von Holger Backhaus-Maul
Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen – Corporate Citizenship – war vor über einem Jahrzehnt eine erfrischend neue Perspektive auf ein in Deutschland merkwürdig vernachlässigtes Phänomen. Soeben nun hat die gemeinnützige PHINEO AG unter dem spröden Titel „Werkzeugkoffer für sozial engagierte Unternehmen“ einige vielversprechende Ratgeber vorgelegt. PHINEO selbst versteht sich als unabhängiges Beratungs- und Analysehaus; ihre Hauptgesellschafter sind die Deutsche Börse Group und die Bertelsmann Stiftung.
PHINEO hat sich in den vergangenen drei Jahren als Beratungsorganisation für zivilgesellschaftliche Organisationen mit Begriffen und Instrumenten in den Themenfeldern Strategie, Transparenz und Wirkung einen Namen gemacht. In den jetzt veröffentlichten Ratgebern geht es um „strategisches Corporate Citizenship“, „wirksames Corporate Volunteering“ und „sinnvolle Unternehmensspenden“. Diese Themen sind nicht neu. Experten wie Dieter Schöffmann (VIS a VIS) und Reinhard Lang u.a. (UPJ) haben sie bereits in den 1990er Jahren entdeckt. Seitdem werden Unternehmen von Beratern mit normativen Erwägungen, Plausibilitätsannahmen und unzähligen „guten Beispielen“ umworben.
PHINEO knüpft daran an und geht zugleich aber Richtung weisend darüber hinaus: Es geht nicht mehr nur um den vermeintlichen unternehmerischen Nutzen, sondern gerade auch um gesellschaftliche Wirkungen und ein wohlüberlegtes unternehmerisches Handeln vor Ort. Damit werden von den PHINEO-Beratern erstmals die gesellschaftliche Seite und die gesellschaftliche Wirkung des unternehmerischen Engagements programmatisch in den Blick genommen.
Dieses ist wahrlich ein seit Jahren überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Aber den Autoren der Ratgeber scheint der Mut auszugehen, wenn sie sich bei sich selbst rückversichern, dass „Unternehmen inzwischen mit Strategie und Wirkung (…) investieren“ und dass sie durch „enorme Gestaltungsmöglichkeiten und geschäftliche Vorteile (…) dafür ausgiebig belohnt“ werden. „Als Experten für wirkungsvolles zivilgesellschaftliches Engagement“ geht es – so PHINEO – darum, für Unternehmen „ein passgenaues gesellschaftliches Engagement zu ermitteln“. Die gute Tat, das einzelne Unternehmen und die punktuellen Wirkungen unternehmerischen Engagements geraten in den Blick. Aber die gesellschaftlichen Vorstellungen, Bedeutungszuweisungen und Effekte des Themas werden damit weder erfasst noch erschlossen. Gesellschaft wird zur „black box“ – divergierende gesellschaftspolitische Vorstellungen und Konflikte zwischen grundlegend unterschiedlichen Welten und Systemen werden schlicht negiert. Und letztlich wird mit der sinnentleerten Win-Win-Metapher versucht, gesellschaftliche Widersprüche zu kaschieren, die aber gerade die Quelle von Reflexion und Innovation sind. Die Ratgeber bleiben so schlichte – sozialtechnologisch verfeinerte – Werkzeugkästen.
Schade, dass die zivilgesellschaftlichen Erfahrungen und Kompetenzen von PHINEO – insbesondere in der Wirkungsanalyse – so kaum zum Vorschein kommen. So bleibt der Eindruck einer selbstreferentiell geschlossenen und selbstgenügsamen Beratungswelt. Systematische Analysen, begriffliche Definitionen und empirische Erhebungen in bewährter wissenschaftlicher Güte und Qualität könnten hier hilfreich sein, um Innovation und Reflexion zu stimulieren.
Kommentar von Holger Backhaus-Maul für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 137 – August 2013 vom 30.08.2013