FJ SB: Ehrenamt als Symptom für Notstand

Wenn viele Menschen freiwillig und ohne Gegenleistung helfen, dann ist Ausnahmezustand: Diese Interpretation des Umgangs mit der enormen Hilfsbereitschaft 2015, als hunderttausende Menschen in Deutschland Zuflucht suchten, arbeitet die Soziologin und Erziehungswissenschaftlerin Laura Graf im Forschungsjournal Soziale Bewegungen (FJ SB 30/2017, Heft 3) heraus. Aus dem Einspringen der Bürger angesichts staatlichen Versagens zögen die Behörden falsche Konsequenzen: “Doch anstatt diese Mängel konsequent zu beseitigen, wurde von staatlicher Seite eher mit einer Förderung der im Entstehen begriffenen ehrenamtlichen Strukturen reagiert”, so Graf. Sie stellt fest, “selbst Initiativen, die sich als explizit politische Unterstützungsstrukturen verstehen und auch ihre gesellschaftliche Rolle öffentlich kritisch reflektieren”, würden “unter ‘Ehrenamt subsumiert und zudem von Bevölkerung, Medien und Politik als eines der zahlreichen Provisorien wahrgenommen werden können, die den Ausnahmezustand der ‘Flüchtlingskrise’ kennzeichnen” – anstatt staatliche Strukturen aufzubauen, wo es eigentlich nötig wäre. Grafs Beitrag “Asyl, eine Frage der Kultur?” gehört zum Schwerpunkt “Wer schafft das? Neue Akteurskonstellationen im Engagement für Geflüchtete” der Ausgabe.

, Ausgabe 183 Oktober 2017