Kommentar: Der ADAC als Vorbild?

von Rudolf Speth

Zweieinhalb Jahre, nachdem der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) mit Manipulationen und finanziellen Verflechtungen die Schlagzeilen beherrschte, hat der Club seine Verhältnisse geordnet. Diese Neuorientierung ist auf den ersten Blick geglückt, wenn sie auch bei weitem noch nicht realisiert ist. Erstaunlich ist, dass der ADAC weiter so potent dasteht wie vor dem Skandal. Die Mitgliederzahlen steigen weiter und der ADAC hat sich nicht zerlegt. Wie ist dies gelungen, und können andere Nonprofit-Organisationen davon lernen?

Auf der Delegiertenversammlung des ADAC am 7. Mai 2016 in Lübeck stimmten 84 Prozent der 221 Delegierten für das vorgeschlagene Drei-Säulen-Modell. Wenn es realisiert ist, wird es den Verein als erste Säule geben. In dieser ist die Pannenhilfe und die technische und juristische Beratung der 19 Millionen Mitglieder untergebracht. Die zweite Säule vereint alle kommerziellen Aktivitäten: Diese Europa-AG ist der ADAC-Wirtschaftskonzern mit 64 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften. Als dritte Säule fungiert die ADAC-Stiftung, in der die gemeinnützigen Aktivitäten (Luftrettung, Gelber Engel) gebündelt sind. Mit diesem Modell soll sichergestellt werden, dass der Idealverein von den wirtschaftlichen Interessen getrennt ist.

In der Tat führt dieser Beschluss zu einem tiefen Umbau der Organisation, die immer noch ein gemeinnütziger Verein ist, aber mehr als 9.000 Mitarbeiter hat und ein Eigenkapital von mehr als 1 Milliarde Euro sowie ein Anlagevermögen von 2,41 Milliarden Euro. Die Beitragseinnahmen werden 2016 mehr als 700 Millionen Euro betragen. Bei diesen Zahlen wird schnell klar, dass hier eine Entflechtung dringend notwendig wurde. Doch erstaunlich lange nahm daran niemand Anstoß. Erst nachdem Ende 2013 jemand aus dem Innern der Organisation auspackte und Manipulationen öffentlich wurden, hat die Führungsspitze sich zu einer Kurskorrektur entschlossen.

Für ihren Erfolg spielten sowohl innere als auch äußere Faktoren eine Rolle. Zu nennen ist zunächst die durchdachte Krisenkommunikation. Eine solche muss zur Mediengesellschaft passen. Der alte Präsident, Peter Meyer, trat zurück und der neue, August Markl, versprach Großes: einen Umbau des ADAC und das Programm „Reform für Vertrauen“. Also keine Salamitaktik, sondern das Versprechen einer schnellen und umfassenden Aufklärung und Neuordnung.

Für diesen Prozess legte sich der ADAC einen Beirat aus honorigen Persönlichkeiten zu: Edda Müller (Transparency International Deutschland), Jürgen Heraeus (Unicef Deutschland), Hans-Jürgen Papier (Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D.), Rupert Graf Strachwitz (Maecenata Institut). Diese Persönlichkeiten bürgten für die Qualität der Veränderungen und wirkten nach innen und außen.
Der Prozess selbst wurde transparent über sieben thematische Arbeitsgruppen gestaltet. Die Anwaltskanzlei Freshfields entwickelte neue Compliance-Richtlinien. Über den Fortgang des Prozesses wurde laufend im clubeigenen „Magazin Auto Motor Sport“ informiert.

Die äußeren Faktoren betreffend, profitierte der ADAC von günstigen Bedingungen. In der Mediengesellschaft verliert das Publikum schnell das Interesse, gerade an einem Prozess, der sich über mehr als zwei Jahre hinzieht.
Hinzu kommt: Der ADAC hat keine wirklich ernst zu nehmenden Konkurrenten. In vielen Bereichen ist er Monopolist. Der Druck auf die Organisation nahm daher schnell ab, zumal die stabilen bzw. steigenden Mitgliederzahlen die Vorwürfe relativierten.

Der Umbau ist zwar nun beschlossen, doch nun muss er umgesetzt werden. Nicht ganz leicht für eine Organisation mit mehr als 9.000 Mitarbeitern, relativ autonomen Regionalclubs und einem eigentlich erfolgreichen Geschäftsmodell.

Trotzdem könnte der Reformprozess des ADAC Vorbild für andere Organisationen aus dem Nonprofit-Bereich werden. Interessant ist er für die Szene auf jeden Fall. Denn der ADAC ist nicht die einzige Organisation, unter deren gemeinnützigem Dach sich profitorientierte Unternehmensstrukturen entwickelt haben und der Nonprofit-Bereich zum Feigenblatt geworden ist.

Kommentar von Dr. Rudolf Speth für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 167 – Mai 2016 vom 31.05.2016

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