NRW-Bildungsministerin Feller: „Demokratiebildung ist kein Luxus“

Ausgerechnet als die Schulleiterin Birgit Wenninghoff zur Begrüßung betonte, wie sehr sozialgenial in das Viertel und die Stadt Münster hineinstrahle, ertönte der unverwechselbare Vierklang, der zur achten Stunde ruft. Zur großen Erheiterung aller Anwesenden in der voll besetzten Aula der Mathilde Anneke Gesamtschule Münster und wie um die Verbindung von Unterricht und Engagement außerhalb des Schulgebäudes zu beweisen.

Bürgerschaftliches Engagement mit sozialgenial steht an dieser Schule für alle Schülerinnen und Schüler zweimal verbindlich im Stundenplan – im Sozial?Genial!-Kurs in Jahrgang 7, den wir als Leuchtturmprojekt im Schuljahr 2021/2022 redaktionell begleitet haben, und seit diesem Schuljahr auch im Religionsunterricht in Jahrgang 11. Damit ermöglicht es die Mathilde Anneke Gesamtschule erstmals Schülerinnen und Schülern, an ihre Engagementerfahrungen aus der 7. Klasse anzuknüpfen. Das passt zum Selbstverständnis der Schule, wie Birgit Wenninghoff unterstrich: „Sie steht für den Mut, Dinge auch mal anders zu machen.“

Münster, die Wiege der Aktiven Bürgerschaft

25 Jahre Aktive Bürgerschaft Mathilde Anneke GesamtschuleBesser hätte der Ort also nicht gewählt sein können, um mit der Veranstaltung „Fürs Leben lernen mit sozialgenial. Engagierte Kids – aktive Bürger – starke Demokratie!“ und mit Schülerinnen und Schülern sowie Gästen aus Bildungswesen, Wirtschaft und Politik das 25-jährige Jubiläum der Stiftung Aktive Bürgerschaft zu feiern. Geschäftsführer Stefan Nährlich lobte „die großartige Umsetzung des Konzepts an dieser Schule“. In Münster wurde die Aktive Bürgerschaft 1997 gegründet, auch das Service-Learning-Programm sozialgenial – Schüler engagieren sich startete in der Bistumsstadt im Jahr 2009, neben dem Programmbereich Bürgerstiftungen eine der beiden Säulen der Aktiven Bürgerschaft.

In ihrem Grußwort betonte NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller: „Demokratiebildung ist kein Luxus.“ Die CDU-Politikerin lobte den Einsatz der Schülerinnen und Schüler, die „lernen, durch ihr eigenes Engagement Verantwortung zu übernehmen. Diese Wirklichkeit zu erfahren wird in einer Welt, in der sich die Lebenswelten voneinander entkoppeln, immer wichtiger.“ Zugleich hob sie „den außergewöhnlichen Erfolg eines beeindruckenden Projekts hervor – der Aktiven Bürgerschaft. Stiftungen wie Ihre sind gerade in der aktuellen Zeit von ganz besonderer Bedeutung für das gesellschaftliche Miteinander.“

Es ist wichtig, den Schonraum Schule zu verlassen

Wie sozialgenial an der Mathilde Anneke Gesamtschule umgesetzt wird, war anschließend Thema in drei Talkrunden. Wir wollten wir wissen: Was nehmen die Schülerinnen und Schüler aus ihren sozialgenial-Projekten mit? Welche Rolle spielen die außerschulischen Partner in den sozialgenial-Projekten und wie bewerten Arbeitgeber aus der Region außerschulisches Engagement von Schülern?

Mathilde Anneke GesamtschuleIn Jahrgang 7 engagieren sich die über 100 Schülerinnen und Schüler in vielen kleinen Projekten in gemeinnützigen Vereinen und Einrichtungen für ihre Mitmenschen. „Es war so riesig, gab so viele spannende Möglichkeiten“, erzählte eine Schülerin begeistert von den Optionen, außerschulische Erfahrungen zu sammeln. Sie wählte die Bahnhofsmission und empfand die Arbeit dort als äußerst bereichernd: „Ich habe Obdachlosen geholfen, ihnen Essen gegeben, mit ihnen geredet und dafür gesorgt, dass es ihnen trotzdem gut geht, auch wenn sie keine Wohnung haben.“ Schulleiterin Wenninghoff unterstrich: „Es ist eine Aufgabe von Schule, Persönlichkeiten zu entwickeln und zu stärken. Dazu muss man den Schonraum zwischendurch verlassen.“

Caroline Deilmann Stiftung Aktive BürgerschaftCaroline Deilmann (Foto), Programm-Leiterin Service Learning der Aktiven Bürgerschaft, die launig gemeinsam mit Stefan Nährlich durchs Programm führte, fragte noch weitere Schüler nach ihren Erlebnissen mit sozialgenial: Die Jugendlichen engagierten sich beispielsweise im Jugendtreff oder im Sportverein, wo ein Schüler und passionierter Skater den Kindern Tricks wie Kickflips oder Alley-Oops beibrachte. Ein Schüler war ziemlich davon berührt, wie er den Bewohnern eines Seniorenheims durch sein Engagement ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

Michael Kneemeyer Diakonie MünsterMichael Kneemeyer (Foto) ist Respekt Coach bei der Diakonie Münster und einer der zahlreichen außerschulischen Partner. Er führt regelmäßig einen Workshop zum Handlungsfeld „Demokratie und Frieden“ mit den Schülerinnen und Schülern durch und unterstützt sie dabei, Ideen für ihre eigenen sozialgenial-Projekte in dem Bereich zu konkretisieren und umzusetzen. Zuletzt etwa eine Ausstellung in einer Suchtambulanz. Nicht nur die Schüler profitieren von der Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, Kneemeyer sieht auch für seine eigene Organisation Vorteile, Stichwort Nachwuchsgewinnung: Die Diakonie sei breit aufgestellt und es fänden sich immer mal wieder Schüler, die sich auch in einem der anderen Arbeitsfelder engagieren wollten, zum Beispiel in der Bahnhofsmission. Und mit Blick auf seine eigene Ehrenamtsbiografie und die seiner Kollegen verwies Kneemeyer darauf, dass sich jeder von ihnen vor seiner Tätigkeit bei der Diakonie selbst ehrenamtlich engagiert habe. Daher könne die Kooperation mit den Schülern in den sozialgenial-Projekten auch ein Weg sein, dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Taten zählen mehr als Noten

Seit diesem Schuljahr ist sozialgenial an der Mathilde Anneke Gesamtschule auch in Jahrgangsstufe 11 im Stundenplan verankert, und zwar im Fach Religion. Die Elftklässler können damit zum zweiten Mal in ihrer Schullaufbahn Engagementerfahrung mit sozialgenial sammeln. Für Lehrerin Silvia Taubert, die sozialgenial in Jahrgang 11 koordiniert und zugleich Ausbildungsbeauftragte der Schule ist, bedeutet das einen „großen Benefit für die berufliche Orientierung“. Dass sich mit sozialgenial auch bei Bewerbungen punkten lässt, hörten die Elftklässler, die geschlossen im Publikum saßen, dann auch von Judith Greiwe vom IT-Dienstleister Ratiodata: „Für uns zählen Taten und Erfahrungen mehr als Noten.“ Das müsse nicht auf den sozialen Bereich beschränkt sein: Wer sich im Sportverein engagiere und in einer Mannschaft spiele, habe „bereits Teamfähigkeit und Kampfgeist bewiesen, das sehen wir sehr gern“.

Wie selbstverständlich und gleichzeitig innovativ die Verknüpfung von Unterricht mit Engagement an der Mathilde Anneke Gesamtschule bereits ist, beschrieb jüngst so treffend sozialgenial-Koordinatorin Sabine Fuchs: „Neben Mathe, Deutsch, Englisch ist sozialgenial das Lernen der Zukunft.“

Weitere Bilder der Veranstaltung „Fürs Leben lernen mit sozialgenial. Engagierte Kids – aktive Bürger – starke Demokratie!“ sowie zum Jubiläum 25 Jahre Aktive Bürgerschaft finden Sie hier!

uncategorized