Was kann die Engagementpolitik gut, was den Engagierten nützt?

Was kannst du gut, was anderen nützt: Das fragen Schülerinnen und Schüler im Programm sozialgenial der Stiftung Aktive Bürgerschaft, wenn sie in der Schule ihre Engagementprojekte entwickeln. Die Frage sollte man auch andernorts stellen, nämlich in der Engagementpolitik, findet Stefan Nährlich, Geschäftsführer der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Von Stefan Nährlich

In der Stiftung Aktive Bürgerschaft setzen wir uns dafür ein, die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu verbessern, insbesondere für Service Learning an Schulen und Bürgerstiftungen, die wir in unseren Programmbereichen explizit unterstützen. Wir sprechen mit Abgeordneten und Mitarbeitenden in Ministerien, erheben Zahlen und Fakten, beteiligen uns an Anhörungen und Diskussionen. Die zentrale Frage ist immer: Was würde unseren Partnern vor Ort helfen?

Was Schulen helfen würde

Unter dem Motto „Was kannst du gut, was anderen nützt?“ entwickeln Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern in unserem Service-Learning-Programm sozialgenial konkrete Engagementprojekte und verbinden sie mit dem Schulunterricht. Die Lehr- und Lernmethode Service Learning dient einerseits der Bildungsförderung und ist andererseits ein Instrument für Engagement- und Demokratieförderung.
Die Stiftung Aktive Bürgerschaft hat ihre Unterstützung für Lehrkräfte so entwickelt, dass sozialgenial leicht skaliert und in allen weiterführenden Schulen eingesetzt werden kann. In der aktuellen Legislaturperiode haben wir mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt und den Genossenschaftsbanken sozialgenial in zwei neue Bundesländer gebracht und in zwei Jahren bisher über 70 neue sozialgenial-Mitgliedsschulen gewonnen.

Wir beobachten: Wenn Schulen sich in unseren Webinaren informiert, aber noch keine sozialgenial-Projekte entwickelt und umgesetzt haben, ist dies in den meisten Fällen daran gescheitert, dass zu wenig Lehrkräfte und zu wenig freie Unterrichtsstunden zur Verfügung standen. Wir schlussfolgern: Eine bessere personelle Ausstattung der Schulen und mehr zeitliche Ressourcen wären hier die beste staatliche Engagementförderung mit der gleichzeitig größten und nachhaltigen Wirkung.

Was Bürgerstiftungen helfen würde

Im Programmbereich Bürgerstiftungen ist es unser Hauptziel, die Bürgerstiftungen beim weiteren Kapitalaufbau und Wachstum zu unterstützen, das ist eines der wesentlichen Merkmale dieser Stiftungsform und wichtig, um sich unabhängig und eigenständig zu engagieren. Damit die Bürgerstiftungen optimal wirken können, sind in den Satzungen möglichst breite Stiftungszwecke nötig, um die verschiedenen Vorhaben ihrer Stifterinnen und Stifter umsetzen zu können.

Seit einigen Jahren verhalten sich jedoch viele Stiftungsaufsichtsbehörden bei Satzungsgenehmigungen oder Änderungsanträgen restriktiv und wollen weitere Zwecke nur genehmigen, wenn zuvor das Stiftungskapital erhöht wird. Die Diskussionen verlaufen wie die Geschichte vom Huhn und dem Ei: Die Bürgerstiftungen sagen, sie wollten zuerst die Zwecke, dann komme das Geld. Die Stiftungsaufsicht will es andersherum. Seit Jahren argumentieren wir in Gesprächen und Anhörungen für eine stiftungsfreundliche Anwendung der Gesetze, stoßen aber oft auf dogmatische Ablehnung.

Was die Engagementpolitik tut

Womöglich spielen solche Diskussionen im Stiftungsbereich aber bald keine Rolle mehr. Denn nun hat die Bundesregierung ihr zweites Jahressteuergesetz vorgelegt, umbenannt in Steuerfortentwicklungsgesetz, in dem die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung entfällt. Vermögen ließe sich dann in jeder gemeinnützigen Rechtsform bilden. Auch in denen, die keiner Stiftungsaufsicht unterliegen. Keine Stiftungsaufsicht hieße in dem Fall auch, keine Genehmigungspflicht, was die Vielfalt der Zwecke angeht.

Begründet wird das Vorhaben mit Bürokratieabbau. Die Bedenken, dass künftig einige auf die Idee kommen könnten, lediglich steuerbegünstigt Geld zu sammeln, aber nicht mehr für die Förderung der Allgemeinheit auszugeben, werden lapidar abgetan: „Es ist davon auszugehen, dass es im eigenen Interesse der jeweiligen steuerbegünstigten Körperschaften liegt, ihre Mittel weiterhin regelmäßig zeitnah für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden“, hieß es in dem vorausgehenden Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums.

Auch wenn der Satz in diesem Fall vielleicht unpassend erscheint, so ist er als Leitlinie grundsätzlich richtig. Ich wünsche mir für unsere Partner jedenfalls eine Engagementpolitik, die in erster Linie zivilgesellschaftliches Handeln ermöglicht, anstatt es kleinteilig zu regulieren, und die zuerst auf die Eigenverantwortung der handelnden Männer und Frauen in den Vorständen und Aufsichtsorganen gemeinnütziger Organisationen setzt.

Dr. Stefan Nährlich ist Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Der Beitrag ist Teil des Fokus Engagementpolitik: Was geht noch? der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Engagementpolitik: Was geht noch?

Ausgabe 257 Juli 2024, Fokus