von Rudolf Speth
Lange waren Lebensführung und Ernährung kein Thema der politischen Gestaltung durch den Staat. Dies hat sich grundlegend geändert. Der Staat sieht es neuerdings als seine Aufgabe an, uns beizubringen, wie wir uns richtig ernähren. In einer liberalen Gesellschaft ist dies die Aufgabe der Einzelnen und der Familien. Überdies hat der Staat für dieses neue Vorhaben, die Lebensführung seiner Bürgerinnen und Bürger zu beeinflussen, keine geeigneten Instrumente, denn mit Gesetzen und Geld kann er hier kaum etwas ausrichten. Und ein Ministerium für die richtige Lebensführung käme in einer liberalen und pluralistischen Gesellschaft bald an die Grenzen der Legitimation.
So besinnt der Staat sich auf die Zivilgesellschaft. Doch leider geht er dabei Allianzen ein, die seine hehren Ziele infrage stellen.
Immer häufiger übernehmen zivilgesellschaftliche Organisationen die Umsetzung staatlicher Politikvorhaben. Die Verbraucherzentralen und ihr Bundesverband sind schon seit Längerem mit den staatlichen Stellen eine Verbindung eingegangen. Der Bundesverband führt Aufgaben des Verbraucherschutzministeriums durch und bekommt dafür regelmäßige Zahlungen. Die neueste Variante dieser Kooperation ist das „Bündnis für Verbraucherbildung“. Getragen wird es von der Stiftung Verbraucherschutz, die bereits 2010 gegründet wurde. Auch hier wird die zivilgesellschaftliche Stiftungsform benutzt, um staatliche Ziele zu erreichen. Zudem stammt das Stiftungskapital vom Staat. Es können aber auch Unternehmen, Privatpersonen und Wirtschaftsverbände sich mit Zustiftungen beteiligen. Unternehmen wie die Direktbank ING-Diba nehmen diese Möglichkeiten gerne in Anspruch.
Auch im Bündnis für Verbraucherbildung sind Unternehmen wichtige Player. Dieses Bündnis dient dem eingangs genannten Zweck, die Lebensführung der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Es will dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche ihren Konsum kritisch hinterfragen. Dies kann man am besten in den Schulen erreichen. Damit ist aber ein heikler Punkt erreicht, denn die beteiligten Unternehmen wie McDonald‘s, der Zwiebackhersteller Brandt, die Handelskette EDEKA und der Verband der Lebensmittelwirtschaft BLL nutzen den Zugang zu den Schulen allzu gern, können sie doch ihre künftigen Kunden direkt ansprechen.
Spätestens hier zeigt sich, dass in diesem Bündnis die hehren Ziele der Verbraucherbildung – die selbst- und gesundheitsbewusste Gestaltung der eigenen Ernährung – mit ökonomischen Interessen der Lebensmittelwirtschaft verbunden sind. Es ist nicht gewährleistet, dass die Aufklärung neutral und sachgerecht stattfindet, wenn gerade jene Unternehmen mit im Bündnis sind, die an den zu kritisierenden Produkten verdienen, sie herstellen oder mit ihnen handeln. So kann das Bündnis nicht glaubwürdig arbeiten.
Kommentar von Dr. Rudolf Speth für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 132 – März 2013 vom 27.03.2013