Vollausschuss Bürgerengagement? Warum? Und was dann?

Engagement in Deutschland braucht bessere Rahmenbedingungen. Die Aufwertung des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement zu einem „richtigen“ Ausschuss kann helfen – vorausgesetzt, es gelingt, endlich vom „Klein-klein“ wegzukommen, meint Stefan Nährlich von der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Von Stefan Nährlich (Stiftung Aktive Bürgerschaft)

Seit 2003, nach dem Bericht der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, gibt es einen Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ im Deutschen Bundestag. Er darf laut seinem Einsetzungsbeschluss den Dialog mit zivilgesellschaftlichen Akteuren pflegen, an der Engagementpolitik des Bundes mitwirken, sich mit Gesetzesvorhaben befassen und Entwicklungen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements verfolgen.

Was darf er nicht? Richtig. Zum Beispiel Gesetzentwürfe beraten und dem Bundestagsplenum Beschlussempfehlungen geben. Zum Beispiel Ministerien auffordern, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Zum Beispiel sich initiativ mit Fragen befassen, die ihm wichtig sind. Zum Beispiel sich mit Vorgängen beschäftigen, die außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Familienausschusses liegen, dem er untergeordnet ist. Das alles ist nämlich nur richtigen Ausschüssen vorbehalten.

Und das stinkt jetzt auch den Mitgliedern im Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ unter dem Vorsitz von Alexander Hoffmann (CDU) und daher schreiben sie klar und deutlich: Das Gremium muss aufgrund seiner immensen und ressortübergreifenden Bedeutung endlich zu einem ordentlichen, vollwertigen Ausschuss aufgewertet werden, um endlich mehr konkret bewegen zu können. Auch in der letzten Legislaturperiode unter dem Vorsitz von Willi Brase (SPD) schien den Mitgliedern ein „Unterausschuss mit rein beratender Funktion nicht ausreichend.“

Mal sehen, ob die deutlichere Botschaft vom nächsten Bundestag gehört wird. Falls ja, was dann? Dann könnte sich der Ausschuss Bürgerschaftliches Engagement zunächst einmal darauf stützen, dass es keine Krise des bürgerschaftlichen Engagements gibt. Insgesamt ist die Zahl der bürgerschaftlich Engagierten in Deutschland hoch, es wird ungebrochen gestiftet und gespendet. Von Ego-Gesellschaft oder Ich-Michel kann keine Rede sein.

Sein volles Potential kann das Engagement der vielen Menschen in unserem Land aber nicht entfalten, denn die Rahmenbedingungen und die Engagementpolitik sind nicht mehr zeitgemäß und schon gar nicht zukunftsfähig.

Ein Ausschuss Bürgerschaftliches Engagement kann hier konkret etwas Großes bewegen: Weg vom klein, klein der Erhöhung von Pauschalen und Freigrenzen, hin zu einem großen Modernisierungs- und Zukunftsprogramm Zivilgesellschaft: weniger Belastungen durch Bürokratie, eine faire Berücksichtigung der Vereine und Stiftungen bei Digitalisierungshilfen, mehr freiverfügbare Mittel für Gemeinnützige, eine nachhaltige Nachwuchssicherung, mehr Transparenz und vor allem: eine große Reform der Abgabenordnung auf Basis eines zeitgemäßen Verständnisses von Bürgerengagement und Zivilgesellschaft und seines Verhältnisses zum Staat.

Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 223 – Juni 2021 vom 30.06.2021

Ausgabe 223 Juni 2021, Kommentare und Analysen