von Stefan Nährlich
Wer in Deutschland einen gemeinnützigen Verein oder eine gemeinnützige Stiftung gründen will, lernt bald die Abgabenordnung (AO) kennen. Dort geht es im dritten Abschnitt in den Paragraphen 51 bis 68 um die steuerbegünstigten Zwecke. Wer als gemeinnützig anerkannt sein will, muss seine Tätigkeit darauf richten, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Die Tätigkeiten müssen Satzungszwecken entsprechen, die das Finanzamt zwischen den Punkten 1 „Förderung von Wissenschaft und Forschung“ bis 25 „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke“ der AO einordnen kann. Näheres regelt der Anwendungserlass zur Abgabenordnung.
Regelmäßig gerät die AO wegen dieser Zwecke in die Kritik: Sie seien unvollständig, der Katalog in seiner Zusammensetzung mehr willkürlich als logisch und vor allem starken Lobbyinteressen geschuldet. Bei der Beurteilung kämen die Finanzbehörden zu unterschiedlichen Auslegungen, wie sich zuletzt im Fall des globalisierungskritischen Netzwerks Attac prominent gezeigt habe, so die Kritiker. Befürworter der AO halten dagegen, dass die Zwecke ja nicht abschließend seien und verweisen auf die Öffnungsklausel des Paragraphen 52: Wer überzeugend das Gemeinwohlförderliche seines Anliegens darlegen könne, habe auch Chancen, als gemeinnützig anerkannt zu werden.
Glückwunsch dem Turnierbridge
Genau das hat jetzt das Turnierbridge geschafft. Glückwunsch! Lange Zeit stand das schöne Kartenspiel im Anwendungserlass als Negativbeispiel für die Tätigkeiten, die explizit kein Sport im Sinne der AO sind. Doch diese Liste wird stetig kleiner. 2010 schon adelte eine Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts den Tischfußball als gemeinnützig; bald könnte das IPSC-Schießen folgen. Das Niedersächsische Finanzgericht zumindest sieht das so. Die Tipp-Kicker dagegen haben Pech. Auf eine kleine Figur zu drücken, damit die einen Ball auf das Tor schießt, ist nicht gemeinnützig. Eine Stange zu drehen, damit die daran befestige Figur einen Ball auf das Tor schießt, schon. Logisch. Auch die Freunde der Grillkultur hofften 2017 vergeblich auf die Erteilung der Gemeinnützigkeit und mussten in der Urteilsbegründung des Finanzgerichtes Baden-Württemberg lesen, dass sie nicht Teil der geistigen und künstlerischen Ausdrucksformen eines Volkes sind. Zuletzt hatte die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Ergänzung der Zwecke der AO um Frieden, Menschenrechte und die Rechte von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen verlangt. Die Regierungsmehrheit lehnte das ab und sprach von Klientelpolitik.
Muss das alles so sein? Müssen Politik und Finanzverwaltung darüber entscheiden, ob das gemeinschaftlich verfolgte Anliegen der Bürgerinnen und Bürger gemeinwohlförderlich ist? Muss das auf Ebene von sechzehn Bundesländern geschehen, deren Behörden dann zu unterschiedlichen Auffassungen gelangen? Muss das überhaupt entschieden werden? Oder reicht es nicht, um gemeinnützig zu sein, sich an gesetzliche Spielregeln zu halten und etwaige Überschüsse wieder in den Vereins- oder Stiftungszweck zu investieren, unabhängig vom Zweck? Es ist höchste Zeit, das Gemeinnützigkeitsrecht zeitgemäß und einfach zu gestalten.
Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 180 – Juli 2017 vom 31.07.2017