von Marita Haibach
Die weltweite soziale Ungerechtigkeit, so die Hilfsorganisation Oxfam in ihrem im Januar 2017 veröffentlichten Bericht „An Economy for the 99 Percent“, sei deutlich dramatischer als bisher bekannt und nehme weiter zu. Die acht reichsten Männer der Welt, so heißt es weiter, besitzen mehr als die gesamte ärmere Hälfte der Welt, das eine reichste Prozent der Weltbevölkerung hat mehr als die restlichen 99 Prozent zusammen. Offenkundig macht die Hilfsorganisation nun eine Tradition daraus, am Anfang eines Jahres – im Vorfeld des Weltwirtschaftstreffens in Davos – die Kluft zwischen Arm und Reich mittels knackiger Zahlen öffentlich anzuprangern; der erste Bericht in diese Richtung wurde Anfang 2016 veröffentlicht.
Doch was und wem nützt das öffentliche Brandmarken von Reichtum und der Schere zwischen Arm und Reich? Eines bringt die Veröffentlichung garantiert: Schlagzeilen und eine überwiegend positive Berichterstattung für Oxfam, möglicherweise sogar mehr Spenden. Das Prinzip, dass Reichen-Rankings, Zahlen über Vermögende und Analysen zur Verteilung von Vermögen zu Marketing-Zwecken eingesetzt werden, ist nicht neu. Auch Finanzdienstleister mit ihren Vermögensberichten (wie beispielsweise der World Wealth Report von Capgemini) oder die Reichsten-Sonderhefte der Wirtschaftszeitschriften Manager Magazin und BILANZ nutzen dies seit Jahren.
Wachsender Reichtum verdient Beachtung
In der Tat lassen die unterschiedlichen Publikationen darauf schließen: Die Zahl der Vermögenden und die Höhe der Vermögen in einer ganzen Reihe von Ländern der Erde wachsen seit Jahren, nicht nur die der Milliardäre, sondern auch der Vermögensmillionäre und der Superreichen (ab 30 Millionen US-Dollar Vermögen). Deutschland hat stark am weltweiten Vermögensanstieg partizipiert. Es ist positiv zu werten, dass das Interesse an dem Phänomen des Reichtums sowie dessen gesellschaftlicher Bedeutung zugenommen und sich zudem die Vermögensforschung im deutschsprachigen Raum zunehmend etabliert hat.
Mit den wachsenden Vermögen bei einigen wenigen Menschen gehen hitziger werdende Debatten über die dadurch verursachten gesellschaftlichen Auswirkungen einher, taucht vermehrt der Begriff der Verteilungsgerechtigkeit auf. Dennoch wirkt die reißerische Veröffentlichung von Megazahlen eher paralysierend denn aktivierend. Der weit verbreitete Eindruck, dass den Armen genommen und den Reichen gegeben werde, erfährt dadurch Bestätigung. Der Maßnahmenkatalog, den Oxfam aufstellt, reicht von der weltweiten Einführung eines Mindeststeuersatzes für Konzerne, über Schwarze Listen für Steueroasen und eine öffentliche Rechenschaftspflicht für Konzerne darüber, wo sie Gewinne erzielen und welche Steuern sie darauf zahlen, bis zur Erhöhung der Steuersätze auf besonders hohe Einkommen. Offen bleibt allerdings, wie das in der Praxis weltweit umzusetzen wäre.
Plakative Debatten helfen wenig
Politische Debatten sind meist plakativ, doch bei einer derart komplexen Thematik wie der Verteilung von Vermögen greifen primär materiell-fiskalische Argumentationen zu kurz – zumal die Mühlen des Tankers Staat langsam mahlen. Reiche, die sich abschotten, weil sie Attacken und Beschimpfungen scheuen, nützen der Gesellschaft wenig. Wichtig wäre vielmehr, Maßnahmen zu entwickeln, die tatsächlich Armut bekämpfen und Veränderungen bewirken; ebenso der Dialog mit den Vermögenden. Auch für die Superreichen ist die Vermögensverteilung ein Thema, so wie die Zukunft unseres Landes und der Welt insgesamt.
Ein Bereich, in dem schnelleres Handeln möglich wäre, ist das vermehrte philanthropische Engagement von Reichen. Hier ist in Deutschland noch sehr viel Luft nach oben. Anders als viele US-Milliardäre haben beispielsweise bislang nur einzelne sich dem Giving Pledge, dem Versprechen, die Hälfte des Vermögens zu spenden oder zu stiften, angeschlossen. Philanthropie ist kein Umverteilungsmechanismus von Vermögen in großem Maßstab, doch eine ganze Reihe philanthropischer Aktivitäten dienen der Stärkung der Zivilgesellschaft und der Entwicklung von wirklichen Innovationen. Spannend wäre eine Debatte, ob sich die Reichen dadurch mehr Einfluss sichern, oder aber ob es um Engagement auf Augenhöhe geht. Und dann wäre auch zu diskutieren, wie es aussehen könnte, das auf Gleichberechtigung fußende Engagement.
Dr. Marita Haibach ist seit 1991 als unabhängige Fundraising-Beraterin und Autorin tätig. Sie ist Mitinhaberin des Major Giving Institute, das sich dafür einsetzt, Anzahl und Volumen von hohen Förderbeträgen zu steigern und die Wertschätzung für das Engagement von Großspenderinnen und Großspendern zu erhöhen. Marita Haibach hat den Deutschen Fundraising Verband und die European Fundraising Association mit aufgebaut. Sie gehört zu den Mitinitiatorinnen der Fundraising Akademie, der Stiftung Filia und des PECUNIA Erbinnen-Netzwerkes, und sie hat mehrere Bücher zum Thema Fundraising und Umgang mit Vermögen veröffentlicht.
Kommentar von Dr. Marita Haibach für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 174 – Januar 2017 vom 31.01.2017