von Bernadette Hellmann
Seit Donald Trump im Januar 2017 US-Präsident wurde, hat er unter dem Motto „America First“ die Einwanderungsgesetze verschärft, eine Steuerreform durchgeboxt, Vermögende entlastet und die staatlichen Mittel etwa für Bildung, Umweltschutz, Stadtentwicklung oder Gesundheit gekürzt. Diese Politik wirkt sich unmittelbar auf die Zivilgesellschaft und damit auch auf Stiftungen aus. Deren Agenda und das Tempo ihres Handelns werden stärker als zuvor durch die Politik geprägt. Viele Stiftungen haben ihre Arbeitsweise und Förderkultur angepasst, um schneller auf politische Veränderungen reagieren zu können und die Demokratie zu stärken.
Neue Arbeitsweise
Der „Trump Bump“ ist ein vielbeschriebenes Phänomen: Nach der Wahl Trumps stiegen die Spenden an Organisationen, die die Folgen seiner Politik abfedern und die amerikanischen Grundwerte verteidigen, deutlich an. Nachdem Trump beispielsweise einen Einreisestopp für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern verhängt hatte, nahm allein die American Civil Liberties Union, die sich für den Schutz der Bürgerrechte einsetzt, innerhalb von zwei Tagen über 24 Millionen US-Dollar ein. Auch die Spenden für Umweltschutz, Soziales, Gesundheit, Pressefreiheit und Demokratieförderung stiegen an, viele Stiftungen verstärkten ihr Engagement in diesen Themenfeldern.
Dabei haben viele Stiftungen ihre Arbeitsweise und Förderkultur verändert: Sie handeln schneller und kollaborativer, um direkter auf politische Entwicklungen reagieren zu können, etwa durch Notfall- und Soforthilfe-Fonds. Auch bündeln Stiftungen verstärkt Spenden, um möglichst viele Menschen für die gemeinsame Sache zu aktivieren und mehr zu erreichen. Ein Beispiel ist der Resilience Fund der Greater Washington Community Foundation, der sich für Toleranz einsetzt und die Widerstandskraft von Minderheiten stärkt. Er hat unter anderem Projekte gefördert, in denen Schüler lernten, im digitalen Zeitalter Fakten und Lügen voneinander zu unterscheiden, und er förderte Rechtsbeistand für vom Einwanderungsstopp betroffene Mitbürger und Kinder, die an der Grenze zu Mexiko von ihren Eltern getrennt wurden. Neben sieben Großspendern beteiligen sich viele Menschen mit kleineren Summen am Spendenfonds, darunter Millennials und Zuwanderer. Die Stiftung hat ihr Fundraising-Ziel von 500.000 US-Dollar weit übertroffen und mehr als eine Million eingeworben, auch weil sie ihre Gremien, Unterstützer und die Öffentlichkeit regelmäßig über die Ziele und Erfolge des Fonds informiert.
Stiftungen reagieren auf die Steuerreform
Wie sich Trumps Steuerreform, die Gutverdiener entlastet, auf Stiftungen auswirkt, bleibt abzuwarten. Der Dachverband Council on Foundations und andere prognostizierten einen deutlichen Spendenrückgang, da durch die Erhöhung des Steuerfreibetrags nur noch größere Spendenbeträge einzeln abgesetzt werden können (vgl. bürgerAktiv-Gastkommentar von Thomas Adam). Bisher ist dies nicht eingetroffen. Zwar wurde zu Jahresbeginn 2018 weniger gespendet. Doch im dritten Quartal stiegen die Spenden auf das übliche Niveau, wie Inside Philanthropy berichtet. 75 Prozent der Nonprofit-Organisationen haben demnach ihre Fundraising-Ziele erreicht, das sind mehr als sonst. Bürgerstiftungen machten schnell das Beste aus der Reform, indem sie Argumente dafür entwickelten, Stiftungsfonds unter ihrem Dach einzurichten: Durch eine höhere Zustiftung oder Spende in einen Stiftungsfonds kann man den Steuerfreibetrag in einem Jahr maximal ausschöpfen, die Mittelverwendung aber über mehrere Jahre strecken. Abzuwarten bleibt, ob die Amerikaner ihr Spendenverhalten ändern werden, wenn sie im Sommer 2019 ihre Steuerbescheide für das Jahr 2018 erhalten und die Auswirkungen der Reform deutlich werden.
Stiftungen als Gestalter, Ausfallbürgen oder Getriebene?
Donald Trumps oft als „disruptiv“ beschriebener Politikstil hält den politischen Betrieb, die Medien und die Gesellschaft permanent in Bewegung. Die Beschleunigung hat viele positive zivilgesellschaftliche Kräfte freigesetzt: Organisationen verbünden sich, werden flexibler und brechen verkrustete Strukturen auf. Das neue Tempo birgt aber die Gefahr, dass das Stiftungshandeln im Übermaß davon getrieben wird, die negativen Auswirkungen politischer Handlungen und Budgetkürzungen auf die Schwächeren der Gesellschaft abzufedern.
So beispielsweise zu Jahresbeginn: 35 Tage lang waren große Teile der US-Behörden geschlossen, weil Trump die Grenzmauer zu Mexiko mit aller Macht durch den Kongress boxen wollte. Geschätzt waren 800.000 Angestellte der Regierung sowie bundesweiter Behörden betroffen. Da in den USA viele Menschen von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben, hatte dies fatale Auswirkungen. Viele Regierungsangestellte konnten Essen und Miete nicht mehr pünktlich zahlen. Stiftungen und Vereine reagierten schnell: Sie sammelten Spenden, gaben Essen aus und organisierten Freiwillige. Manche gingen dabei innovative Wege. So schloss sich eine Bürgerstiftung in Missouri mit der lokalen Genossenschaftsbank zusammen, um zinslose Kleindarlehen auszugeben.
In einem Land, in dem das staatliche Sicherheitsnetz schwach ausgeprägt ist, springen Stiftungen und Nonprofit-Organisationen nun also noch stärker als bisher da ein, wo öffentliche Einrichtungen versagen. Für die Zukunft heißt das: Wollen sie nicht zum Ausfallbürgen werden, müssen sie sich zur Wehr setzen, die Missstände artikulieren und Ursachen bekämpfen.
Bernadette Hellmann, Stiftungsmanagerin (DSA) und Fundraising-Managerin, ist Programm-Leiterin Bürgerstiftungen der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Von 2015 bis 2018 lebte sie in Washington D.C. und arbeitete bei der Greater Washington Community Foundation.
Kommentar von Bernadette Hellmann für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 197 – Februar 2019 vom 28.02.2019