von Jutta Schröten
Im Spätherbst 2015 ist das Thema „Schule und Wirtschaft“ durch den Blätterwald gerauscht. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat sich in seiner Geschichte „Die gekaufte Schule“ (Ausgabe 45/2015) dem Engagement von Unternehmen in Schulen gewidmet, mit teils martialischem Vokabular wie Kapitulation und Kampf, Unterwandern und Infizieren. Der Beitrag kritisiert einerseits den Lobbyismus heftig und aufgeladen, um dann andererseits ein seit Jahren von der Wirtschaft gefordertes Pflichtfach Wirtschaft für Schulen zu bemängeln. Die Berichterstattung zeigt ungeachtet auch berechtigter Kritik vor allem eines: Schulleitungen und Lehrkollegien werden maßlos unterschätzt.¬ Sie kommen in dem Beitrag gar nicht zu Wort. Weder wurde eine Schulleitung interviewt noch Eltern, die in Deutschland weitgehend freie Schulwahl haben und schon gar keine engagierte Schülervertretung.
Zu simple Botschaften
In einem Leserbrief an den Spiegel wies folgerichtig ein Lehrer darauf hin, seine Schüler seien so mündig, simple Botschaften und allzu platte Attitüden sofort zu durchschauen. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 29. November 2015 äußerten sich eine Fachlehrerin Wirtschaft, ein Didaktiker aus dem universitären Feld und der Sprecher des Bundeselternrates. Fazit der drei Fachleute: Es gilt, die Kontakte zwischen Wirtschaft und Schulen differenzierter zu betrachten, qualitativ zu bewerten und die jeweiligen Interessen am Schulsponsoring und Förderung von Schulen genau zu erkennen, übrigens auch das Engagement von Gemeinnützigen und Verbraucherschutzorganisationen.
Diesem Resümee kann man sich anschließen und den Blick auf das unaufgeregte Weiterarbeiten in den Schulen lenken. Selbst wenn sie wollten, könnten Schulleitungen nicht einfach so über Sponsoring an ihren Schulen entscheiden und schon deshalb können sie den vermeintlichen Kampf um die „Hoheit über ihre Schulhöfe“ gar nicht führen. Sie brauchen die Zustimmung ihrer Schulkonferenzen, dem Gremium, in dem Kollegium, Eltern und Schüler entscheiden, ob überhaupt und wer sponsern, wer fördern darf und welches Unterrichtsmaterial verwendet wird.
Besserwissen als guter Ton?
Es scheint in der Bildungsrepublik einfach zum guten Ton zu gehören, es besser zu wissen als die, die in Schulen arbeiten. Komplexität und Modernität der Organisation Schule werden dabei ebenso unterschätzt wie Führungskraft und Kompetenz der Schulleitungsteams. Diese steuern Schule pädagogisch, konzeptionell und organisatorisch. Sie vertreten ihre Schulen beim Schulträger, der in der Regel finanzschwachen Kommune. Auf notwendige Renovierungen, ausgewiesen in der Schulentwicklungsplanung, warten sie mehrere Jahre. Sie entlassen Schülerinnen und Schüler, die nie ein renoviertes Schulgebäude gesehen haben. Alltag für Schulen, die im Spätherbst 2015 unvorhergesehene Herausforderungen meistern müssen. Solche, die nicht im Schulentwicklungsplan der finanzschwachen Kommunen stehen und nicht im Businessplan der umsatzstarken Unternehmen. Sondern die Herausforderungen, die es mit sich bringt, Tag für Tag Flüchtlingskinder zu integrieren und ihren Schulgemeinschaften so komplexe Dinge wie Abschiebung und Aufenthaltsstatus zu erklären.
Sponsoring im Bildungsbereich erfordert Fingerspitzengefühl. Unterricht und Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern brauchen kluge Strategien und Tiefe des Denkens. Das wäre doch was, darüber miteinander nachzudenken und zu sprechen, um gemeinsam wirklich dringende Herausforderungen zu meistern.
Kommentar von Dr. Jutta Schröten für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 162 – November/Dezember 2015 vom 10.12.2015