Ednannia-Hilfsfonds: „Wir wollen ein Leben in Würde leben!“

Bombenangriffe, Zerstörungen, Verluste: In der Ukraine ist humanitäre Hilfe vor Ort weiterhin unabdingbar. Doch wie schaffen es die Menschen, sich nicht zermürben zu lassen? Die Bürgerstiftungen in der Ukraine bemühen sich darum, dass in den Städten und Gemeinden das soziale und öffentliche Leben weitergeht.

Die ukrainischen Bürgerstiftungen versuchen daher, sich über die Nothilfe hinaus auch wieder der Förderung des Zusammenlebens in den Kommunen zuzuwenden. „Auch wenn wir angegriffen werden, wollen wir, dass die Menschen ihr Leben leben können“, sagte im November 2023 Olga Nikolska, Programmleiterin bei der ukrainischen gemeinnützigen Organisation Ednannia, mit der die Aktive Bürgerschaft zusammenarbeitet. „Wir alle wollen ein Leben in Würde leben!“

Um den Bürgerstiftungen in der Ukraine gezielt und wirkungsvoll zu Hilfe zu kommen, hatte die Stiftung Aktive Bürgerschaft unmittelbar nach Beginn des Krieges im Frühjahr 2022 den Ednannia-Hilfsfonds eingerichtet. Unternehmen und Privatpersonen können seither an den Fonds spenden. Im November 2023 besuchte Olga Nikolska die Aktive Bürgerschaft in Berlin, um persönlich über die Verwendung der Gelder zu berichten. Bis dahin waren rund 200.000 Euro zusammengekommen. Ednannia verteilt die Hilfe Spenden vor Ort an die Bürgerstiftungen.

Von Katastrophenhilfe bis Jugendaustausch – was die Bürgerstiftungen tun

Die Bürgerstiftungen haben die Mittel aus dem Fonds vor Ort sowohl für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau als auch zur Förderung des sozialen Zusammenhalts eingesetzt:

So konnte die Bürgerstiftung Cherson in der Region, die nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms überflutet wurde, mit den Spenden aus Deutschland einen Sattelauflieger anschaffen, um Hilfsgüter schnell an die richtigen Stellen zu transportieren. Auch konnte sie mit mehreren großen Transformatoren und hundert Erste-Hilfe-Sets für Menschen, die Stromleitungen reparierten, die Aufräumarbeiten und Wiederherstellung der Stromversorgung unterstützen. Darüber hinaus stellte sie 300 Bettenausstattungen für ein Krankenhaus zur Verfügung und 300 weitere für Flutopfer. Die Bürgerstiftung Cherson hatte in der Ukraine eine Spendenkampagne initiiert und die Aktive Bürgerschaft rief daraufhin in Deutschland gesondert zu Spenden für die Bürgerstiftung auf. Weiterhin sind noch Freiwillige vor Ort. Noch immer fallen 50 bis 100 Bomben am Tag auf Cherson.

In der stark zerstörten Stadt Charkiw hat sich die Bürgerstiftung Toloka um Ausrüstung für Einrichtungen der kritischen Infrastruktur sowie Küchen- und Bettenausstattung für Binnengeflüchtete gekümmert. Sie sorgte für Heizungen im Geburtszentrum wie auch in den kulturellen Einrichtungen und Schulen. Toloka wurde 2016 errichtet und hat sich vor dem Krieg auf Kulturförderung konzentriert.

In Vinnytsya unterstützt die Bürgerstiftung Podilska Hromada das regionale Kinderkrankenhaus und das regionale Rehabilitationszentrum für Kinder mit orthopädischen Hilfsmitteln, aber auch Medienkommunikation, um die Bevölkerung über die neuen Gesundheitsangebote zu informieren.

In der Region um Kiev beteiligte sich die Bürgerstiftung Vita-Poshtova an der Bereitstellung von Bombenschutzbunkern für die Bevölkerung.

In der Region Lviv förderte die Bürgerstiftung Ridnya die Selbstversorgung der örtlichen Bevölkerung. Viele Menschen, die über kleine Landparzellen verfügen, haben sich dort in einer Agrargenossenschaft zusammengeschlossen und können durch die Anschaffung eines kleinen Traktors für den gemeinsamen Ackerbau nun ihre Erträge steigern.

In Voznesensk versucht die Bürgerstiftung, die soziale Not in der Stadt mit Bildungsmaßnahmen vor allem für einheimische und geflüchtete Frauen zu verbessern. Aktuelle Vorhaben sind der Aufbau eines Erwachsenenbildungszentrums und eine dreimonatige Näherinnen-Grundausbildung. Die Bürgerstiftung hofft, dass lokale Unternehmen in die Finanzierung einsteigen, und will weitere handwerklich qualifizierende Angebote machen. Die Qualifizierungen sollen auch dazu beitragen, die Binnenvertriebenen zu integrieren und so die sozialen Spannungen in der Stadt zu reduzieren.

Auch die Bürgerstiftung Berezan setzt sich für die Verbesserung des Zusammenlebens ein. Die Hilfsgelder fließen in die Renovierung verschiedener Einrichtungen in der Stadt und der Region, die teils direkt von den russischen Angriffen getroffen worden war. Dazu gehören Sporthallen von Schulen ebenso wie die alten sowjetischen „Kulturpaläste“, die nach dem Zerfall der Sowjetunion zu wichtigen, aber baulich vernachlässigten Räumlichkeiten für die Zivilgesellschaft wurden. Unter dem Dach der Bürgerstiftung engagieren sich in einer sogenannten „Youth Bank“ junge Menschen. Sie organisierten im September 2023 einen polnisch-ukrainischen Jugendaustausch und verdienten mit einem Mülltrennungsprojekt Geld, das sie zu den Projekten für die Renovierung von Jugendeinrichtungen beisteuerten. „Sie waren so stolz!“, sagte Olga Nikolska.

Wie die ausländische Hilfe wirklich ankommt

Grundsätzlich legt Ednannia, wenn sie die Hilfsgelder aus dem Fonds an die Bürgerstiftungen zuweist, Wert darauf, dass die jeweilige Bürgerstiftung einen Teil des Projekts selbst finanziert. So wird sichergestellt, dass es vor Ort Interesse und Bedarf an der Hilfe gibt. „Manche ausländischen Hilfsorganisationen agieren leider ohne Ortskenntnis und ihre Hilfe geht manchmal am Bedarf vorbei. Das wollen wir vermeiden“, so Nikolska.

Doch im Inland Spenden zu sammeln wird immer schwieriger. Öffentliche, aber auch private Gelder fließen vor allem in die Landesverteidigung, Zuwendungen und Spenden an Kommunen und Nichtregierungsorganisationen bleiben aus. „Wir sind mehr denn je auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen“, sagt Olga Nikolska. „Wir wünschen uns, dass Sie uns weiter unterstützen. Der Krieg ist noch nicht zu Ende.“

Text: Gudrun Sonnenberg

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