von Gisela Jakob
Wenn der Bundesfreiwilligendienst (BFD) für etwas gut ist, dann für Erkenntnisse, was passiert, wenn der Staat das Engagement seiner Bürger organisiert. Von Anbeginn kommt der Dienst aus den Problemen nicht heraus. Die jüngeren Nachrichten: Mehr als 80 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des BFD in den ostdeutschen Bundesländern sind älter als 27 Jahre, ein großer Teil von ihnen ist arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld II. Der BFD stellt für viele einen (unzureichenden) Ersatz für Erwerbsarbeit dar. Kommunen und gemeinnützige Organisationen nutzen die arbeitslosen älteren Freiwilligen, die häufig über berufliche Qualifikationen verfügen, um kommunale Aufgaben und soziale Dienstleistungen zu erbringen. In zahlreichen Stellen, die bis zur Aussetzung der Wehrpflicht Zivildienstplätze waren und ungeprüft in Stellen für den BFD „umgewandelt“ wurden, herrscht nach wie vor eine Pflichtdienstmentalität, und die BFD-Teilnehmer werden entsprechend eingesetzt. Ungeklärt bleibt die Frage nach sinnvollen Zielen und tragfähigen Konzepten für die Bildung der älteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Zusätzlich zu diesem Bündel an Problemen und Widersprüchen ist nun auch noch das Geld ausgegangen, was insbesondere für kleinere, finanziell schlecht ausgestattete Einrichtungen Planungsunsicherheit bedeutet.
Die Hoffnung auf Beruhigung und Stabilisierung bei den Freiwilligendiensten, wie sie von einigen Verbandsvertretern in letzter Zeit geäußert wurde, dürfte sich angesichts dieser Situation als illusorisch erweisen. Denn die ungelösten Probleme sind in der Konstruktion des staatlich organisierten Bundesfreiwilligendienstes angelegt. Das Thema Arbeitsmarktneutralität, die Problematik eines Niedriglohnbereiches durch die Hintertür und die damit verbundene rechtliche Grauzone, die Folgen nachwirkender Zivildiensttraditionen und der im Bundesfreiwilligendienst angelegte neue staatliche Zugriff auf die Zivilgesellschaft werden die Freiwilligendienste in den nächsten Jahren begleiten. Dies bindet Zeit und Energien bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Träger und Zentralstellen, die den BFD umsetzen. Wenn es nicht gelingt, grundlegende Veränderungen zu bewirken, wird dies letztendlich auf Kosten der inhaltlich-fachlichen Weiterentwicklung der Freiwilligendienste insgesamt gehen.
Eigentlich müssten jetzt Anstrengungen unternommen werden, die Organisation und Ausrichtung des Bundesfreiwilligendienstes zu verändern. Dazu würde gehören, den staatlichen Einfluss bei der Umsetzung zu begrenzen, die Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisationen zu stärken, über die Sinnhaftigkeit der Altersöffnung nachzudenken und neue regionale Netzwerkstrukturen zu entwickeln, um auch den Kommunen Freiwilligendienste zu ermöglichen. Möglicherweise stünde dabei auch die Konstruktion des Bundesfreiwilligendienstes zur Disposition.
Doch leider sind außer einigen wenigen kritischen Stimmen von Fachvertretern aus den Freiwilligendiensten und einzelnen Bundesländern derzeit keine politischen Kräfte für eine grundlegende Reform zu sehen. Im Koalitionsvertrag wird der BFD als Erfolg gefeiert, in den Spitzen der Wohlfahrtsverbände ist die anfängliche Kritik weitgehend verstummt, die kommunalen Spitzenverbände fordern gar eine Ausweitung des BFD, und bei den Referenten und pädagogischen Mitarbeiterinnen „an der Basis“ herrscht vor allem der Wunsch nach Stabilität und Sicherheit, um die alltäglichen Anforderungen bewältigen zu können. Die aktuelle Bundesratsinitiative einer gesetzlichen Regelung des Freiwilligendienstes aller Generationen als Teil des BFD-Gesetzes setzt erneut auf eine Ausweitung staatlicher Zuständigkeiten und verweist einmal mehr darauf, wie wenig ausgeprägt Sensibilitäten bezüglich der Aufgabenteilung zwischen Staat und Zivilgesellschaft sind. Es ist zu befürchten, dass der Bundesfreiwilligendienst noch lange im Gespräch bleiben wird.
Kommentar von Prof. Dr. Gisela Jakob für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 144 – April 2014 vom 30.04.2014