Eine Voraussetzung für Hilfsbereitschaft ist Empathie, doch verlassen kann man sich nicht auf sie. Manchmal verzerre sie die Wahrnehmung, schrieb Franca Parianen am 6. Mai 2024 unter dem Titel „Soziale Fähigkeiten: Ein Mammut fängt man nicht allein“ in der tageszeitung (taz): Empathie „lässt uns akutes Leid stärker spüren als abstrakte Konsequenzen (…); das Sterben schnuffeliger Eisbären mehr als das Schwinden der Insekten“. Mitgefühl sei zudem ein wankelmütiges Gefühl. „Studien zeigen, wie es mit uns nahen Menschen steigt und steil abfällt gegenüber verfeindeten Gruppen, die wir stigmatisieren.“ Und: „Es ist auch eine Frage von Macht und Ohnmacht. Denn wo das Leid zu groß und komplex ist, als dass wir helfen können, sorgt unser Mitgefühl nicht für eine bessere Welt, sondern für Burn-out.“ Wegen dieser und weiterer in Studien erforschter Probleme empfiehlt Parianen, sich lieber auf die Fähigkeit des Menschen zur Kooperation zu verlassen. Das sei das solidere Fundament: „Wir sind sozial, lange bevor wir großzügig sind“, entnimmt sie ihrer Wissenschaftsrecherche.
taz: Kooperation ist besser als Empathie
, Ausgabe 255 Mai 2024