„Zeit nicht verschwenden“

Ehrenamtliche arbeiten effizienter, wenn sie ihre Zeit an der richtigen Stelle investieren und sich frühzeitig mit den Prozessen und der Arbeitsorganisation beschäftigen, sagt Christiane Biedermann, Expertin für Freiwilligenmanagement und Teamwork, im Interview mit bürgerAktiv. In den Fokus gehört, was mit welchem Aufwand zu schaffen ist. Mit klaren Abgrenzungen lassen sich auch Freiwillige leichter gewinnen.

Christiane, welche Rolle spielt in deiner Beobachtung der Faktor Zeit für die Entscheidung, sich ehrenamtlich zu engagieren?

„Ehrenamt? Da habe ich keine Zeit für.“ Das hören Organisationen durchaus, die ehrenamtlich Engagierte suchen. Besonders, wenn sie Ehrenamtliche für Vorstands- und Leitungsaufgaben gewinnen möchten. Trotzdem gibt es Engagierte, die sehr viel Zeit und über eine lange Strecke hinweg aufwenden. Noch weitaus mehr Menschen bringen sich flexibel und mit überschaubarem Zeitaufwand ein. Laut ZiviZ-Survey 2023 fällt es mehr als der Hälfte der befragten Organisationen leicht, Engagierte anlassbezogen für kurzfristige Engagements zu gewinnen.

Wie kann man solchen zeitlichen Bedürfnissen entsprechen und trotzdem Engagierte auch für Leitungsfunktionen gewinnen?

Für mich steht ganz vorne: Wir dürfen die Zeit von ehrenamtlich Engagierten nicht verschwenden. Wenn die Suche nach Nachfolgerinnen und Nachfolgern im Vorstand ansteht, höre ich oft: „Hauptsache, wir finden dafür überhaupt noch jemand!“ Eine Option ist, Zuständigkeiten und Aufgaben in mehrere Hände zu geben, statt eine oder wenige Personen mit sehr viel Verantwortung und Arbeit zu belasten. Menschen sind eher bereit zu einem Engagement, wenn sie genau wissen, wofür sie Verantwortung übernehmen, und ihre Zeit in einem Bereich einsetzen, der ihnen liegt, wo sie Routine haben. Auch wird eine Vorstandstätigkeit eher angenommen, wenn man sich auf die Zuständigkeit und Aufgabe konzentrieren kann, Amtszeiten und die Wiederwahl von vornherein begrenzt werden. Zeit wird dann verschwendet, wenn sich neue Vorstände das erforderliche Wissen selbst aneignen müssen. Hospitationen, Onboarding und eine gute Vorbereitung auf ein solches Ehrenamt bieten sich an. Ein Beispiel gibt die Stiftung Aktive Bürgerschaft mit ihrem Seminar „Guter Start für neue Vorstände“ für Bürgerstiftungen.

Und bei Menschen, die einfach mitmachen oder sich in Projekten engagieren wollen?

Auch hier gilt, möglichst keine Zeit zu verschwenden. Manche Organisationen handeln nach einer Art Zufallsprinzip: „Bei uns gibt es immer viel zu tun. Wir finden dann schon eine Aufgabe.“ Besser ist, genau herauszufinden, mit welchen Aufgaben und welchem Knowhow eine Organisation ihre Wirkung entfalten kann, wer zuständig ist und wo jemand fehlt. Damit kommt man zu konkreten Engagementmöglichkeiten, um dann gemeinsam das Engagement zu finden, das zu ehrenamtlich Engagierten am besten passt. Ich plädiere häufig für Tandems oder Teamarbeit, um Überlastung zu vorzubeugen.

Wie gelingt es denn, sich den Überblick über den Zeitaufwand zu verschaffen?

Indem man zunächst zusätzliche Zeit investiert. In der ehrenamtlichen Vorstandsarbeit beispielsweise, indem Vorstände einmal im Jahr in einer Klausur oder einem Workshop sich dazu gemeinsam beraten. Frühzeitig Aufgaben und Kapazitäten zu klären, spart später viel Zeit. Das ist wichtig, denn Zeitmangel, Überlastung und überbordende Aufgaben zählen zu den häufigsten Gründen, weshalb Engagierte ihren Einsatz beenden.

Wie kann man Arbeit reduzieren?

Viel Zeit spart digitales Arbeiten: Informationen für Engagierte per Mailing oder Messengerdienst, digitales Kontakt- und Adressmanagement, synchrones Arbeiten an Dokumenten, Online-Schulungen oder der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel, um schneller einen Bericht zu schreiben – die Liste ist lang.

Vorstandssitzungen können vor Ort, online oder hybrid stattfinden. Auch hier begegnen mir Vorstände, die sich gut organisieren. Sie sitzen nicht den ganzen Abend zusammen, sondern verabreden vorab die Dauer ihrer Sitzung und wie viel Zeit sie einzelnen Themen auf ihrer Agenda geben wollen. Die Effizienz steht und fällt mit einer Moderation, die Diskussionen zu Entscheidungen führt. Das ist auch wichtig: Beschlüsse fassen und diese nicht unnötig vertagen. Sonst fängt man immer wieder von vorne an. Übrigens: Wenn die Beteiligten abwechselnd moderieren, bekommen alle ein Gefühl dafür, worauf es ankommt.

Was sind die Hauptzeitfresser im ehrenamtlichen Engagement?

Das sind administrative Aufgaben, besonders von Vorständen. Ehrenamtliche sagen: „Die Bürokratie!“. Sie zu reduzieren, ist sicher eine Aufgabe von Politik. Eine große Hilfe sind Informationen über gesetzliche Neuerungen, die für Engagierte verständlich in How-To-dos aufbereitet sind. Unter anderen arbeiten die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) und die Stiftung Aktive Bürgerschaft solche Neuerungen auf. Damit können ehrenamtlich Engagierte so manchen mühsamen Prozess zeitsparend abkürzen.

Interview: Gudrun Sonnenberg
Foto: Lisa Merck / Kopf & Kragen

Christiane Biedermann ist Spezialistin für Freiwilligenmanagement und arbeitet als selbstständige Trainerin und Teamgestalterin für gemeinnützige Organisationen. Bis 2022 war sie in verschiedenen Funktionen bei der Stiftung Aktive Bürgerschaft tätig, zuletzt als stellvertretende Geschäftsführerin.

Dieses Interview ist Teil des Fokus Ehrenamt trotz knapper Zeit der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte Januar 2025 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

, Ausgabe 262 Januar 2025, Fokus