Kommentar: Stiftungen unter Stress

von Stefan Nährlich

“Das Gemeinwesen von morgen stärken! Stiftungen in einer sich verändernden Welt” war das Motto des diesjährigen Deutschen Stiftungstages. Doch werden die Stiftungen diesen Anspruch, das Gemeinwesen von morgen zu stärken, angesichts der sich verändernden Welt noch erfüllen können? Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise haben viele Stiftungen in Schwierigkeiten gebracht. Die Krise kann eine Chance sein, das deutsche Stiftungswesen zu stärken, doch es muss bezweifelt werden, ob das ohne staatliche Maßnahmen gelingt.

Das Wesensmerkmal von Stiftungen ist, dass sie mit ihrem Vermögen eine Rendite am Kapitalmarkt erwirtschaften, aus der sie ihre gemeinnützige Arbeit finanzieren, Kosten decken und etwas zum Ausgleich der Inflation zurücklegen. Das hat bislang gut funktioniert. Jetzt aber laufen die langfristigen Anlagen aus, die Zinsen sind im Keller und liegen unter der Inflationsrate. Hoffnung auf baldige Besserung haben Experten nicht. Ein Podium von Chefvolkswirten verschiedener Banken zur künftigen Kapitalmarktentwicklung übte sich beim Deutschen Stiftungstag vor allem in Sarkasmus: Man möge den Verzicht auf Renditen als Beitrag der Stiftungen zur Befriedung der Eurokrise sehen.

Während die Renditen ebenso wie die Zahl der Neugründungen von Stiftungen sinken, steigt dafür die medial transportierte Kritik an Stiftungen seit einiger Zeit an: Über den alten und falschen Vorwurf des Steuersparmodells hinaus werden Stiftungen als elitär und paternalistisch, als undemokratisch und intransparent dargestellt, wird die Frage aufgeworfen, was Stiftungen überhaupt legitimiert, sich in öffentliche Belange einzumischen. Vermögende werden für ihr Stiftungsengagement kritisiert und aufgefordert, lieber mehr Steuern zu zahlen; Unternehmen werden gerügt, sie betrieben über ihre Stiftungen „Greenwashing“ oder Lobbyismus. Im Vorfeld des Stiftungstages nannte die Tageszeitung DIE WELT Stiftungen eine „tückische Rechtsform“, von der vor allem „Banker, Berater und Lobbyisten“ profitierten, und verwies auf „bessere Alternativen“.

Wenn die Stiftungen gestärkt aus der Krise hervorgehen und das Gemeinwesen von morgen nicht nur in einer Selbstzuschreibung stärken wollen, müssen sie konstruktiv mit der Kritik umgehen: Es ist Aufklärungsarbeit über die spezifischen Funktionen von Stiftungen in modernen Gesellschaften zu leisten. Es geht nicht darum, auf immer mehr Stiftungen zu rekurrieren, sondern die richtige Stiftungsform für jeden Stifter, für jede Stifterin zu finden und sie verständlicher über die Vor- und Nachteile zu informieren. Hier können vor allem die örtlichen Bürgerstiftungen einen sinnvollen Beitrag bei der Information und Beratung leisten. Stiftungen sollten überdies Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht mit Transparenz verwechseln, sondern Vorreiter für eine angemessene gesetzliche Transparenzpflicht werden; der Mehraufwand ist aufgrund der bestehenden Berichtspflicht an die Stiftungsbehörden sehr gering.

Wenn Stiftungen diesen Weg gehen, werden sie am Ende sicherlich stärker dastehen als heute. Doch wird das ausreichen, um die Krise zu bewältigen? Bei allen notwendigen eigenen Bemühungen des Stiftungswesens bleibt die Frage ungelöst, wie Stiftungen ihre Arbeit finanzieren, wenn sich langfristig am Markt keine angemessenen Renditen erwirtschaften lassen. In diesem Fall ist der Staat gefordert, die Rahmenbedingungen zuverbessern. Er könnte beispielsweise Banken, die nicht krisenverursachend waren, durch direkte oder indirekte staatliche Maßnahmen in die Lage versetzen, gemeinnützigen Stiftungen bessere Renditechancen zu eröffnen. Ein solches Vorgehen würde zu keiner Wettbewerbsverzerrung unter den Geldhäusern führen, es würde auch nicht jene Banken noch belohnen, die zur Finanzkrise beigetragen und die Stiftungen erst in diese Lage gebracht haben. Ohne Hilfsmaßnahmen müssen die Stiftungen ihre Förderungen und Projekte einschränken oder sich um andere Einnahmen bemühen. Dann würden sie die Konkurrenz um Spenden oder öffentliche Zuwendungen unter den gemeinnützigen Organisationen weiter verschärfen. Staatliche Hilfen sind nie gut, aber die Alternativen sind womöglich noch schlechter.

Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 134 – Mai 2013 vom 31.05.2013

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