von Stefan Nährlich
„Das Ehrenamt ist kein Ersatz für staatliche Aufgaben“, sagten Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig bei der Konstituierung des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement und ihr Staatssekretär Ralf Kleindiek beim Forum Aktive Bürgerschaft 2014. Dem Ministerium ist diese Botschaft wichtig – und nicht nur ihm. Auch in den Satzungen von Bürgerstiftungen findet sich oft die Regelung, dass die Stiftung keine Aufgaben übernehmen soll, die zu den Pflichtaufgaben der Kommunen gehört. Viele Ehrenamtliche und gemeinnützige Organisationen teilen diese Auffassung zum Verhältnis von Bürgerengagement und Staat. Engagementpolitik und Engagementpraxis sind sich also offenkundig einig, was sie nicht wollen. Aber reicht das für die Zukunft aus?
Als die Aktive Bürgerschaft 1997 gegründet wurde, leistete das internationale Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project gerade einen wesentlichen Beitrag zur Sichtbarmachung des Dritten Sektors auch in Deutschland. Es war eine Zeit des Aufbruchs. Gemeinnützige Organisationen und bürgerschaftliches Engagement wurden als gesellschaftliches Reformpotenzial entdeckt. Es ging um die Neubestimmung von Arbeit, den Umbau des Sozialstaates und die Revitalisierung der Demokratie. Es ging um ein neues Verhältnis zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, in dem Bürgerengagement eine zentrale Rolle spielen sollte, wie es die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ in ihrem Abschlussbericht 2002 formulierte.
Seitdem jedoch herrschen vor: Stillstand des Aufbruchs, dafür Einzug der Rituale. Das sind: Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes erlassen, Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement einsetzen, Übungsleiterpauschale erhöhen. Gesetz zur weiteren Stärkung des Ehrenamtes erlassen, Unterausschuss einsetzen, Übungsleiterpauschale erhöhen. Die Politik praktiziert Business as usual, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Nichts gegen Routine, aber: Für die Zukunft reicht das nicht aus. Finanzierungsprobleme, Nachwuchsmangel und zu viel Bürokratie, Lückenbüßerdiskussion, Monetarisierungstendenzen und Transparenzdefizite belasten und schwächen das Bürgerengagement und die gemeinnützigen Organisationen.
Wir brauchen eine Vision von der gesellschaftspolitischen Rolle bürgerschaftlichen Engagements. Ist es vorpolitischer Raum oder eine eigenständige gesellschaftliche Kraft? Und wir brauchen ordnungspolitische Spielregeln, die unabhängig von parteipolitischer Agenda und Kassenlage die Entstehung und Entwicklung bürgerschaftlichen Engagements ebenso fördern wie die Zusammenarbeit mit dem Staat. Beides gehört zusammen und an beidem mangelt es. Eine kluge Engagementpolitik sollte hier ansetzen. Einigkeit darüber, was wir nicht wollen, ist schön, aber nicht genug.
Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 143 – März 2014 vom 31.03.2014