Gutachten: Neutralitätsgebot gilt nur bedingt für Zuwendungsempfänger

Private Organisationen müssen, wenn sie staatliche Zuwendungen empfangen, deshalb nicht in jedem Fall parteipolitisch neutral agieren. Sie können sich ihre Gäste, Autoren oder Gesprächspartner frei aussuchen. Nicht erlaubt ist aber, eine Partei von öffentlich finanzierten Veranstaltungen oder Einrichtungen auszuschließen, wenn diese Partei dem Zweck, dem angesprochenen Adressatenkreis oder der Widmung entspricht: Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz a.D. vom 25. Juli 2024. „Die öffentliche Finanzierung privater Initiativen bedeutet nicht, dass deren Äußerungen zu solchen des Staates werden. Die privaten Träger sind weder Instrument noch „Sprachrohr“ des Ministeriums und auch nicht in gleichem Maße an ein – wie auch immer definiertes – Neutralitätsgebot und die Chancengleichheit der Parteien gebunden“, schreibt Hufen darin.

Das Gutachten wurde von der Dresdener Cellex-Stiftung mit Unterstützung weiterer Stiftungen in Auftrag gegeben. „Politische Bildung und Demokratiearbeit sind stets auf ethische Werte und Verfassungsziele gerichtet und deshalb nie „neutral“, so das Gutachten. „Auch sind sie Ausdruck der streitbaren Demokratie und verpflichtende Staatsaufgabe, die auch und gerade durch private Organisationen wahrgenommen werden kann.“

Anlass für das Rechtsgutachten war ein im März 2024 veröffentlichter Bericht des Sächsischen Rechnungshofes. Dieser sah „erhebliche Defizite“ beim Vollzug einer Fördermaßnahme des Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) durch die Förderpraxis. Der Rechnungshof kritisierte ein „Überschreiten der Grenzen zwischen politischer Bildung und politischer Betätigung und eine zu große (partei-)politische Nähe zwischen Ministerium und Zuwendungsempfängern“ und forderte, dass die Förderung politischer Aktivitäten auszuschließen sei. Hufen kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, das „der Landesrechnungshof übergriffig gehandelt hat“ und „vom Gesetzgeber nicht dazu befugt ist, Ausführungen zum Neutralitätsgebot und zur Chancengleichheit politischer Parteien zu verfassen“.

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, Ausgabe 259 September 2024, Recht & Politik