von Gisela Jakob
Um Zugänge zum freiwilligen Engagement zu eröffnen und bürgerschaftliche Aktivitäten im lokalen Umfeld zu fördern hat sich in Deutschland eine flächendeckende Infrastruktur von Einrichtungen und Organisationen herausgebildet. Diese Entwicklung hat sich auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Freiwilligenagenturen, Bürgerstiftungen, Mehrgenerationenhäuser, Seniorenbüros, Familienzentren, Stadtteilbüros, soziokulturelle Zentren und weitere Einrichtungen stehen – neben den bestehenden Vereinen und gemeinnützigen Organisationen – für eine ausdifferenzierte Engagementinfrastruktur in den Kommunen. Die Einrichtungen unterscheiden sich in ihren konkreten Aufgaben und Zielgruppen, haben jedoch allesamt den Auftrag, das bürgerschaftliche Engagement vor Ort zu ermöglichen.
Viele dieser Engagement fördernden Einrichtungen und Netzwerke sind allerdings durch eine chronische Unterfinanzierung und Unterausstattung mit personellen Ressourcen gekennzeichnet. Ein großer Teil arbeitet mit einem Jahresbudget von unter 50.000 Euro, viele haben keine grundständige Finanzierung und befinden sich in einem insgesamt prekären Status. Forderungen und Vorschläge der fachpolitischen Öffentlichkeit für eine verbesserte Finanzierung der lokalen Engagementinfrastrukturen haben bislang kaum Früchte getragen. Immerhin, im vergangenen Jahr gab es doch ein Signal, dass die Einrichtungen unterstützt werden sollen, und zwar auf Bundesebene. Gemeint ist das Programm „Engagierte Stadt“, ein Kooperationsprojekt zwischen Bundesfamilienministerium und einigen Stiftungen. Ob es einen grundlegenden Wandel herbeiführen wird, bleibt angesichts der Ausrichtung auf mittelgroße Städte und beschränkter finanzieller Mittel allerdings offen.
Konkurrenz verstärkt sich
Zugleich zeichnen sich neue Anforderungen ab, die möglicherweise die Landschaft der lokalen Engagementförderung stark verändern werden. In manchen Kommunen lässt sich eine Konkurrenz der verschiedenen Einrichtungstypen beobachten, die sich durch geplante Maßnahmen wie eine längerfristige Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser durch das Bundesfamilienministerium verstärken wird. In immer mehr Verbänden, Landeskirchen und Einrichtungen sind in den letzten Jahren eigene Strukturen aufgebaut worden, um engagierte Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen, zu qualifizieren und zu integrieren. Damit könnte etwa für Freiwilligenagenturen die Beratung und Qualifizierung von gemeinnützigen Organisationen als Aufgabe an Bedeutung verlieren. Hinzu kommen die schwierige Haushaltslage vieler Kommunen und die Auswirkungen sogenannter Schuldenbremsen in den Bundesländern.
Was bedeuten diese veränderten Bedingungen für die Einrichtungen und Infrastrukturen lokaler Engagementförderung? Wo wird es einen weiteren Ausbau Engagement fördernder Strukturen geben und wo werden möglicherweise Einrichtungen schließen müssen? Oder wird es neue Kooperationen oder gar die Verschmelzung von Einrichtungstypen geben? Denkbar ist, dass dann beispielsweise das lokale Mehrgenerationenhaus auch als Freiwilligenagentur fungiert und die Bürgerstiftung unter seinem Dach beherbergt – allerdings mit ungewissen Folgen für die Profilbildung und die Professionalisierung der Arbeit, die bereits heute unscharf und entwicklungsbedürftig sind.
Eines ist in jedem Fall klar: Angesichts des gesellschaftlichen Handlungsbedarfs stehen alle Träger und Zusammenschlüsse lokaler Engagementförderung auch zu Beginn des Jahres 2015 vor der Herausforderung, neues bürgerschaftliches Engagement zum Beispiel im Bildungsbereich oder in der Flüchtlingsarbeit zu generieren und sich damit zugleich als eigenständige und kompetente Einrichtung zu profilieren.
Jahresausblick von Prof. Dr. Gisela Jakob für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Sonderausgabe – Januar 2015 vom 13.01.2015