Kommentar: Perspektivwechsel im Engagement

von Holger Backhaus-Maul

Engagement hat Tradition in Deutschland, aber hat es auch Zukunft? Als Ehrenamt war Engagement grundlegend für die Herausbildung von Sozialstaat und sozialer Sicherung. Heutzutage durchzieht es zwar alle Gesellschaftsbereiche von Soziales, Bildung und Kultur bis hin zu Sport und Wirtschaft, verharrt zugleich aber in Nischen und nährt sich von Brosamen, so die jüngste sozialwissenschaftliche Zwischenbilanz. Sie ist nachzulesen in “Aus Politik und Zeitgeschichte” (APuZ 14-15/2015 vom 30. März 2015).

Eine erste tiefgreifende Vitalisierung und Erneuerung erfuhr das traditionsreiche ehrenamtliche Engagement im Zuge der Politisierung der westdeutschen Gesellschaft Ende der 1960 Jahre. Gesellschaftliches Mittun und politisches Mitentscheiden bilden seitdem die beiden Seiten derselben Medaille. Gleichwohl ist Engagement staatlicherseits jahrzehntelang als apolitisches Ehrenamt gewürdigt und als politischer Protest zugleich zurückgewiesen worden. So überrascht es nicht, dass die Bundesregierung erst relativ spät, das heißt ab der vergangenen Legislaturperiode eine Expertenkommission zur Berichterstattung über Entwicklungen des Engagements in Deutschland eingesetzt hat. In Kürze werden der zweite Engagementbericht der Bundesregierung mit dem Themenschwerpunkt „Demografischer Wandel“ vorgelegt und die Engagementpotenziale des Alters ausgelotet werden.

Während aber die Bundesregierung dem Engagement einen Platz in der öffentlichen Daseinsvorsorge zuweist, verorten Experten etwa von Active Philantropy und Phineo die Zukunft des Engagements gesellschaftspolitisch gänzlich anders. So verweisen Michael Alberg-Seberich und Kolleginnen auf die Paradoxie, dass im Engagement prekäre Verhältnisse vorherrschen und über einen latenten Mangel an Geld geklagt wird, während gleichzeitig viel Geld im Umlauf auf der Suche nach sinnstiftenden Anlagemöglichkeiten ist.

Engagement erweist sich bisher aber für sinnsuchende Investoren als nicht attraktiv, da sein Sinn von den Beteiligten zumeist nur behauptet und beschworen, nicht aber nachgewiesen wird. Der tiefere Sinn des Engagements und seine Wirkungen – so die Analysten um Andreas Rickert von Phineo – bleiben oftmals verborgen. Hierbei geht es nicht um quantitative Wirkungsmessungen, sondern um qualitativ anspruchsvolle Wirkungsbeschreibungen. Die Zukunft des Engagements liegt also in fundierten Wirkungsbeschreibungen, die die Engagierten und ihre Organisationen mit notwendigen Analysen und Wissen ausstatten und damit gesellschaftliches Engagement auch für sinnsuchende Investoren attraktiv machen.

Kommentar von Holger Backhaus-Maul für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 154 – März 2015 vom 31.03.2015

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