Kommentar: Gut gemeint, doch keine Lösung

von Rudolf Speth

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat im November 2015 in einem Urteil die Haftung von ehrenamtlichen Vorständen in Vereinen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf vorsätzliches Handeln beschränkt. Wer aus grober Fahrlässigkeit einen Schaden verursacht, der muss nun nicht mehr haften. Dies ist auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Denn vielfach wird darüber geklagt, dass es immer schwieriger wird, Ehrenamtliche für Vorstands- und Aufsichtsämter zu gewinnen. Viel zu groß und unüberschaubar seien die mit einem solchen Amt verbundenen Risiken. Die Bundesregierung hat deshalb schon mit mehreren Gesetzen – 2009 und 2013 – die Haftung für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände und andere ehrenamtlich tätige Mitglieder von Vereinsorganen begrenzt. Damit sollten das Ehrenamt gestärkt und mehr Menschen dafür gewonnen werden, Vorstands- und Leitungsämter zu übernehmen.

Diese an sich erfreuliche Beschränkung der Haftung trägt jedoch nur dann dazu bei, mehr Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen, wenn zwei weitere Dinge beachtet werden.

Zum einen ist fraglich, ob damit die verantwortliche Führung eines Vorstandsamtes gestärkt worden ist. Gerade in einer Zeit, in der es auf eine gute Leitung von ehrenamtlichen Organisationen ankommt, kann der Ausschluss von grober Fahrlässigkeit das Gegenteil bewirken. Denn grobe Fahrlässigkeit heißt ja, ich hätte es eigentlich wissen müssen. Wünschenswert wäre daher ein flankierendes Gesetz, mit dem die gute Führung ehrenamtlicher Organisationen gestärkt wird. Ein solches Gesetz könnte Regeln für eine verpflichtende Weiterbildung und eine Verbesserung der Transparenz enthalten.

Zum zweiten sind die nicht überschaubaren Haftungsrisiken offensichtlich nicht das größte Hindernis für die Übernahme von ehrenamtlichen Leitungspositionen, sondern das ist an erster Stelle die fehlende Zeit. Dies hat eine Reihe von Untersuchungen erbracht, in denen Ehrenamtliche, und gerade auch solche in Leitungspositionen, befragt worden sind. Mehr als 40 Prozent der befragten Vereine geben an, dass es zwar geeignete Personen gibt, diese aber aus Zeitgründen die Übernahme der Aufgaben ablehnen. Zudem sehen viele die hohen Anforderungen und die längerfristige Bindung, die eine Leitungsposition mit sich bringt, und scheuen sich deshalb eine solche zu übernehmen.

Was wirklich helfen könnte, um mehr Menschen für die ehrenamtliche Leitungsposition in Vereinen zu gewinnen, wären bezahlte und unbezahlte Freistellungen von der Arbeit. Im öffentlichen Dienst geht das sicher leichter als in der Privatwirtschaft. Auch gibt es zu wenige Frauen in den ehrenamtlichen Leitungen. Um deren Anteil zu erhöhen, dazu bedarf es ganz anderer Anreize, wie die Veränderung der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und mehr Frauen in den bezahlten Führungspositionen.

Beide Probleme löst man mit der Verbesserung der Haftungssituation von ehrenamtlichen Vorständen und Leitungspositionen leider überhaupt nicht.

Kommentar von Dr. Rudolf Speth für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 163 – Januar 2016 vom 29.01.2016

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