Kommentar: Viel Gerede

von Stefan Nährlich

Die Sozialunternehmer-Szene hat ein neues Thema: Social Impact Bonds. Nicht Gutmenschen und Spenden, sondern soziale Unternehmer und Investitionen bringen Veränderungen und lösen gesellschaftliche Probleme. Unter dem Titel „’Social Bonds’ – Gutmensch gegen Geld“ stellte am 4. Februar 2013 die Sendung „Bauerfeind“ im Fernsehsender 3sat ein britisches Beispiel vor. Es geht so: Investieren Sie in die Resozialisierung von Häftlingen. Je geringer die Rückfallquote, desto höher Ihre Rendite. Wenn alles klappt, bekommen Sie Ihr Geld plus Zinsen zurück.

Auch in Deutschland soll es dieses Modell bald geben. Mit Hilfe von Investoren sollen dann Schulverweigerer wieder in den Unterricht zurückgeholt werden. Das befragte Publikum im Film war geteilter Meinung, die einen dagegen, die anderen dafür. Warum, wusste keiner so genau. Eher eine Gefühlssache. Doch warum die Welt nicht ein bisschen besser machen und dabei noch Geld verdienen? Auch dem Sozialunternehmer-Konzept liegt diese Idee zugrunde. Mit einem sich selbst tragenden Geschäftsmodell soziale Probleme lösen: Das klingt so logisch und attraktiv, dass man sich unweigerlich fragt, warum früher noch keiner auf die Idee gekommen ist.

Tatsächlich ist die Idee gut. Aber es fehlen die überzeugenden Beispiele. Die Diskussion gleicht vielfach dem Verhältnis von Teenagern zu Sex. Alle reden davon, aber keiner hat´s gemacht. Bei näherem Hinsehen sind die kolportierten Beispiele entweder normale Unternehmen, die auf Märkten mit geringerer Kaufkraft mit dem Preis heruntergehen oder typische Non-Profit Organisationen, die sich aus einem Mix aus erwirtschafteten Einnahmen, Spenden und öffentlichen Zuschüssen finanzieren. Eine im letzten Jahr erschienene Studie der Mercator Stiftung zum Sozialunternehmertum spricht von einem Nischenphänomen. Seit einem Jahr gibt es das Förderprogramm für Sozialunternehmen der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Bislang sind drei Anträge eingegangen.

In Zeiten knapper Kassen ist die Sozialunternehmeridee zu wichtig, um leichtfertig abgetan zu werden. Aber ist sie auch gut genug, um zu funktionieren? Wenn die britische Organisation bei der Resozialisierung von Häftlingen gute Arbeit leistet und die Rückfallquote senkt, zahlt der britische Staat den Investoren ihr Geld mit einer Rendite zurück. Für ihn lohnt sich der Deal, weil er an den ökonomischen und sozialen Folgekosten spart. Bei Misserfolg verlieren die Investoren ihr Geld. Der Staat muss dann zwar anschließend die Kosten fehlgeschlagener Resozialisierung tragen, hat aber die Ausgaben für das Hilfsprogramm gespart. Die Investoren haben das Nachsehen. Die Frage ist: Kann so ein Modell mit anderen Investitionsmöglichkeiten mithalten? Den britischen Investoren werden bis zu 13 Prozent Rendite pro Jahr versprochen. Allerdings erst, wenn klar ist, ob die Maßnahmen wirken, was im Vergleich zu einer Kontrollgruppe untersucht wird. Das dauert seine Zeit, birgt Spielraum für Interpretationen und Streit und kann letztlich auch ganz schiefgehen. Für privatwirtschaftliche Investoren scheint das nicht besonders interessant zu sein. Alle Investoren des britischen Social Impact Bonds sind Stiftungen, wie die ZEIT letztes Jahr schrieb. In Deutschland soll es übrigens nur drei Prozent Rendite geben. Das wird wohl kein frisches Geld anlocken – für private Investoren gibt es selbst in Zeiten der Finanzkrise bessere Anlagemöglichkeiten.

Kommentar von Dr. Stefan Nährlich für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 131 – Februar 2013 vom 28.02.2013

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