„Wer von Gemeinsinn redet, laboriert an einem nachgerade naiven Verständnis von Gesellschaft“, schrieb der Soziologieprofessor Armin Nassehi in einem Gastbeitrag im FUTURZWEI Magazin der tageszeitung (taz). Die Gesellschaft sei so heterogen, dass man sie eben nicht zusammenbringen könne. Nassehi stellt den Gemeinsinn in eine Kategorie mit „Nation“ und „Verfassungspatriotismus“, die er gleich mitverwirft. Gemeinsinn funktioniere nur unter ähnlich Gesinnten. Er setzt lieber auf Verfahren, mit denen sich unterschiedliche Interessen aushandeln lassen: „Interessant wird es doch erst dort, wo man nach zivilisierten Formen der Handlungskoordination und des Interessenausgleichs mit denen sucht, mit denen man nicht durch einen imaginierten Gemeinsinn, sondern eher im Modus des Aushaltens, der Toleranz dem eigentlich Nicht-Akzeptablen gegenüber (anderes muss man ja nicht tolerieren) und einer gepflegten sozialen Distanz und Indifferenz verbunden ist.“ Der Beitrag erschien am 31. Dezember 2024 unter dem Titel „Ein Etikettenschwindel“.
taz: Gemeinsinn, ein Etikettenschwindel?
, Ausgabe 262 Januar 2025