Kommentar: ADAC – NPO verlieren ihre Unschuld

von Rudolf Speth

Die Ereignisse im und um den ADAC geben weiterhin Anlass zu ratlosem Staunen – und dies in mehrfacher Hinsicht. Viele Menschen fragen sich, wie das Gebaren des ADAC so lange Erfolg haben konnte, obwohl man doch ahnen musste, dass es kaum über längere Zeit gut gehen würde? An seinem inzwischen tiefen Fall zeigt sich auch: Die Verquickung öffentlicher Interessen mit privatem Gewinn- und Machtstreben ist riskant. Und zwar nicht nur für den ADAC, sondern auch für die Nonprofit-Organisationen – zu denen der ADAC selbst eigentlich gar nicht gehört.

Wie konnte es zu dieser Situation kommen?

Der ADAC hat auf der Basis eines Vereins in den letzten 20 Jahren ein rasantes Wachstum hingelegt. Er hat heute knapp 19 Millionen Mitglieder und einen Umsatz von fast 2,5 Milliarden Euro. Er nutzt die Form des (Ideal-)Vereins und gibt sich damit den Anstrich einer lebensweltlichen und zivilgesellschaftlichen Organisation. Denn ein Idealverein ist nicht an wirtschaftlichen Zwecken ausgerichtet, sondern nur seinen Mitgliedern verpflichtet. Gleichzeitig aber ist dieser Idealverein ADAC die Spitze eines höchst erfolgreichen und geschäftstüchtigen Konzerns. Der ADAC hat heute mehr als ein Dutzend Gesellschaften, die als GmbHs oder Kapitalgesellschaften organisiert sind. Mit ihnen werden Reisen angeboten, Versicherungen verkauft, Autos vermietet, Kreditkarten vertrieben und Pannenhilfen organisiert. Mobilitäts-Dienstleistung ist das Zauberwort, um das herum der ADAC ein Imperium an wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben gebaut hat. Der ADAC ist mit dieser Konstruktion nicht alleine. Man muss nur auf einige Clubs der Fußball-Bundesliga blicken, dann erkennt man schnell Ähnlichkeiten. Der ADAC hat sich zu einem marktbeherrschenden Unternehmen gewandelt und profitiert vom Image des Idealvereins.

Das Imperium des ADAC, das sich über die Jahre entwickelt hat, hat eine weitere Facette: Der ADAC ist auch eine Lobbyorganisation, vielleicht die mächtigste Interessenvertretung in Deutschland für den motorisierten Verkehr. Er setzt sich dafür ein, dass Autofahrer finanziell nicht noch mehr belastet werden, er kämpft gegen die PKW-Maut und das Tempolimit auf Autobahnen; er streitet für die Instandhaltung des Straßennetzes und lehnt das neue Benzin E10 ab. Dabei ist er häufiger in Konflikt mit Politikern geraten. Jüngst war dies beim bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zu beobachten. Der ADAC hatte dessen Mautpläne scharf kritisiert und im Gegenzug ließ Seehofer nun mit Forderungen nach mehr Transparenz und einer Neuordnung der Strukturen des ADAC nicht lange auf sich warten.

Der ADAC hat ein weiteres, drittes Gesicht: Er ist Anwalt und Berater der Verbraucher. Seine Tests von Autos, Reifen, Autobahnraststätten, Fähren und allerlei Auto- und Mobilitätszubehör sind für die Verbraucher unverzichtbare Informationsquellen bei ihren Kaufentscheidungen. Die Stimme der Verbraucher zu sein, ist damit eine weitere Quelle des positiven Images des ADAC. Allerdings greift der ADAC dadurch stark in den Markt ein. Er kann das Verhalten der Verbraucher ein Stück weit lenken.

Noch eine vierte Dimension kommt hinzu: Der ADAC ist eine Meinungsmacht in der Mediengesellschaft. Mit seiner Zeitschrift Motorwelt erreicht er mehr als 20 Millionen Leser und kann damit die öffentliche Meinungsbildung stark beeinflussen. Die jüngsten Manipulationsvorwürfe gegen den ADAC gründen sich gerade darin, dass er seine Meinungsmacht missbraucht und eigene Interessen in den Vordergrund gestellt hat.
Der ADAC hat also viele Gesichter. Trotz intensiver Recherche ist es in den vergangenen Jahren der Öffentlichkeit nicht gelungen, hinter seine Kulissen zu blicken. Erst als jemand aus dem Inneren der Organisation auspackte, fielen die Masken. Dies zeigt, dass sich solche Organisationen abschotten und mehr verpflichtende Transparenz notwendig ist.

Aus dem Fall des ADAC lässt sich eine Lehre ziehen: Der ADAC hat sich durch geschickte PR als Nonprofit-Organisation inszeniert. Eigentlich ein Verein, der die Interessen seiner Mitglieder vertritt, gerierte er sich als die Stimme aller Verbraucher, der Steuerzahler und der auf Mobilität Angewiesenen, als eine Organisation, die man modern mit dem Begriff Public Interest Group belegt. Sein Beispiel zeigt: Es ist notwendig, bei diesen Organisationen genauer hinzusehen, weil sich allzu oft hinter den guten Absichten ökonomische Ziele breit machen und der gute Ruf für diese verwendet wird. Nonprofit-Organisationen haben ihre Unschuld verloren. Die Konsequenzen daraus – genauer hinzusehen – sind nicht nur für die Öffentlichkeit zu ziehen. Sie betreffen auch die Führungs- und Aufsichtsstrukturen in diesen Organisationen.

Kommentar von Dr. Rudolf Speth für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 142 – Februar 2014 vom 28.02.2014

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