Kommentar: Ungleichheit in der Welt der “Guten”

von Rudolf Speth

Mehr als 70 Prozent Frauen arbeiten in den Organisationen des Nonprofit-Sektors. Ihr Anteil bei Geschäftsführungen und Vorständen liegt bei 42 bzw. 38 Prozent. Damit unterscheidet sich der Nonprofit-Sektor von der privaten Wirtschaft: Dort sind Frauen in Führungsposition nur zu rund 21 Prozent zu finden. Noch geringer ist der Anteil an Frauen in den Führungspositionen der großen DAX-Unternehmen. Allerdings sind in den privaten Unternehmen auch weniger Frauen als in den Organisationen des Nonprofit-Sektors beschäftigt.

Je älter die Organisation, desto weniger Frauen in der Führung

Zum Missverhältnis in den privaten Unternehmen gibt es bereits etliche Untersuchungen. Jetzt soll ein Projekt an der Uni Münster um die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Anette Zimmer und Dr. sc. Eckhard Priller die Gründe für die Differenz zwischen hoher Beschäftigungsrate und geringer Präsenz der Frauen in Führungspositionen von Nonprofit-Organisationen herausfinden. Die ersten Ergebnisse einer kleinen Onlinebefragung liegen vor. Ergebnis: Die Dominanz der Männer auf der Führungsebene – die Studie differenziert zwischen Vorstand und Geschäftsführung und Kontroll- und Beratungsgremien ‒ der Nonprofit-Organisationen hängt wesentlich von den Tätigkeitsfeldern der Organisation und ihrem Alter ab. Es zeigt sich deutlich: je älter eine Organisation ist, desto weniger Frauen hat sie in ihren Führungspositionen. Die Wohlfahrtsverbände etwa sind meist mehr als 100 Jahre alt und haben inzwischen eine stabile Organisationsstruktur ausgebildet. Sucht man nach den Tätigkeitsbereichen, dann sind es vor allem Sport und Freizeit, in denen die Männer die Führungspositionen in den Organisationen innehaben. Der klassische Sportverein ist dafür ein typisches Beispiel. Mehr Frauen gibt es in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Kunst, Kultur und Medien. Gerade bezahlte Vorstandspositionen werden von Männern dominiert, doch mehr Frauen gibt es in den hauptamtlichen Geschäftsführungen.

Teilzeit, Kinder, Sinnfragen

Die Autorinnen der Studien, Franziska Paul und Dr. Andrea Walter, führen die Diskrepanz auch darauf zurück, dass viele Frauen in diesen Organisationen Teilzeit arbeiten oder für die Kindererziehung zeitweise ganz aussteigen. Dann werden die Karrierewege in die Führungspositionen häufig ganz steinig. Es kann aber auch sein, dass Frauen diese Positionen nicht so häufig anstreben, weil sie weniger sinnstiftend sind. Allerdings ist hier noch mehr Forschung notwendig.

Die ersten Ergebnisse des Projekts zeigen deutlich: Auch die Welt der Nonprofit-Organisationen ist von der Ungleichheit der Geschlechter geprägt. Mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen ist damit nicht nur eine Aufgabe für die Unternehmen der Privatwirtschaft und der Verwaltungen. Dies hat auch politische Konsequenzen: Der Kampf um die Geschlechtergleichheit – berufliche Positionen, Entlohnung ‒ kann sich nicht nur auf die Privatwirtschaft richten. Auch der Nonprofit-Sektor muss hinzugenommen werden. Dieser führt bislang ein Dasein im gesellschaftlichen Windschatten, weil er sich selbst zur Welt der „Guten“ rechnet. Doch auch in dieser Welt gibt es Machtbeziehungen und Ungleichheit.

Kommentar von Dr. Rudolf Speth für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 171 – September 2016 vom 29.09.2016

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