, Jahresabschluss, Buchhaltung und steuerlichen Fragen. Ein zweiter Beauftragter für Organisation dokumentiert Arbeitsprozesse, berät in IT- und Datenschutzfragen und erleichtert die Einarbeitung neuer Mitarbeitender/Vorstände mit einem Organisationshandbuch. Der dritte Beauftragte betreut Erbschaften und Vermächtnisse, berät potenzielle Erblassende und plant zusammen mit einem Notar Infoveranstaltungen rund um das Thema.
Alle Entscheidungen bleiben beim Vorstand, doch die Unterstützung entlastet und verschafft Zeit – ein wichtiger Faktor, da der Vorstand derzeit aus nur drei Mitgliedern besteht. Die Struktur sichert zudem Kontinuität in den Arbeitsprozessen und erleichtert es, neue Vorstände zu gewinnen: Denn diese können, wenn sie in ihr Amt einsteigen, auf die Erfahrung der ehrenamtlichen Vorstandsbeauftragten zählen, sofern sie sich für entscheiden, weiter mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es steht ihnen auch frei, andere Beauftragte zu bestellen.
Joelle Ramakers leitet die Geschäftsstelle der Bürgerstiftung Lebensraum Aachen. Foto: Intuitive Fotografie
Collage: Ingo Wilhelm / Stiftung Aktive Bürgerschaft
Diese Tipps sind Teil des Fokus EHRENAMT TROTZ KNAPPER ZEIT – der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte Januar 2025 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.