„Ehrenamt ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Soziale Innovation“

Zarah Bruhn, die Beauftragte für Soziale Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung, setzt sich für mehr Förderung sozialer Innovation ein, etwa für besseren Zugang zu Wagniskapital. Dabei habe sie neben den Sozialunternehmen auch andere Akteure wie die Bürgerstiftungen im Blick, sagt sie im Interview mit bürgerAktiv.

Womit befassen Sie sich als Beauftragte der Bundesregierung für Soziale Innovation zurzeit vor allem?

Mein Ziel ist es vor allem, gute Rahmenbedingungen zu erreichen und bestehende Hürden abzubauen – für alle Akteurinnen und Akteure, die Soziale Innovationen hervorbringen und umsetzen. Dabei kann ich meine Erfahrungen einbringen aus der Zeit vor etwa acht Jahren, als ich mein Sozialunternehmen socialbee gegründet und keine Gründungsunterstützung bekommen habe. Weder war das Thema bekannt, noch gab es gezielte Förderprogramme – und auf die klassischen Start-Up Programme konnte ich mich mit unserer gGmbH nicht bewerben. Hier ist Deutschland unter anderem mit der ersten nationalen Strategie der Bundesregierung zur Förderung Sozialer Innovationen schon einen entscheidenden Schritt weiter. Das freut mich schon sehr. Trotzdem sind zur Umsetzung natürlich auch dicke Bretter zu bohren, um die Finanzierung zu verbessern oder den Zugang zu Wagniskapital zu erleichtern.

Die Währung von Sozialen Innovationen ist ihre Wirkung. Daher versuche ich überall, wo es möglich ist, die Opportunitätskosten und den Social Return on Investment zu verdeutlichen. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) setzt sich für die Erforschung der Wirkungsmessung ein. Ein erstes Praxishandbuch liegt schon vor – herausgegeben von der Ludwig-Maximilian-Universität München und der Universität Hamburg. Vielleicht ist das auch ein hilfreiches Tool für Bürgerstiftungen. Es ist online abrufbar und auf der zentralen Anlaufstelle sigu-plattform.de verlinkt, die das BMBF und Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördern. Diese Plattform ist natürlich auch für die Bürgerstiftungen da.

In welchen gesellschaftlichen Bereichen werden aus ihrer Sicht Soziale Innovationen am dringendsten gebraucht?

Eigentlich in allen Bereichen. Ich bin froh, dass viele Sozialunternehmen sich auf innovative Weise der Integration von Geflüchteten widmen – oder MigrantInnen zu dringend benötigten Fachkräften qualifizieren und bei der Jobvermittlung unterstützen. Weitere Akteure, so auch die zahlreichen Bürgerstiftungen, setzen sich für Partizipation, Vielfalt, Toleranz und Demokratie und Zusammenhalt ein. Ebenso brauchen wir Soziale Innovationen für die Inklusion, zur Krisenprävention, für mehr Bildungschancen, für die MINT-Bildung und die Bildung für nachhaltige Entwicklung, für die Bewältigung des Klimawandels und vieles mehr.

Bürgerstiftungen spielen in der Regierungsstrategie Soziale Innovationen keine Rolle. Sind Bürgerstiftungen nicht innovativ?

Bürgerstiftungen sind selbst schon eine Soziale Innovation in sich. Sie unterstützen dabei, gesellschaftliche Innovationen vor Ort zu realisieren und geben wichtige Impulse für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft.

Unsere Regierungsstrategie bezieht alle sozial-innovativen Akteurinnen und Akteure aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mit ein – wir denken akteursoffen und nicht in Rechtsformen. So können auch die Bürgerstiftungen in den Genuss einer Förderung durch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) kommen, die unter anderem Innovationen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamts, insbesondere digitale Innovationen fördert.

Welche Rolle kann aus Ihrer Sicht das ehrenamtliche Engagement für die Entwicklung Sozialer Innovationen spielen?

Ohne ehrenamtliches Engagement wäre unsere Gesellschaft so viel ärmer. Es ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Soziale Innovationen. Viele sozial-innovative Projekte haben mehr ehrenamtliche als hauptamtliche Mitarbeitende. Ehrenamtlich Engagierte bringen – sehr häufig auch in Bürgerstiftungen – ihre Zeit, ihr Geld und ihre Ideen ein. Daher möchte ich dieses Interview zugleich nutzen, um hier schwarz auf weiß und aus vollem Herzen DANKE zu sagen und meine Anerkennung zu zollen.

Zarah Bruhn ist Sozialunternehmerin und seit 2022 Beauftragte für Soziale Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Foto: Hans Joachim Rickel / BMBF

Das Interview ist Teil des Fokus Soziale Innovation gestern, heute, morgen der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte Oktober 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

, Ausgabe 260 Oktober 2024, Fokus