von Stefan Nährlich
Das Landgericht München hat das Verfahren gegen den Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone wegen angeblicher Bestechung gegen eine ungewöhnlich hohe Geldauflage eingestellt. Oft fiel in den Medien das Wort vom Kuhhandel. Immerhin, 100 Millionen US-Dollar wurden jetzt dem Haushalt des Freistaates Bayern zugeführt. Halt, nicht ganz, denn 1 Million ging an eine gemeinnützige Organisation. Noble Geste? Nein, das Geld für die Zivilgesellschaft ist ein Feigenblatt. Wie kommt so etwas zustande?
In Deutschland kann in Ermittlungs-, Straf- und Gnadenverfahren dem Betroffenen die Zahlung von Geldauflagen zugunsten der Staatskasse oder einer gemeinnützigen Einrichtung auferlegt werden. Das Verfahren wird damit eingestellt, eine Verurteilung bleibt aus. Das Handelsblatt schreibt von rund 180.000 eingestellten Verfahren allein im Jahr 2012. Der Landesrechnungshof Baden-Württemberg beziffert in seinem aktuellen Prüfungsbericht die Gesamtsumme der jährlichen Geldauflagen in Deutschland auf rund 150 Millionen Euro. In manchen Bundesländern, so der Bericht, gehen bis zu zwei Drittel der Geldauflagen an die Staatskasse, in anderen Bundesländern bis zu knapp 90 Prozent in die Vereinskassen. Auch innerhalb der Bundesländer gibt es große Unterschiede zwischen den Gerichtsbezirken.
Ob Vereinen, Verbänden oder Stiftungen Zuwendungen aus Geldauflagen zugewiesen werden, welche gemeinnützige Organisation solche Mittel bekommt und wer wie viel erhält, entscheidet letztlich alleine der zuständige Richter. Begründen muss er seine Entscheidung nicht. Der Empfänger muss lediglich die Gemeinnützigkeit nachweisen und bei Gericht registriert sein. Wohin das Geld konkret fließt, bleibt oft im Dunkeln. Dass so ein System mitunter zu hohe Anforderungen an die Integrität einzelner Richter stellt, zeigen immer wieder Beispiele in den Medien; da wird dann schon mal der Sportverein der Gattin bedacht. Vor einigen Jahren hat der Landesrechnungshof Niedersachsen die Gerichte in diesem Zusammenhang als „gesteigert korruptionsgefährdet“ bezeichnet.
Dass es auch anders geht, zeigt der bereits in den 1970er Jahren eingerichtete „Sammelfonds für Bußgelder“ bei der Behörde für Justiz und Gleichstellung in Hamburg. Gerichte und Staatsanwaltschaften weisen dem Fonds und seinen unterschiedlichen Fördergebieten alle Bußgelder zu, anstatt sie direkt an gemeinnützige Einrichtung zu vergeben. Ein mehrköpfiges Gremium vergibt dann zweimal im Jahr die Mittel und veröffentlicht die Liste der Empfänger. In Berlin und im Saarland wurden 2010 und 2012 vergleichbare Verfahren eingeführt.
Doch ob Sammelfonds oder Direktzuweisung – gehört nicht das ganze System der Geldauflagen auf den Prüfstand? In Baden-Württemberg schlägt zum Beispiel der Landesrechnungshof vor, den Anteil der Geldauflagen, die der Staatskasse zufließen, auf den Bundesdurchschnitt von 41 Prozent anzuheben. Das wäre eine klare Regelung. Im Fall Ecclestone ist jedenfalls vom großen Kuchen nur ein Krümel für die gemeinnützigen Organisationen übrig geblieben. Er legt den Schluss nahe, dass Vereine und Stiftungen bei knappen öffentlichen Kassen weniger als Gemeinwohlpartner bei der Erfüllung von öffentlichen Angelegenheiten gesehen werden, sondern vielmehr als Legitimationspartner für ein System herhalten müssen, das viele Menschen inzwischen als ungerecht empfinden.
Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 148 – August 2014 vom 29.08.2014