von Stefan Nährlich
So oft, wie in den letzten zehn Jahren Gesetze zur Stärkung des Ehrenamts verabschiedet wurden, müsste das Ehrenamt vor Kraft kaum laufen können. Doch die Realität sieht anders aus. Manche der neuen Regelungen gehen in die richtige Richtung, andere haben bedenkliche Nebenwirkungen. Eine nachhaltige Verbesserung lässt jedoch auf sich warten und wird auch mit dem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf nicht erreicht.
Mehr Geld für die Ehrenamtlichen, wie es manche Politiker jetzt wieder so schön formulieren, heißt nämlich, dass es die Vereine und Stiftungen sind, die Geld in die Hand nehmen müssen, wenn sie die erneuerten Möglichkeiten der Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale anwenden wollen. Geld, das viele gemeinnützige Organisationen gar nicht haben. Geld, das viele so auch nicht einsetzen wollen. Denn das idealisierte Bild vom Ehrenamtlichen, dem man für seine gute Tat auch finanziell etwas unter die Arme greift, ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite wurde in der Anhörung im Finanzausschuss im Dezember so formuliert: „Wir könnten keine Sozialstation in Baden-Württemberg mehr führen, wenn wir nicht Damen und Herren hätten, die nach Übungsleiter arbeiten.“ Die Übungsleiterpauschale ist leider auch ein steuer- und sozialversicherungsfreier Niedriglohn für Erzieher, Betreuer und Pflegekräfte geworden. In einschlägigen Ratgebern à la „Geld verdienen dank Übungsleiterpauschale“ wird vorgerechnet, wie man in Kombination mit einem Minijob auf 650 Euro monatlich kommt. Die Lückenbüßer-Debatte lässt grüßen. Die Länder sorgen sich in ihrer Stellungnahme zum aktuellen Gesetzesvorhaben zu Recht um die Ehrenamtskultur. Sie befürchten, dass eine Vermischung von Ehrenamt und Beschäftigung die Bürger in ihrem uneigennützigen Engagement bremst.
Auch die Flexibilisierung bei der Rücklagenbildung und der zeitnahen Mittelverwendung spült, so richtig sie ist, nur wenig neues Geld in die Kassen gemeinnütziger Organisationen. Dass Stiftungen jetzt stiften dürfen, hilft einigen bei konkreten Vorhaben, bringt der Bürgergesellschaft aber auch keine zusätzlichen Mittel. Das gleiche gilt für die Verbrauchsstiftung, die eher eine Antwort auf die niedrigen Zinsen infolge der Finanzkrise ist, als ein Instrument, auf das alle dringlich gewartet haben. Und auf der anderen Seite kneift die Regierung bei dem Vorschlag der SPD, die Möglichkeiten der Erwirtschaftung eigener Einnahmen zu verbessern.
Was wirklich helfen würde, wäre, den Blick von den Details zu lösen und Mut zu echten Verbesserungen aufzubringen. Gemeinnützigen Organisationen und bürgerschaftlichem Engagement fehlt es zunehmend an finanziellen Mitteln. Die öffentlichen Zuwendungen sind rückläufig, der Umfang privater Spenden stagniert, und dass sich daran etwas ändert, ist nicht abzusehen. Deshalb sollte man über wirklich nachhaltige Veränderungen nachdenken wie zum Beispiel, dass der Steuerzahler ein Prozent seiner Steuerlast statt an den Staat direkt an gemeinnützige Organisationen geben darf. In anderen Ländern geht das auch. Handlungsbedarf besteht überdies beim Thema Stiftungen. Es ist kaum zu erwarten, dass sich am Niedrigzinsniveau in absehbarer Zeit etwas ändert. Dann werden Stiftungen entweder weniger fördern können oder auf den Spendenmarkt drängen und die Konkurrenz dort weiter verschärfen. Das kann nicht gewollt sein. Die Bundesregierung sollte prüfen, ob und wie sie Genossenschaftsbanken und Sparkassen in die Lage versetzen kann, gemeinnützigen Stiftungen bessere Renditechancen zu eröffnen. Die haben die Finanzkrise am wenigsten verursacht, und die Stiftungen sollten darunter schon gar nicht leiden müssen.
Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für den Online-Nachrichtendienst “Aktive Bürgerschaft aktuell”, Ausgabe 130 – Januar 2013 vom 31.01.2013