„FAZ“: Streit um Geige schlägt sich in Stiftungsrechtsreform nieder

Die Stiftungsrechtssexperten Rainer Hüttemann und Peter Rawert schreiben in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 14. Februar über einen Streit um eine wertvolle Guarneri-Geige zwischen der Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung und den Erben des ehemaligen jüdischen Besitzers Felix Hildesheimer, der 1939 nach dem Zwangsverkauf seiner Musikalienhandlung in Speyer Selbstmord begangen hatte. Die Violinistin Sophie Hagemann hatte die Geige 1974 bei einem Kölner Händler gekauft, offenbar ohne von ihrer Geschichte zu wissen.

Der Stiftungsvorstand ließ Nachforschungen über die Geige anstellen und wandte sich an die hierzulande zur Durchsetzung der Washingtoner Erklärung eingesetzte „Limbach-Kommission“, um eine Empfehlung für die Entschädigung der Erben des Musikalienhändlers zu erhalten. Die Kommission empfahl die Zahlung eines Betrags von 100.000 Euro an die Erben. Die Stiftung gab allerdings bis vor einigen Tagen an, diesen Betrag aus rechtlichen Gründen nicht zahlen zu können. Nach ihrer Satzung habe sie ihr Grundstockvermögen „in seinem Bestand dauerhaft und ungeschmälert zu erhalten“. Andere Geldquellen habe sie nicht erschließen können.

Laut Rawert und Hüttemann hat der Fall nun „offenbar auf Intervention der Kulturstaatsministerin Monika Grütters – sogar Eingang in den soeben vom Kabinett beschlossenen Regierungsentwurf für die noch in dieser Legislaturperiode vereinbarte Reform des Stiftungsrechts gefunden“. Die Experten erklären: „Das geplante Gesetz hält zwar daran fest, dass das Grundstockvermögen einer Stiftung ungeschmälert zu erhalten ist. Der Erfüllung von Restitutionsansprüchen stehe dieser Grundsatz … jedoch nicht im Wege. … Vermögenserhaltung ist nämlich kein Selbstzweck. Er ist vielmehr dem eigentlichen Ziel der Stiftung – etwa der Förderung der Musikerziehung – untergeordnet.” Wenn der Stifter sich aber zu einer solchen Restitutionsfrage nie eindeutig geäußert hat, sei „Leitschnur für das Handeln der Stiftungsorgane der mutmaßliche, sprich vernünftige Stifterwille, wie er sich aus dem objektiven Interesse der Stiftung an nachhaltiger und nicht durch Ansehensverluste gestörter Zweckverfolgung ergibt.” Stehe also der Stifterwille einer Restitution beziehungsweise einer Entschädigung nicht erkennbar entgegen, hätten die Stiftungsorgane die nachteiligen Folgen zu bedenken, die sich für die Stiftung im Fall einer Verweigerung für ihre Reputation, die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und im Hinblick auf einen womöglich drohenden Verlust öffentlicher Förderung ergeben können.

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Ausgabe 219 Februar 2021