Prof. Dr. Winfried Kluth

Die Nichtangewiesenheit auf den Staat ist die größte Freiheit für Engagierte

Bund und Länder haben in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement verbessert. Einerseits ist das erfreulich. Anderseits kann durch zu viel Förderung auch eine Abhängigkeit der Zivilgesellschaft vom Staat und dessen finanziellen Zuwendungen entstehen

von Winfried Kluth

Das Wissen über die weitreichende Bedeutung ehrenamtlichen Engagements für eine funktionierende demokratische Gesellschaft ist uns in den letzten Jahren immer wieder vor Augen geführt worden. Unter anderem wären die hohen Lasten im Zusammenhang mit dem großen Zustrom von Flüchtlingen nach 2015 ohne ein breites ehrenamtliches Engagement kaum zu bewältigen gewesen. Aber auch wichtige Bereich der Infrastruktur wie die freiwillige Feuerwehr, kleinere kulturelle Einrichtungen und soziale Dienste sind auf das Ehrenamt angewiesen.

Bund und Länder haben nicht zuletzt vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement verbessert. Dazu gehören neben einer Reform des Genossenschaftsrechts auch neue Förderkonzepte (zum Beispiel Mikrokredite für die Gründungsphase und Projekte) und zuletzt die Errichtung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. An dieser werden aber die Probleme deutlich, die mit der staatlichen Förderung verbunden sind. Denn sobald Steuergelder in größerem Umfang fließen beziehungsweise Dienstleistungen bereitgestellt werden, steigen auch die Bürokratielasten, weil die Verwendung transparent dokumentiert werden muss.

Risiko der Fehlförderung

Vor allem aber stellt sich die Frage, ob und wie der Staat die „Grundeinstellung“ der Antragsteller prüfen kann und muss. Denn unter vordergründig gemeinwohldienlichen Themenfeldern wie Regionalgeschichte, Flüchtlingshilfe und Kulturförderung können im Einzelfall durchaus rassistische und nationalistische Zielsetzungen stecken, die das Gegenteil von Toleranz und gesellschaftlicher Verständigung bewirken. Klug präsentiert und medial modern verpackt fällt es schwer, entsprechende Initiativen rechtssicher von staatlichen Fördermaßnahmen auszuschließen.

Die damit in groben Umrissen skizzierte Problematik hat rechtliche ihren Ursprung in der staatlichen Neutralitätspflicht, die eine formale Gleichbehandlung so lange gebietet, wie eine Partei oder Organisation nicht verboten wurde oder sich durch manifeste Gesetzesverstöße aus dem Kreis förderungsfähiger Organisationen ausgeschlossen hat.

Wie aber kann vor dem Hintergrund eines solchen Fehlförderungsrisikos eine sinnvolle Unterstützung ehrenamtlichen Engagements erfolgen? Neben der Minderung von steuerlichen und bürokratischen Lasten könnten vor allem die Kommunen dazu übergehen, zusätzliche Räume der Kooperation für engagierte Bürgerinnen und Bürger zu öffnen, etwa indem diese genossenschaftlich organisiert werden. In diesen Fällen wäre die klare Zweckbestimmung durch den Gründungsakt vorgegeben und damit auch sichergestellt, dass die Projekte an den verfassungsrechtlichen Grundwerten unseres Gemeinwesens ausgerichtet sind und bleiben.

Mehr Transparenz schaffen

Darüber hinaus stellen die breit aufgestellten Bürgerstiftungen nach den bisherigen Erfahrungen ein Modell für ein transparentes und an den Werten der demokratischen Gesellschaft ausgerichtetes bürgerschaftliches Engagement dar. In diesem Bereich könnte – wie es der Deutsche Juristentag in Leipzig 2018 vorgeschlagen hat – durch die Schaffung von mehr Transparenz, etwa durch ein Stiftungsregister, das Vertrauen in die Akteure verbessert werden.

Letztlich gilt jedoch, dass bürgerschaftliches Engagement durch seine auch finanzielle Verankerung in der Bürgerschaft geprägt bleiben sollte. Zu viel staatliche Förderung, die auch immer eine Art der Einmischung mit sich bringt, ist letztlich schädlich und denaturiert den Kern und das Selbstverständnis der Akteure, die sich gerade nicht als Staatsdiener verstehen und gesehen werden wollen. Gerade dann, wenn man sich an die staatliche Förderung gewöhnt hat, wird die Freiheit der Organisationen schneller gefährdet, wenn es darum geht den Status quo zu erhalten und zu diesem Zweck Kompromisse einzugehen. Die Freiheit der Nichtangewiesenheit auf den Staat und seine Steuern ist insoweit nach wie vor die größte Freiheit.

Prof. Dr. Winfried Kluth ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Direktor der
Interdisziplinären Wissenschaftlichen Einrichtung Genossenschafts- und Kooperationsforschung – IWE GK an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er war von 2000 bis 2014 Richter am Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt.

Kommentar von Prof. Dr. Winfried Kluth für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 208 – Februar 2020 vom 27.02.2020

 

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