„Exklusive Zeit für Projekte bekommen“

sozialgenial-Projekte brauchen Kapazitäten im Schulalltag und Freiräume im Stundenplan. Barbara Schmiedek, didaktische Leiterin der Städtischen Gesamtschule am Michaelsberg in Siegburg, hat Vorschläge, wie die Politik die Organisation der Engagementprojekte in Schulen erleichtern könnte. Im Interview erläutert sie, was sie sich vorstellt.

Was macht Ihnen in der Administration von den Engagement-Projekten am meisten Arbeit?

Bei der Durchführung von sozialgenial-Projekten besteht immer die erste Aufgabe darin, eine Umsetzungsmöglichkeit in der Stundentafel zu finden: Woher kommt die Doppelstunde, an welches Fach wird das Projekt inhaltlich angeknüpft, welche Lehrerinnen oder Lehrer betreuen das Projekt, haben die am besten geeigneten Lehrkräfte noch Kapazitäten oder sind sie durch das Unterrichten ihrer Fächer bereits ausgelastet, sodass ein eine andere Kollegin oder ein anderer Kollege eingesetzt werden muss, ist das dann für das Projekt sinnvoll, und so weiter.
Sind diese Herausforderungen geschafft, gibt es gerade zu Beginn viel organisatorische Arbeit: Elternbriefe müssen, passend zum Kurs und Jahrgang, zunächst geschrieben und dann unterschrieben wieder eingesammelt werden, Kollegen, die neu im Projekt sind, bedürfen einer längeren und motivierenden Einweisung, die zu Beginn stattfindenden Projekttage müssen vorbereitet, Listen mit möglichen Kooperationspartnern ebenso wie Material, Verträge, Anwesenheitslisten, Tagebuchseiten aktualisiert werden.
Organisatorisch wichtig ist dabei zudem, dass das sozialgenial-Projekt nachmittags in Randstunden liegen muss, was eine zusätzliche Herausforderung für den ohnehin mit fest gesetzten Stunden überfrachteten Plan und die Kolleginnen und Kollegen, die ihn erstellen, darstellen kann.

Wie gehen Sie mit den Herausforderungen um?

Wir planen das sozialgenial-Projekt mit einem vierköpfigen Team aus Kolleginnen, die alle freiwillig und mit Begeisterung dabei sind. Es ist wichtig, dass nicht eine Lehrkraft/Schulsozialarbeiterin alles allein planen und organisieren muss. Hilfreich gegen Stress und Überforderung ist, regelmäßig mit den Mitarbeitenden aus den gemeinnützigen Einrichtungen zu sprechen, in denen die Schülerinnen und Schüler sich engagieren. Sehr oft wird dann deutlich, wie viel Unterstützung durch die Schüler in der Einrichtung ankommt und wie wichtig das für die Einrichtung ist. Es ist schön zu sehen, dass sich der Extra-Einsatz mit aller dahintersteckenden Arbeit lohnt. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit, das wir mit dem Projekt bei den Schülerinnen und Schülern stärken möchten, ist auch für die Lehrkräfte und Schulsozialarbeiterinnen nicht zu unterschätzen.
Um Belastungen entgegenzuwirken, sind auch kleine organisatorische Dinge hilfreich: beispielsweise das Team, welches das sozialgenial-Projekt plant und organisiert, für die Zeit der Treffen von Vertretungen auszunehmen und es in den Hochphasen, etwa während der Projekttage zu Schuljahresbeginn, stundenweise aus dem Unterricht auszuplanen.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Natürlich wäre es schön und viel einfacher, wenn es in der vorgeschriebenen Stundentafel feste Zeiten für Engagement-Projekte gäbe, vielleicht unter dem weiten Begriff „Demokratie-Lernen“, der Raum für verschiedene Projekte bietet. Das würde uns ersparen, erst Lücken für das Projekt suchen zu müssen. Ich denke, dass es aktuell ein wichtiges Zeichen wäre, zu beschließen, dass Schulen exklusive Zeit für Demokratie-Projekte verschiedener Art bekommen, die durchgeführt werden müssen – nicht wie im Moment „können“, was häufig mit Extra-Einsatz einzelner Kolleginnen oder Kollegen verbunden ist. Mein großer Wunsch ist, die Stundentafel zu modernisieren und flexibler zu gestalten. Natürlich gibt es Lücken und Freiräume, dennoch engen die Vorgaben immer wieder ein und je mehr Themen von Bedeutung anliegen, etwa durch aktuelle Tagespolitik, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel oder den Ausbruch von Kriegen, desto mehr „freie“ Zeit wäre nötig.
Für vieles wäre außerdem ein leichter zugängliches finanzielles Budget hilfreich, ähnlich dem, das es durch das „Aufholen nach Corona“-Paket gab, das die Übernahme von Fahrtkosten, Anschaffungen oder die Durchführung einer Feier am Projektende ermöglichen würde. Es wäre ein Zeichen der Wertschätzung und es würde Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften die Suche nach Sponsoren ersparen. Durch einen offiziell größeren Stellenwert von Engagement-Projekten, eine Verankerung in der Stundentafel und mehr Freiheiten im Umgang mit Vorgaben wären solche Projekte einfacher und würden vermutlich häufiger durchgeführt.

Interview: Gudrun Sonnenberg

Der Text ist Teil des Fokus Engagementpolitik: Was geht noch? der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Engagementpolitik: Was geht noch?

Ausgabe 257 Juli 2024, Fokus