Mitmachen und entscheiden lassen

Mit einer Jugendbürgerstiftung hat die Bürgerstiftung Sindelfingen junge Menschen ins Boot geholt. Hier machen die jungen Leute eigenständig Projekte und ziehen neue Interessenten an.

Bis 3 Uhr nachts zu lauter Musik tanzen: Das stößt bei den älteren Teilen der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe. Bei jungen Menschen dafür umso mehr. Damit diese sich mal so richtig austoben können und nicht spätestens um Mitternacht von ruhebedürftigen Anwohnern unterbrochen werden, organisiert die Jugendbürgerstiftung Sindelfingen neuerdings eine „Silent Disco“, bei der die Gäste die Musik nicht über Lautsprecher, sondern über Kopfhörer hören, und zusammen tanzen.

Die Idee hatten junge Frauen aus Stuttgart mitgebracht. In der Jugendbürgerstiftung konnten sie sie ausprobieren. Beim dritten Abend fanden sich schon hundert junge Leute ein. Zweimal im Jahr soll das Event stattfinden. Schöner Nebeneffekt: Es sind über die Disco – und auch über andere Events – neue junge Leute auf die Jugendbürgerstiftung aufmerksam geworden und ihr beigetreten. 26 Köpfe zwischen 16 und 29 Jahren zählt jetzt das Team, und sie engagieren sich hier für das, was die Älteren allzu oft übersehen, die Interessen junger Menschen.

Eigenes Budget

Genau dafür hatte die Bürgerstiftung Sindelfingen 2013 die Jugendbürgerstiftung ins Leben gerufen: Um junge Leute zum Mitmachen zu bewegen – aber vor allem, um sie machen zu lassen. Mit einem Budget von 3000 Euro im Jahr können sie eigene Projekte planen und umsetzen oder andere Initiativen fördern. Bei Letzterem helfen die Mitglieder der Jugendbürgerstiftung entweder selbst, etwa, indem sie bei Veranstaltungen von Vereinen den Getränkeausschank übernehmen. Oder sie unterstützen finanziell, etwa das Planspiel „MUNOG “ am Goldberg Gymnasium, bei dem Schülerinnen und Schüler in die Rollen von Staaten in der UNO-Vollversammlung schlüpfen. Manchmal helfen sie auch bei Projekten der Bürgerstiftung Sindelfingen aus. Zum Beispiel, wenn Sindelfinger Schulen in der „Schlau-Schau“ im Einkaufzentrum naturwissenschaftliche Projekte präsentieren.

Patrick Schmid, der aktuelle Vorstandsvorsitzende der Jugendbürgerstiftung (im Foto mit seiner Vorstandkollegin Nicola Koroll), ist seit dreieinhalb Jahren dabei. Ihn habe die breite Palette der Möglichkeiten von Sport über Kultur bis zu sozialen Themen angezogen: „Jeder kann ein Projekt finden, das zu ihm passt“, sagt er. „Die Bürgerstiftung lässt uns unsere Erfahrungen machen, wir werden nie gebremst. Bei uns dürfen auch 16-Jährige ihre Euphorie ausleben. Für uns ist es toll, dass wir so ein Vertrauen genießen.“

„Wir beraten, aber wir lassen sie selbst entscheiden“, sagt Heike Stahl, eine von zwei Vorständen der Bürgerstiftung, die für die Jugend zuständig sind. Manchmal gehört etwas Nervenstärke dazu sich zurückzuhalten, etwa, wenn man selbst schon längst mit einer Planung anfangen würde und die Jugendlichen erst auf den letzten Drücker aktiv werden. „Sie planen halt kurzfristiger“, sagt Stahl.

Hybrid gegen Fluktuation

Der Zulauf gibt aktuell jedenfalls dem Konzept „Machen lassen“ recht. Um die Fluktuation gering zu halten, die automatisch durch das Ende der Schulzeit, Ortwechsel wegen Studium oder Ausbildung entsteht, kommuniziert die Jugendbürgerstiftung hybrid – so können auch die Mitglieder mitreden, die für ein paar Jahre nach Berlin oder anderswohin gegangen sind.

Jedenfalls, bis sie 30 sind. Dann ist in der Jugendbürgerstiftung Schluss – aber das soll nicht das Ende sein: Die Bürgerstiftung hofft, dass sich der Nachwuchs dann in der Bürgerstiftung weiter engagiert. Für den 28-jährigen Patrick Schmid ist das auf jeden Fall eine Option. Was auf ihn zukäme, weiß er schon, denn als Vertreter der Jugendbürgerstiftung ist er regelmäßig bei den Vorstandssitzungen der Bürgerstiftung dabei – und sorgt dafür, dass der Blick der Jugend auf die Projekte nicht zu kurz kommt.

Text: Gudrun Sonnenberg

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, Ausgabe 253 März 2024, Fokus