Stiftung Aktive Bürgerschaft: Warum uns soziale Innovationen bewegen

„Gutes besser tun! Wir machen innovative Engagementkonzepte praxistauglich und setzen sie mit Partnern bundes- oder landesweit um.“ Das ist das Leitmotiv der Stiftung Aktive Bürgerschaft und in diesem Sinne will sie mit ihrer Arbeit Impulse für die Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft geben. Die Aktive Bürgerschaft realisiert ihren Anspruch mit zwei Programmenbereichen: Sie fördert die Bürgerstiftungen in Deutschland und sie fördert Service Learning an den weiterführenden Schulen in Deutschland. Wie innovativ beide Ansätze sind, erläutert Stefan Nährlich von der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Übrigens: Die Gründung der Aktiven Bürgerschaft als Kompetenzzentrum für Bürgerengagement der Genossenschaftlichen Finanzgruppe war seinerzeit ebenfalls neuartig.

Von Stefan Nährlich

Bürgerstiftungen

Die Bürgerstiftungen sind eine neue Idee für ein altes Stiftungsproblem: die oft enge Zweckbindung einer Stiftung und einen oft nicht mehr zeitgemäß umsetzbaren Stifterwillen. Für den amerikanischen Bankier und Rechtsanwalt Frederick Goff war diese „dead hand of the past“ im Jahr 1914 der Anlass zur Entwicklung und Gründung der weltweit ersten Bürgerstiftung – Community Foundation – in den USA.

Goff legte den Grundstein für die Verbindung von Vereins- und Stiftungselementen mit der neuen Organisationsform, die weltweit in unterschiedlichen Varianten Nachahmer fand. In der Bürgerstiftung sichert eine Vielzahl von Stiftungszwecken die Flexibilität für die Zukunft. Unabhängige, engagierte und kompetente Bürgerinnen und Bürger in den Gremien und Projekten sorgen für eine zeitgemäße und wirkungsvolle Mittelverwendung.

Erst 1996/1997 kam die Idee der Bürgerstiftung nach Deutschland. Akteure wie die Aktive Bürgerschaft haben dazu beigetragen, dass bis heute an mehr als 420 Orten Bürgerstiftungen gegründet wurden – eine erfolgreiche Skalierung.

In Deutschland mit seiner staatsnahen Tradition bürgerschaftlichen Engagements stellen die Bürgerstiftungen noch eine weitere soziale Innovation dar: ohne irgendein Bundesmodellprogramm, sondern aus der Praxis vor Ort heraus, sind privat getragene Strukturen entstanden, die inzwischen mehr als 400.000 Menschen für ihr Engagement genutzt haben. Über eine halbe Milliarde Euro haben die Bürgerstiftungen mittlerweile als Stiftungsvermögen gebildet und verfügen damit über, wie wir es gerne nennen, zivilgesellschaftliches Eigenkapital, das es erlaubt, eine eigenständige Agenda zu verfolgen.

Service Learning

Schulisches Wissen direkt anwenden, dabei Neues lernen, sich als wirkmächtig erfahren und Gutes tun: Im Schulalltag ist das ein schöner Traum – Service Learning ermöglicht, ihn wahr werden zu lassen. Denn es ist eine Lehr- und Lernmethode, die schulischen Unterricht (oder Lehrveranstaltungen an Hochschulen) mit ehrenamtlichem Engagement für das Gemeinwohl verbindet – gerade auch in Projekten bei oder mit Vereinen, sozialen Einrichtungen und anderen außerschulischen Partnern.

Das fördert einerseits die bessere Vermittlung von Lehrinhalten und die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen. Anderseits sehen wir darin die Lösung für die in Deutschland schwieriger werdende Gewinnung ehrenamtlich Engagierter: deren Anzahl steigt nicht und es gibt bei ihnen einen deutlichen Mittelschichts-Bias, wie die Freiwilligensurveys zeigen. Maßnahmen der gemeinnützigen Organisationen und staatliche Kampagnen erreichen oft nur diejenigen Menschen, die bereits über den Familien- und Freundeskreis Berührungen mit bürgerschaftlichem Engagement haben.

In Schulen dagegen erreichen Service-Learning-Projekte junge Menschen herkunftsunabhängig und frühzeitig. Auch das ist wichtig, bevor sich andere Präferenzen bilden, womit sie sich im späteren Leben beschäftigen.

Service-Learning-Projekte lassen Engagement für eine Vielzahl von gesellschaftlichen Themen zu und sind mit nahezu allen Fächern und Lehrplänen verknüpfbar. Bisher haben sich in dem Service-Learning-Programm sozialgenial unserer Stiftung über 160.000 Schülerinnen und Schüler engagiert. Von anfangs einigen wenigen Schulen in Münster ist uns die Skalierung auf über 1000 Schulen in vier Bundesländern gelungen. Ab diesem Schuljahr 2024/25 bieten wir sozialgenial den weiterführenden Schulen bundesweit an, wobei uns neben der DZ BANK und regionalen Genossenschaftsbanken auch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt finanziell unterstützt.

Die Aktive Bürgerschaft

Im Jahr 1997 wurde mit der Gründung der Aktiven Bürgerschaft selbst Neuland in Deutschland betreten: Es entstand eine gemeinnützige Organisation, die bundesweit bürgerschaftliches Engagement fördert und von einer Bankengruppe getragen wird. Dies korrespondierte mit der Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements hin zu einer Gesellschaft mitgestaltender aktiver Bürgerinnen und Bürger. Den Initiatoren der Aktiven Bürgerschaft ging es dabei auch darum, gemeinnützige Organisationen zu unterstützen, die dem Engagement Nachhaltigkeit verleihen, und um Strukturen, die individuelles Engagement fördern und stärken.

Indem Volksbanken und Raiffeisenbanken sich als Stifter und Partner der Aktiven Bürgerschaft engagieren, knüpfen sie auch an ihr eigenes Selbstverständnis als soziale Innovatoren an: Genossenschaftsbanken trugen während der industriellen Revolution durch Kooperation und Hilfe zur Selbsthilfe maßgeblich dazu bei, die wirtschaftlichen Not der Menschen zu lindern und Wohlstand für breite Bevölkerungsschichte zu ermöglichen.

Dr. Stefan Nährlich ist Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Foto: Werner Kissel/Stiftung Aktive Bürgerschaft

Dieser Beitrag ist Teil des FOKUS SOZIALE INNOVATION GESTERN, HEUTE, MORGEN der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte Oktober 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

, Ausgabe 260 Oktober 2024, Fokus