In der Antike können sich Kaufleute “ehrbar” nennen, wenn sie ihr Gewinnstreben mit Tugendhaftigkeit zu vereinbaren vermögen. Im Mittelalter war dafür die Einhaltung religiöser Regeln maßgeblich. In der Moderne geht es um Werte wie Solidität und Vertragstreue in der Unternehmensführung, aber auch um das vor allem regionale Engagement in der Gesellschaft, in der das Unternehmen agiert. Eine Zusammenfassung dieser historischen Entwicklung des Leitbilds “ehrbarer Kaufmann” hat Prof. Dr. Joachim Schwalbach von der Humboldt Universität zu Berlin in der Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik (zfwu 17/2, 2016) veröffentlicht (Titel: “Ehrbare Kaufleute als Leitbild verantwortungsvoller Unternehmensführung – Geschichte und Perspektiven”). “Moderne Ehrbare Kaufleute haben ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein auf der Unternehmens- wie auf der Gesellschaftsebene”, schreibt Schwalbach und meint, das Leitbild ehrbarer Kaufleute sei “zu Unrecht über lange Zeit in Vergessen geraten.”
Völlig anderer Meinung ist Prof. Dr. Thomas Beschorner von der Universität St. Gallen, dessen Korreferat zu Schwalbachs Beitrag die Kritik schon im Titel führt: “Wertlos. – Anmerkungen zum ‘ehrbaren Kaufmann'”. Das Konzept des ehrbaren Kaufmanns sei normativ gehaltlos und theoretisch “unterkomplex”, schreibt er, die Arbeiten Schwalbachs daran ließen empirische und kulturhistorische Forschung vermissen.
zfwu: Debatte um “ehrbare Kaufleute”
, Ausgabe 171 September 2016