Kommentar: Das Beste kommt noch

von Stefan Nährlich

Das Jahr 2013 war ein Jahr der engagementpolitischen Pause. Die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP erledigte ihre letzten Aufgaben gleich zu Jahresbeginn mit dem Ehrenamtsstärkungsgesetz. Es brachte Vereinen, Stiftungen und anderen gemeinnützigen Organisationen notwendige Flexibilisierungen bei der Rücklagenbildung und der zeitnahen Mittelverwendung. Kleine, aber richtige Schritte in die richtige Richtung. Das Gesetz enthielt außerdem die in Wahljahren offenbar unvermeidliche Erhöhung der Übungsleiterpauschale. Damit soll stets dem Ehrenamt geholfen werden, aber die negativen Effekte treten immer deutlicher zutage. Längst warnen Fachleute vor einer Monetarisierung des bürgerschaftlichen Engagements, das qua Definition eben nicht nur freiwillig, sondern auch unentgeltlich ausgeübt wird.

Im Bundestag zogen die Engagementpolitiker im Frühjahr ein Fazit ihrer Arbeit im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement. Es fiel, wenig überraschend, positiv aus. Künftig können sich die Parlamentarier auch vorstellen, das Thema Bürgerengagement in einem regulären Ausschuss des Deutschen Bundestages weiter zu bearbeiten. Denn: Die politische Relevanz sei gewiss nicht geringer als die von Sport oder Tourismus, so der Vorsitzende des Unterausschusses. Das Bundesfamilienministerium berief unterdessen die Mitglieder der Sachverständigenkommission für den zweiten Engagementbericht. Sie sollen sich bis Juli 2015 mit dem Schwerpunkt demografischer Wandel und bürgerschaftliches Engagement beschäftigen.

Eigene Präferenzen

Im Sommer kam langsam der Wahlkampf in Gang. BürgerAktiv berichtete in Serie von Juni bis August, welche Themen die Parteien im Falle ihrer Wahl in den Bundestag engagementpolitisch bewegen wollen. Das reichte von der Förderung von Sport und Jugend, über die Stärkung der Freiwilligendienste bis zum Ausbau der Anerkennungskultur. Einige zivilgesellschaftliche Organisationen entwickelten demgegenüber eigene Präferenzen und teilten diese auch mit. Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement zum Beispiel gab „Engagementpolitische Empfehlungen“ ab, der Bundesverband Deutscher Stiftungen machte Vorschläge zur Verbesserung des Stiftungs- und Stiftungssteuerrechts. Die Aktive Bürgerschaft forderte „Bitte nicht fördern“ und erwies sich damit als ungewollt prophetisch: Nicht fördern, eigentlich gegen die Vereinnahmung der Bürgergesellschaft durch den Staat gerichtet, findet sich nun in Form von Tatenlosigkeit im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode wieder.

Dieser trägt den schönen Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“, liegt seit Ende November vor und fand nun auch die Zustimmung der SPD-Mitglieder. Rund 500 Wörter sind dem Thema „Bürgerschaftliches Engagement und Freiwilligendienste“ gewidmet. Neben bekannten Floskeln („Die Zivilgesellschaft und das Engagement … halten unser Gemeinwesen zusammen und machen es erst lebendig“), gibt es hintersinnige Formulierungen („Soziale Innovationen auch von Sozialunternehmen sind unterstützungswert“) und auch eigenwillige Interpretationen des Begriffs Bürgerengagement („Freiwilligendienste sind eine besondere Form des Bürgerschaftlichen Engagements …“).

Papier ist geduldig

Schöne Nebelkerzen, doch gänzlich fehlt im Arbeitsprogramm der neuen Regierung eine zeitgemäße Vorstellung, wie Staat und Politik das bürgerschaftliche Engagement in seiner Eigenständigkeit achten und stärken können. Zum Glück ist Papier geduldig, wie der Volksmund weiß, und das gilt auch andersherum. Auch was nicht im Koalitionsvertrag steht, darf gemacht werden. Was zu tun ist, darüber sollen und müssen sich nun die Politik im Dialog mit Bürgergesellschaft, Staat und Wirtschaft verständigen. Hier schon mal ein Vorschlag für ein Leitbild für die künftige Engagementpolitik der Bundesregierung:

Gemeinnützige Organisationen sind elementare Akteure der Gesellschaft: Sie aktivieren, binden und stärken bürgerschaftliches Engagement. Dabei sind sie ein wichtiger Partner für Staat und Wirtschaft bei der Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben. Aber nur starke und vitale Vereine und Stiftungen können ein verlässlicher Partner sein.

Speichern wir ihn ab, den Koalitionsvertrag, beschließen das vergangene Jahr und blicken nach vorn: Ab Januar 2014 kann es losgehen. Das Beste wird noch kommen!

Jahresrückblick von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 140 – November-Dezember 2013 vom 17.12.2013

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