von Gisela Jakob
Das Lernen von bürgerschaftlichem Engagement und Verantwortung ist zu einer beliebten Formel in politischen Strategiepapieren geworden. So richtet die Bundesregierung in ihrer Nationalen Engagementstrategie die Förderung von Engagement als Auftrag an Schulen und andere Bildungseinrichtungen. In dem von der Bundeskanzlerin 2011/12 initiierten Zukunftsdialog empfehlen Expertinnen und Experten ein „Projekt zivilgesellschaftliches Engagement“, in dem Schülerinnen und Schüler in Service Learning-Projekten Gemeinsinn und soziale Kompetenzen erwerben sollen. Als Ergebnis des „Bürgerdialogs Demografischer Wandel“ des Bundesbildungsministeriums (BMBF) wird gar ein „verpflichtendes gesellschaftliches Engagement“ in den Schulen gefordert.
Tatsächlich hat die im Auftrag der Aktiven Bürgerschaft erstellte Wirkungsstudie Service Learning gezeigt, dass die Teilnahme an Service Learning-Projekten die Einstellung von Schülerinnen und Schülern zum Engagement verbessert. Vor allem, weil sie die positive Erfahrung machen, dass sie etwas bewirken können. Umso bedauerlicher ist es, dass das Lernen von Engagement in der Schule in den politischen Strategiepapieren vor allem unter instrumentellen Gesichtspunkten gesehen wird: Es soll zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen, die Demokratie retten, die Folgen des demografischen Wandels bewältigen, den Schülern soziale Kompetenzen beibringen und möglichst auch noch zu ihrer beruflichen Orientierung und Qualifizierung beitragen. Davon abgesehen, dass in dieser Aufzählung eine heillose Überforderung von Settings und Gelegenheiten des Engagement-Lernens in Schulen zu Tage tritt, fällt der instrumentalisierende Blick auf das Thema auf. Denn eigentlich geht es bei Lern- und Bildungsprozessen von Kindern und Jugendlichen auch darum, ihnen neue Lebensperspektiven zu eröffnen und ihnen Teilhabe und Mitgestaltung zu ermöglichen. Doch das bleibt in der politischen Debatte unterbelichtet. Stattdessen wird Engagement-Lernen vor allem in seinem Nutzen für die Gesellschaft diskutiert.
Auch die Fachdebatte über Service Learning dreht sich vor allem um die Möglichkeiten sozialen Lernens und der Verantwortungsübernahme, die Unterstützung in der Persönlichkeitsentwicklung und die Verbesserung schulischer Leistungen. Sie vernachlässigt, dass es auch darum geht, gesellschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, soziale Ungleichheiten zu erkennen, globale und ökologische Probleme zu untersuchen und so etwas wie Kritikfähigkeit zu erlernen. Einschlägige Studien blenden meist aus, ob und wie sich denn die Schule als Institution selbst verändert und ob es gelingt, mit solchen Aktivitäten neue Formen gleichberechtigter Mitsprache und demokratischer Mitgestaltung zu entwickeln.
Doch wie kann Service Learning vor der Instrumentalisierung bewahrt werden, und wie kann der Diskurs in perspektivreichere Bahnen gelenkt werden? Hier hilft ein Blick in das Land, aus dem das Konzept Service Learning stammt. In den USA hat sich unter Stichworten wie „Making Volunteers“ und in der Kontroverse zwischen „Traditional“ und „Critical Service Learning“ ein Diskurs entwickelt, der die eingefahrene schulische Praxis von Community Service und Service Learning kritisch beleuchtet. Frühzeitig nach Wirkung und Instrumentalisierung zu fragen – diese Perspektive ist gerade jetzt für die Debatte in Deutschland interessant, wo sich das Konzept Service Learning erst etabliert und noch gestalten lässt.
Kommentar von Prof. Dr. Gisela Jakob für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 136 – Juli 2013 vom 31.07.2013