Warum spenden Menschen an Bürgerstiftungen? Das weiß Jonas Rugenstein. Er leitet bei der Aktiven Bürgerschaft die Erhebungen zu den Finanzkennzahlen der Bürgerstiftungen in Deutschland. Sie werden alle zwei Jahre im Report Bürgerstiftungen veröffentlicht. Im Interview beantwortet er Fragen zur Entwicklung und den Erfolgsfaktoren beim Fundraising der Bürgerstiftungen.
Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es Bürgerstiftungen in Deutschland. Wie viele Menschen haben sie bislang finanziell unterstützt?
Wir haben 300.000 Stiftende und Spendende gezählt. 260.000 Personen haben an Bürgerstiftungen gespendet, 40.000 haben gestiftet. An Bürgerstiftungen stiften und spenden auch Genossenschaftsbanken und andere Unternehmen.
Gab es besonders erfolgreiche Jahre?
Allerdings. 2022 hat die gesamte Spendensumme an die deutschen Bürgerstiftungen zum ersten Mal die Marke von 20 Millionen Euro geknackt – es wurden rund 23 Millionen Euro gespendet. Bei den Zustiftungen hatten wir 2020 mit 40 Millionen Euro einen Höchststand. Anders als früher liegt die Summe der Spenden zurzeit höher als die der Zustiftungen.
Was macht Bürgerstiftungen grundsätzlich für Stifter und Spender attraktiv?
Ich sehe mehrere Punkte. Die wichtigsten: Bürgerstiftungen haben breite Stiftungszwecke und können Zuwendungen entsprechend vielfältig einsetzen. Deshalb können sie für viele verschiedene Anliegen die Anlaufstelle sein. Außerdem engagieren sie sich vor Ort, sozusagen vor der Tür. Wer an eine Bürgerstiftung gibt, kann sehen, was das Geld bewirkt. Schließlich überzeugen die Bürgerstiftungen auch durch ihre gute Vernetzung. Die Vorstandsmitglieder haben in der Regel viele persönliche Kontakte. Sie wissen daher, wo Geld gebraucht wird und sinnvoll eingesetzt werden kann. Das schafft Vertrauen.
Wie viele Spenden/Zustiftungen werben besonders erfolgreiche Bürgerstiftungen ein?
Die Spitzenreiter in unserem letzten Benchmark Bürgerstiftungen aus 2022 waren die Bürgerstiftung Stuttgart mit über 3 Millionen Euro an Spendeneinnahmen in dem Jahr und die Bürgerstiftung Pforzheim-Enz mit einem Zuwachs beim Stiftungskapital von rund 2,7 Millionen Euro.
„Vertrauen spielt eine zentrale Rolle“
Wie gelingt es den im Wachstum erfolgreichen Bürgerstiftungen, Stifter oder Spender zu gewinnen?
Auch hier spielt das Vertrauen eine zentrale Rolle. Bürgerstiftungen können oftmals über einen langen Zeitraum zeigen, dass auf ihre Arbeit Verlass ist und dass sie etwas bewegen. Es kommt gelegentlich sogar vor, dass jemand ihnen eine Erbschaft vermacht, die sie selbst überrascht. Hier wurden also Personen überzeugt, die vorher gar keinen direkten Kontakt zur Bürgerstiftung hatten. Dazu trägt auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit bei. Eine große Rolle spielt jedoch, wenn Bürgerstiftungen hauptamtliches Personal haben, das professionelles Fundraising betreiben kann. Das trifft natürlich besonders bei den großen Bürgerstiftungen zu.
Welche Rolle spielen Stiftungsfonds?
Eine große. 2022 gingen über 90 Prozent der Zustiftungen an Bürgerstiftungen mit Stiftungsfonds. Bei den Spenden waren es knapp 70 Prozent. Und das, obwohl nur etwa jede Dritte Bürgerstiftungen Stiftungsfonds besitzt.
Wie funktioniert denn ein Stiftungsfonds?
Wer einen Stiftungsfonds gründen will, stiftet in das Vermögen der Bürgerstiftung für einen bestimmten Zweck, gegebenenfalls mit dem eigenen Namen verbunden. Die Erträge fließen jährlich in entsprechende Projekte vor Ort. Die Bürgerstiftung übernimmt die Verwaltung des Fonds, sodass für die Stiftenden Kosten und Bürokratie minimal sind.
Welche Fundraising-Kampagne einer Bürgerstiftung war besonders erfolgreich?
Es gibt viele bemerkenswerte Kampagnen. Zum Beispiel war und ist die Kampagne „Düsseldorf setzt ein Zeichen“ der BürgerStiftung Düsseldorf ein großer Erfolg. Sie wirbt jedes Jahr mit prominenten Botschafterinnen und Botschaftern für Spenden zugunsten sozial benachteiligter Menschen in Düsseldorf. Seit 2015 sind mehr als 3 Millionen Euro zusammengekommen. Die Bürgerstiftung Kreis Ravensburg wiederum verkauft einen Bürgerstiftungswein, um ein Hospiz zu unterstützen. Die Ehrenamtlichen helfen hier sogar im Weinberg mit. Erfolgreich sind auch Patenschafts- und Freundeskreisaktionen. Immer mehr Bürgerstiftungen setzen darauf, um ihre Unterstützer so mit Dauerspendenkonzepten auch langfristig an sich zu binden.
Jonas Rugenstein ist stellvertretender Programm-Leiter Bürgerstiftungen bei der Stiftung Aktive Bürgerschaft.
Interview: Gudrun Sonnenberg
Foto: Werner Kissel/Stiftung Aktive Bürgerschaft
Das Interview ist Teil des Fokus Werben, geben, wirken – Spenden für den guten Zweck der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte November 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.