Kommentar: Giving Pledge – ein neuer schicker Club für Superreiche

von Elena Philipp

Superreiche verpflichten sich dem Gemeinwohl: Im Juni 2010 traten die US-amerikanischen Milliardäre Bill und Melinda Gates sowie Warren Buffett mit dem Vorschlag an ihre Milliardärs-Kollegen heran, mehr als die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden, während der eigenen Lebenszeit oder testamentarisch. Die Giving Pledge unterzeichneten bei ihrem Start 40 vermögende US-Bürger. Jetzt, nach fünf Jahren Laufzeit, haben sich 137 Superreiche aus 14 Nationen öffentlich zum Gates-Buffett-Aufruf bekannt – vorwiegend US-Amerikaner, darunter Tycoons wie David Rockefeller, aber auch die neuen Tech-Gurus wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg oder Tesla-Innovator Elon Musk. Ein Deutscher ist auch dabei, SAP-Miteigentümer Hasso Plattner.

Die Initiative von Buffett und dem Ehepaar Gates hat nicht nur zum Gründungszeitpunkt ein starkes (Medien-)Echo hervorgerufen. Die Giving Pledge werde die Philanthropie verändern, schwärmten die einen; vor undemokratischer, ineffizienter Geldvergabe warnten die anderen. Auch hierzulande wurde die Giving Pledge ausführlich diskutiert – von „großartiger Impuls“ und „Mut der Milliardäre“ bis „obszön” und „Ablasshandel“ reichten die Reaktionen in den deutschen Medien.

Moralisch betrachtet ist es sicher lobenswert, einen Großteil des eigenen Vermögens für gemeinnützige Zwecke vorzusehen und nicht nur für die eigene Familie. Und doch bietet die öffentlichkeitswirksame US-Selbstverpflichtung nach wie vor Anlass zu Kritik.

Unverbindliche Erklärungen

Nachweisen muss kein Spender oder Erbe, dass das Versprechen eingehalten wurde. Niemand unterzeichnet einen legal bindenden Vertrag; die meisten Giving Pledger veröffentlichen lediglich einen formlosen Brief auf der Webseite der Initiative. Wer sich warum beteiligt, wird daraus einigermaßen ersichtlich. Ob und wie viel gespendet wurde und wird, ist hingegen nicht so einfach nachzuvollziehen: Die Verpflichtung bleibt ein rein individuelles Vorhaben, ein moralischer Appell.

Die Finanzbehörden in den USA sehen zwar mehr Offenlegung vor als in Deutschland, aber volle Transparenz gewährleisten sie nicht. Eine Recherche des Informationsdienstleisters Bloomberg, welche Summen verstorbene Giving Pledgers aufgrund ihrer Selbstverpflichtung bislang tatsächlich wohltätigen Zwecken zugeführt haben, musste auf Auskünfte von Angehörigen zurückgreifen. Die zum Start jubelnd prognostizierten 600 Milliarden US-Dollar, der „Nettowert“ der Unterzeichner, könnte die Giving Pledge verfehlen: Oft stehen nach Abzug von Steuern, Schulden und Zuwendungen an die Erben geringere Summen für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung als erhofft.

Wohin fließen die Gelder?

Als „glorifiziertes Steuersparmodell“ kritisiert, wird eine steuerbegünstigte Giving Pledge-Großspende mit etwa einem Drittel vom US-Steuerzahler bezuschusst, so Aaron Dorfman in der Huffington Post. Viele Gelder landen zudem in familiengeführten Stiftungen. Und welche maßgeblichen zehn, zwanzig philanthropischen Projekte seien denn bislang entstanden, die man mit der Giving Pledge in Verbindung bringen könne, fragte der skeptisch gestimmte Milliardär Marc Benioff schon 2012 im Wall Street Journal. Er weigerte sich denn auch, die Pledge zu unterzeichnen.

Entscheidend bleibt die Frage: Wohin fließen die Gelder – und werden sie effizient verwendet? Gesundheit, Bildung, Kunst und Kultur sind vorrangige Spendenzwecke der Pledgers, wie das Foundation Center in seiner Transparenzinitiative Glasspockets mitteilt (die bei der Bill & Melinda Gates Foundation angesiedelte Giving Pledge veröffentlicht selbst keine Daten). Doch ob das Geld wirkungsvoll eingesetzt wird, ließe sich, falls überhaupt, nur am jeweiligen, aufwändig zu recherchierenden Einzelfall belegen.

Lerngruppe für Milliardäre

Die Giving Pledge kann man also mit Fug und Recht als neuen schicken Club der Superreichen bezeichnen. Dass das Lernen, der Austausch untereinander über innovatives Geben, im Fokus steht, verhehlen Buffett und Gates aber gar nicht. Für sie zählen der Vorbildcharakter, die gegenseitige Inspiration (und hoffentlich auch die soziale Kontrolle) – im Rahmen einer global-amerikanischen Spendenkultur, in der Philanthropie erlernt und in den vermögenden Familien als Handlungsmaxime weitergegeben wird. Die Giving Pledge ist ein Projekt, das auf Generationen angelegt ist. Fünf Jahre sind da nur ein Wimpernschlag. Die Mittel für kurz- und mittelfristig drängende Probleme, derer sich Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen annehmen, sind hier jedenfalls nicht zu akquirieren.

Kommentar von Elena Philipp für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 157 – Juni 2015 vom 30.06.2015

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