Fokus November 2024: Werben, geben, wirken – Spenden für den guten Zweck

966 595 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Am Jahresende, wenn klar ist, ob etwas übrigbleibt, greifen viele Menschen noch einmal tiefer in die Tasche und überweisen Geld für gute Zwecke. Viele gemeinnützige Einrichtungen, Vereine, Stiftungen oder Hilfsorganisationen rufen in der Vorweihnachtszeit zum Spenden auf. Mit dem Giving Tuesday am 3. Dezember, an dem sich in diesem Jahr auch die Stiftung Aktive Bürgerschaft beteiligt, ist ein Spenden-Event hinzugekommen. Und für die Bürgerstiftungen in Norddeutschland zählt 2024 auch der 13. Dezember – er ist der Höhepunkt der Spendenkampagne „Hand in Hand für Norddeutschland“, mit der der NDR und die Bürgerstiftungen in den norddeutschen Bundesländern gemeinsam zu Spenden für Projekte gegen Einsamkeit aufrufen.

Die Aufrufe verfehlen ihre Wirkung nicht: Es ist eine zweistellige Milliardensumme, die im Laufe eines Jahres in Deutschland gespendet wird. Wer es ganz genau wissen will, müsste allerdings selber zählen, eine einzig gültige Statistik gibt es nicht. Trends und Aussagen zu den Spenderinnen und Spendern lassen sich trotzdem herausfiltern, und vor Ort zählt letztlich die beglückende Erfahrung, Unterstützung für eine gute Sache zu gewinnen und mit dem Geld der Spendenden sinnvolle Projekte umsetzen zu können.

Lesen Sie im Fokus „Werben, geben, wirken – Spenden für den guten Zweck“ die folgenden Beiträge:

Spenden im Aufwind? Erkenntnisse – Trends – Veränderungen

Die Bereitschaft der Menschen in Deutschland zu spenden scheint ungebrochen zu sein. In den vergangenen Jahren wurden sogar neue Rekorde gemeldet: Der Ukrainekrieg und die Flutkatastrophe im Ahrtal lösten große Hilfsbereitschaft aus. Doch was tut sich über solche einzelnen Ereignisse hinaus auf dem Spendenmarkt? Die Fundraising-Expertin Marita Haibach erläutert für bürgerAktiv, was man über die langfristigen Entwicklungen weiß.
Zum Beitrag

Alle Erwartungen übertroffen: Wie drei Neuntklässlerinnen tausende Euro Spenden sammelten

Auf zunächst skeptische bis zurückhaltende Reaktionen stießen drei 15-jährige Soester Schülerinnen, als sie sich mit ihrem sozialgenial-Projekt für das örtliche Tierheim engagieren wollten. Umso größer war dann das Erlebnis, mit ihrem Projekt einen Spendenerfolg zu erzielen, der alle Erwartungen übertraf.
Zum Beitrag

„Man kann sehen, was die Spenden bewirken“

Warum spenden Menschen an Bürgerstiftungen? Das weiß Jonas Rugenstein, stellvertretender Programm-Leiter Bürgerstiftungen bei der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Er leitet die Erhebungen zu den Finanzkennzahlen der Bürgerstiftungen in Deutschland. Sie werden alle zwei Jahre im Report Bürgerstiftungen veröffentlicht. Im Interview beantwortet er Fragen zur Entwicklung und den Erfolgsfaktoren beim Fundraising der Bürgerstiftungen.
Zum Interview

Vielfalt zählt: Die Spendenstatistiken in Deutschland

Verschiedene Statistiken erheben, wie viele Menschen in Deutschland Geld für den guten Zweck spenden, und wie hoch die Spendensumme ist. Wer an das Gute im Menschen glauben möchte, wird die Zahlen des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) mögen, denn sie sind mit Abstand die höchsten – allerdings nur auf den ersten Blick.
Zum Beitrag

Mehr zum Thema

Stiften, spenden, ehrenamtlich engagieren: Mitmachen bei der Bürgerstiftung
Eine Bürgerstiftung in der Nähe finden: Zum Bürgerstiftungsfinder der Aktiven Bürgerschaft

Foto: Conrad von Soest Gymnasium

Spenden im Aufwind? Erkenntnisse – Trends – Veränderungen

1024 668 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Die Bereitschaft der Menschen in Deutschland zu spenden scheint ungebrochen zu sein. In den vergangenen Jahren wurden sogar neue Rekorde gemeldet: Der Ukrainekrieg und die Flutkatastrophe im Ahrtal lösten große Hilfsbereitschaft aus. Doch was tut sich über solche einzelnen Ereignisse hinaus auf dem Spendenmarkt? Die Fundraising-Expertin Marita Haibach erläutert für bürgerAktiv, was man über die langfristigen Entwicklungen weiß.

Von Marita Haibach

Die Zeit rund um Weihnachten löst bei vielen Menschen vermehrt den Wunsch aus, sich mit Spenden zu engagieren. Der Monat Dezember ist in vielen Gemeinwohl-Organisationen der Monat, bei dem etwa ein Fünftel der Spendeneinnahmen des ganzen Jahres fließen. Daran hat sich trotz gelegentlicher Schwankungen auch in jüngster Zeit nichts geändert. Eine tragende Rolle kommt dabei auch die Vielzahl und Vielfalt der Spendenaufrufe zu, in Form von postalischen Weihnachtsmailings, Spendenaktionen von Tageszeitungen und Radiosendern, TV-Weihnachtsgalas, Spenden-statt-Schenken-Aktivitäten von Unternehmen, Online-Aktionen und vielem mehr.

In den letzten Jahren, die gekennzeichnet sind von multiplen Krisen und Katastrophen, hat sich erneut bestätigt: Sogenannte „Katastrophenspenden“ sind regelmäßig ein wesentlicher Faktor für starke temporäre Steigerungen des Spendenaufkommens hierzulande, besonders wenn es sich um Katastrophen in Deutschland handelt, wie das Hochwasser 2021, oder Krisen, die uns mittelbar betreffen, wie die Nothilfe Ukraine.

Doch wächst das Spendenaufkommen in Deutschland insgesamt? Wie ist es um die Zahl und Präferenzen der Spendenden bestellt?

Verdoppelung des Spendenaufkommens?

Über das jährliche Gesamtvolumen von Spenden, die Privatpersonen in Deutschland leisten, kursieren unterschiedliche Zahlen. Um die 5 Milliarden Euro nennen die „Bilanz des Helfens“ des Deutschen Spendenrats und der Spendenmonitor des Deutschen Fundraising Verbandes. Um die 13 Milliarden Euro erfasst das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI), das mit den Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) arbeitet. Dies ist den unterschiedlichen Methoden der Erhebungen geschuldet, doch auch die Grenze (1.500 Euro, 2.500 Euro oder 30.000 Euro), bis zu der Spenden in die Berechnungen einbezogen werden, ist von Bedeutung. Die DZI-Schätzung des Gesamtvolumens auf knapp 13 Milliarden Euro pro Jahr bildet erkennbar, auch durch die Einbeziehung größerer Spenden, die Höhe des Spendenaufkommen, vollständiger ab als die beiden anderen Erhebungen. Das DZI stellt eine Verdoppelung des Volumens seit den Jahr 2000 fest, als der Schätzwert auf knapp unter 6 Milliarden Euro jährlich lag. Ab dem Jahr 2015 steigt die Kurve dabei zunehmend nach oben. Größere Ausschläge sind insbesondere in den Jahren mit besonderen Krisen bzw. Katastrophen festzustellen.

Ist diese Entwicklung nach oben ein Grund zum Jubeln? Ja, weil es ein gutes Zeichen ist, dass sich Menschen ungebrochen solidarisch zeigen und großzügig helfen, besonders dann, wenn die Not vor der eigenen Haustür riesig ist. Ja, dies ist auch als Beleg dafür, dass die wachsende Professionalisierung des Fundraisings mit einer Steigerung des Spendenaufkommens einhergeht.

Doch es gibt mehrere „Aber“. Den inzwischen verlässlicheren Zahlen zum Spenden ging bis vor nicht allzu langer Zeit eine Phase der vagen Schätzungen voraus. Dies gilt auch für den Ausgangspunkt von 6 Milliarden Euro im Jahr 2000. Die Frage, ob es sich tatsächlich um eine Verdoppelung handelt oder aber die Zahlen genauer geworden sind, bedürfte einer näheren Beleuchtung.

Mittelfeld im internationalen Vergleich

Deutschland zählt zu den reichsten Ländern der Erde. Im World Giving Index 2024, den die London ansässige Charities Aid Foundation (CAF) jährlich veröffentlicht, rangiert Deutschland auf Platz 37 weit hinter anderen europäischen Ländern wie Malta (10), Irland (15), Norwegen (21), dem Vereinigten Königreich (Platz 22) und den Niederlanden (25). Die USA stehen auf Platz 6. Bei der Berechnung werden drei Kategorien zugrunde gelegt: einem/einer Fremden helfen, Geld spenden und Freiwilligentätigkeit.

Mit der im CAF-Index genannten (Geld-)Spendenbeteiligungsrate von 57 Prozent liegt Deutschland international im unteren Mittelfeld. Auch die Zahlen der oben genannten Erhebungen zum Spendenaufkommen in Deutschland besagen, dass sich höchstens etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland als Spenderinnen und Spender engagieren. Dieser Anteil ist in der Tendenz rückläufig. Interessant ist dabei, dass die einzelnen Spendenden jedoch höhere Beträge beitragen, wie die gestiegenen Spendensummen zeigen.

Humanitäre Hilfe einschließlich Katastrophenspenden weiterhin weit vorne

An den Präferenzen bei den Spendenzwecken hat sich trotz Klimakrise und Energiekrise wenig verändert. Noch immer fließt der größte Teil (etwa zwei Drittel) in die humanitäre Hilfe (neben Not- und Katastrophenhilfe auch Kinder- und Jugendhilfe, Altenhilfe, Behinderten-/Krankenhilfe, Flüchtlingshilfe, Obdachlosenhilfe). Das restliche Drittel umfasst Bereiche wie Umwelt- und Naturschutz, Kultur und Denkmalpflege, Tierschutz, Sport.

Die Bedeutung gesellschaftlich gestaltender Spenden ist hierzulande nach wie vor nicht besonders stark ausgeprägt. Anders als die immer spürbarer werdende Klimakrise vermuten lässt, ist beispielsweise der Umfang von Spenden für Umwelt- und Naturschutz nicht überproportional gestiegen, auch wenn zahlreiche in diesem Bereich tätige Organisationen sehr erfolgreich Spenden einwerben (anders als noch vor 30 Jahren). Es gibt zudem eine gewachsene Vielfalt an Advocacy-Organisationen – LobbyControl, Urgewald, Reporter ohne Grenzen, Germanwatch, HateAid und viele andere mehr – die sich, getragen vom Engagement privater Spenderinnen und Spender, aktiv für Demokratie und Menschenrechte stark machen. Doch deren Anteil am Spendenkuchen ist relativ klein.

Wenig Bewegung bei den Merkmalen der Spendenden

Wer nun sind die Spenderinnen und Spender von heute? Bei den demographischen Merkmalen gibt es im Vergleich zu früheren Zeiten keine markanten Veränderungen. Der größte Anteil der Spendenden liegt weiterhin in den Altersgruppen 70+ und 60+ (fast zwei Drittel), die Anteile in den jüngeren Altersgruppen sind relativ gleichbleibend. Die Spendenquote bei Frauen ist höher (45 Prozent) als bei Männern (41 Prozent), allerdings spenden Männer größere Beträge (416 Euro im Jahresdurchschnitt gegenüber 286 Euro der Frauen). Die Spendenwahrscheinlichkeit steigt mit höherer Bildung und höherem Einkommen. Spendenquoten und Spendenhöhen sind in den östlichen Bundesländern niedriger. Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Religionsgemeinschaft hat einen positiven Einfluss auf das Spendenverhalten.

Umfang von Großspenden und Testamentspenden unklar

Bei der durchschnittlichen jährlichen Spendenhöhe gehen die Einschätzungen der einzelnen Erhebungen weit auseinander. Sie bewegen sich zwischen 40 und 170 Euro jährlich (Bilanz des Helfens / Deutscher Spendenmonitor). Mehr als die Hälfte der Spenden liegt bei bis zu 100 Euro im Jahr, ein Fünftel bei 250 Euro und darüber. Während der Anteil der Spenderinnen und Spender, die pro Jahr bis zu 50 Euro spenden, sinkt, steigt der Anteil derjenigen, die zwischen 100 und 500 Euro sowie über 500 Euro spenden, laut SOEP beständig an.
Leider sind keine guten Zahlen zum Volumen von Großspenden und zu aktuellen und potenziellen Großspenderinnen und Großspender zu finden. Dem steht gegenüber, dass das Großspenden-Fundraising hierzulande seit dem Jahr 2010 stark an Fahrt gewonnen hat und in vielen Spendenorganisationen Zahl und Umfang der großen Spenden zugenommen haben. Viele Organisationen berichten zudem von Zuwächsen bei den Testamentspenden. Doch auch Umfang und Zusammensetzung der Testamentspenden sind unklar.

Luft nach oben – aktives Fundraising notwendiger denn je

Die Potenziale für ein höheres Spendenaufkommen in Deutschland sind vorhanden, besonders bei der gewachsenen Zahl von Vermögenden, doch auch darüber hinaus. Spenden, so das Ergebnis mehrerer Studien, macht glücklicher, auch auf lange Sicht, fördern das Gefühl der Selbstwirksamkeit, stiften Sinn. Jede und jeder kann einen Betrag dazu leisten, die Welt ein Stück weit besser zu machen. Selbst bei Katastrophen, wo die Spendengründe durch TV-Bilder frei Haus geliefert werden, sind systematische Fundraising-Aktivitäten notwendig. Eine wesentliche Voraussetzung für Zuwächse bei der Zahl der Spendenden und dem Spendenaufkommen ist es, Fundraising auch als Kunst des Lehrens der Freude am Spenden zu verstehen. Es gilt, passgenau, systematisch und kontinuierlich mehr Funken der Begeisterung zu versprühen und aufzuzeigen: Spenden wirkt!

Dr. Marita Haibach ist Expertin für Fundraising und Großspenden. Sie hat mehrere Bücher dazu verfasst und arbeitet als Beraterin und Coach für Non-Profit-Organisationen.

Foto: Privat

Dieser Beitrag ist Teil des Fokus Werben, geben, wirken – Spenden für den guten Zweck der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte November 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

 

Alle Erwartungen übertroffen: Wie drei Neuntklässlerinnen tausende Euro Spenden sammelten

966 817 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Auf zunächst skeptische bis zurückhaltende Reaktionen stießen drei 15-jährige Soester Schülerinnen, als sie sich mit ihrem sozialgenial-Projekt für das örtliche Tierheim engagieren wollten. Umso größer war dann das Erlebnis, mit ihrem Projekt einen Spendenerfolg zu erzielen, der alle Erwartungen übertraf.

Hannah Bräker, Lisa Razem und Sanja Müller, Schülerinnen des Conrad von Soest Gymnasiums in Soest, entwickelten im Fach „Lernen in Projekten“ im Schuljahr 2023/24 die Idee, Spielgeräte für die Kleintiere im Tierheim zu bauen, um sich auf diese Weise zu engagieren. Meerschweinchen, Kaninchen und Co. sollten mehr Anregung in ihren Gehegen finden.

Der Schritt aus der Schule heraus brachte viele Herausforderungen für die Jugendlichen mit sich. Die erste Hürde: Skepsis im Tierheim. „Sie befürchteten am Anfang, wir würden extra Arbeit verursachen“, erzählt Hannah. Doch die Bedenken währten nur kurz, denn das Tierheim hatte gerade sechs neue Gehege für die Kleintiere gebaut, in denen es noch an Spielgeräten zur Beschäftigung mangelte. Hier gab es also tatsächlich Hilfsbedarf. Die Schülerinnen griffen zu und beschlossen, selbst Geräte zu bauen, um Geld zu sparen. Eine Werkstatt stand auf einem elterlichen Hof zur Verfügung, aber das Material war teuer, denn es musste hochwertig und schadstofffrei sein, schließlich würden die Tiere daran nagen. Um diese Kosten zu decken, stellten die Drei eine Spendenaktion bei örtlichen Unternehmen auf die Beine und hofften, ein paar hundert Euro zusammenzubekommen.

Anrufen kostete Überwindung

„Anzurufen und um einen Termin zu bitten, kostete Überwindung“, erzählt Sanja. Denn hier lauerte die nächste Hürde: „Viele Ansprechpartner reagierten zunächst zurückhaltend.“ Dennoch durften die drei Mädchen überall zum persönlichen Gespräch vorbeikommen. Sie erläuterten ihr Projekt, ließen einen selbst gestalteten Flyer da – und waren höchst erfolgreich: Statt der erwarteten paar Hundert Euro kamen insgesamt mehr als 6000 Euro für das Tierheim zusammen. Das war weit mehr, als für die Materialkosten veranschlagt. So konnten die Schülerinnen nicht nur zusätzlich Spielgeräte kaufen, sondern dem Tierheim auch noch das restliche Geld spenden.

Persönliche Gespräche zahlten sich aus

„Es war gut, dass wir persönlich vorbeigekommen sind“, sagt Sanja. „So haben wir den Firmen gezeigt, dass uns wirklich etwas an der Sache liegt und wir dahinterstehen.“
„Wir haben das Feedback bekommen, dass wir sympathisch und überzeugend wirkten. Manche hatten wohl befürchtet, dass wir von einer Werbeagentur kämen“, sagt Lisa.
„Die Leute fanden unser Engagement glaubwürdig. Sie waren total nett“, sagt Hannah.

Nicht alle, aber die meisten der neun besuchten Unternehmen spendeten für das Projekt der Schülerinnen. Hinzu kamen Privatpersonen, denn Hannah, Lisa und Sanja riefen noch beim Soester Anzeiger an und bekamen dort einen Redakteur zu fassen, der über ihr Vorhaben berichtete, woraufhin sich weitere Spender meldeten. Drei der Spender werden dem Tierheim als Dauerspender erhalten bleiben. Insgesamt habe sich das Tierheim sehr über die hohe Geldsumme gefreut, berichten die Schülerinnen. Am Ende des Projekts luden sie alle Spender zu einem Dankeschön-Event mit Kaffee und Kuchen ins Tierheim ein.

„Das werden wir in der Zukunft gut gebrauchen können“

Und was bleibt bei den Schülerinnen hängen? „Es ist total schön, jemanden zum Mitmachen zu begeistern“, nennen sie an erster Stelle, und dass sie viel Einblick in den Alltag des Tierheims erhalten haben. Dazugelernt haben sie beim Umgang mit Geld – Ausgaben kalkulieren, Einkäufe planen – und bei der Projektplanung insgesamt.

Sie erinnern sich an das erste Spendenwerbungsgespräch: „Da waren wir total aufgeregt und hatten noch einen Spickzettel dabei. Inzwischen können wir frei reden. Von Mal zu Mal fällt es uns immer leichter“, erzählen sie. „Wir haben ja jetzt viele Präsentationen vor Erwachsenen gemacht. Das hat uns viel Selbstbewusstsein gegeben, das wir in der Zukunft gut brauchen können.“

Dazu trugen auch die Abschlusspräsentationen am Ende des Projektjahres bei – in der Schule vor den Mitschülerinnen und Mitschülern aus der Stufe und den Lehrkräften sowie im Tierheim, als sie die Spender zum Projektabschluss einluden. Sie hätten ihnen viel Sicherheit, gegeben, sagen Hannah, Lisa und Sanja: „Dadurch ist es jetzt auch gar nicht mehr schlimm, Präsentationen in der Klasse abzuhalten. Es war ein tolles Projekt.“

Mehr zum Projekt
Mehr zum Programm sozialgenial

Text: Gudrun Sonnenberg
Foto: Conrad von Soest Gymnasium

Dieser Beitrag ist Teil des Fokus Werben, geben, wirken – Spenden für den guten Zweck der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte November 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

 

„Man kann sehen, was die Spenden bewirken“

1024 739 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Warum spenden Menschen an Bürgerstiftungen? Das weiß Jonas Rugenstein. Er leitet bei der Aktiven Bürgerschaft die Erhebungen zu den Finanzkennzahlen der Bürgerstiftungen in Deutschland. Sie werden alle zwei Jahre im Report Bürgerstiftungen veröffentlicht. Im Interview beantwortet er Fragen zur Entwicklung und den Erfolgsfaktoren beim Fundraising der Bürgerstiftungen.

Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es Bürgerstiftungen in Deutschland. Wie viele Menschen haben sie bislang finanziell unterstützt?

Wir haben 300.000 Stiftende und Spendende gezählt. 260.000 Personen haben an Bürgerstiftungen gespendet, 40.000 haben gestiftet. An Bürgerstiftungen stiften und spenden auch Genossenschaftsbanken und andere Unternehmen.

Gab es besonders erfolgreiche Jahre?

Allerdings. 2022 hat die gesamte Spendensumme an die deutschen Bürgerstiftungen zum ersten Mal die Marke von 20 Millionen Euro geknackt – es wurden rund 23 Millionen Euro gespendet. Bei den Zustiftungen hatten wir 2020 mit 40 Millionen Euro einen Höchststand. Anders als früher liegt die Summe der Spenden zurzeit höher als die der Zustiftungen.

Was macht Bürgerstiftungen grundsätzlich für Stifter und Spender attraktiv?

Ich sehe mehrere Punkte. Die wichtigsten: Bürgerstiftungen haben breite Stiftungszwecke und können Zuwendungen entsprechend vielfältig einsetzen. Deshalb können sie für viele verschiedene Anliegen die Anlaufstelle sein. Außerdem engagieren sie sich vor Ort, sozusagen vor der Tür. Wer an eine Bürgerstiftung gibt, kann sehen, was das Geld bewirkt. Schließlich überzeugen die Bürgerstiftungen auch durch ihre gute Vernetzung. Die Vorstandsmitglieder haben in der Regel viele persönliche Kontakte. Sie wissen daher, wo Geld gebraucht wird und sinnvoll eingesetzt werden kann. Das schafft Vertrauen.

Wie viele Spenden/Zustiftungen werben besonders erfolgreiche Bürgerstiftungen ein?

Die Spitzenreiter in unserem letzten Benchmark Bürgerstiftungen aus 2022 waren die Bürgerstiftung Stuttgart mit über 3 Millionen Euro an Spendeneinnahmen in dem Jahr und die Bürgerstiftung Pforzheim-Enz mit einem Zuwachs beim Stiftungskapital von rund 2,7 Millionen Euro.

„Vertrauen spielt eine zentrale Rolle“


Wie gelingt es den im Wachstum erfolgreichen Bürgerstiftungen, Stifter oder Spender zu gewinnen?

Auch hier spielt das Vertrauen eine zentrale Rolle. Bürgerstiftungen können oftmals über einen langen Zeitraum zeigen, dass auf ihre Arbeit Verlass ist und dass sie etwas bewegen. Es kommt gelegentlich sogar vor, dass jemand ihnen eine Erbschaft vermacht, die sie selbst überrascht. Hier wurden also Personen überzeugt, die vorher gar keinen direkten Kontakt zur Bürgerstiftung hatten. Dazu trägt auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit bei. Eine große Rolle spielt jedoch, wenn Bürgerstiftungen hauptamtliches Personal haben, das professionelles Fundraising betreiben kann. Das trifft natürlich besonders bei den großen Bürgerstiftungen zu.

Welche Rolle spielen Stiftungsfonds?

Eine große. 2022 gingen über 90 Prozent der Zustiftungen an Bürgerstiftungen mit Stiftungsfonds. Bei den Spenden waren es knapp 70 Prozent. Und das, obwohl nur etwa jede Dritte Bürgerstiftungen Stiftungsfonds besitzt.

Wie funktioniert denn ein Stiftungsfonds?

Wer einen Stiftungsfonds gründen will, stiftet in das Vermögen der Bürgerstiftung für einen bestimmten Zweck, gegebenenfalls mit dem eigenen Namen verbunden. Die Erträge fließen jährlich in entsprechende Projekte vor Ort. Die Bürgerstiftung übernimmt die Verwaltung des Fonds, sodass für die Stiftenden Kosten und Bürokratie minimal sind.

Welche Fundraising-Kampagne einer Bürgerstiftung war besonders erfolgreich?

Es gibt viele bemerkenswerte Kampagnen. Zum Beispiel war und ist die Kampagne „Düsseldorf setzt ein Zeichen“ der BürgerStiftung Düsseldorf ein großer Erfolg. Sie wirbt jedes Jahr mit prominenten Botschafterinnen und Botschaftern für Spenden zugunsten sozial benachteiligter Menschen in Düsseldorf. Seit 2015 sind mehr als 3 Millionen Euro zusammengekommen. Die Bürgerstiftung Kreis Ravensburg wiederum verkauft einen Bürgerstiftungswein, um ein Hospiz zu unterstützen. Die Ehrenamtlichen helfen hier sogar im Weinberg mit. Erfolgreich sind auch Patenschafts- und Freundeskreisaktionen. Immer mehr Bürgerstiftungen setzen darauf, um ihre Unterstützer so mit Dauerspendenkonzepten auch langfristig an sich zu binden.

Zum Report Bürgerstiftungen

Jonas Rugenstein ist stellvertretender Programm-Leiter Bürgerstiftungen bei der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Interview: Gudrun Sonnenberg
Foto: Werner Kissel/Stiftung Aktive Bürgerschaft

Das Interview ist Teil des Fokus Werben, geben, wirken – Spenden für den guten Zweck der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte November 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Vielfalt zählt: Die Spendenstatistik in Deutschland

863 569 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Verschiedene Statistiken erheben, wie viele Menschen in Deutschland Geld für den guten Zweck spenden, und wie hoch die Spendensumme ist. Ihr Daten sind sehr unterschiedlich. Wer an das Gute im Menschen glauben möchte, wird die Zahlen des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) mögen, denn sie sind mit Abstand die höchsten – aber Vorsicht, das gilt nur auf den ersten Blick.

Das DZI arbeitet mit Daten aus dem Sozioökonomischen Panel (SOEP), einer Langzeiterhebung mit 30.000 Befragten aus privaten Haushalten. Es erfasst Spenden in einer Höhe bis zu 30.000 Euro sowie ein relativ breites Spektrum an Zwecken. Eine Spendensumme von 12,8 Milliarden Euro errechnete das DZI damit für 2023, ein leichter Rückgang zu 2022, dem Jahr, in dem der Ukrainekrieg ausbrach und 13 Milliarden Euro in der Statistik des DZI erfasst wurden.

Deutlich anders sieht der Spendenmonitor aus, den der Deutsche Fundraising Verband veröffentlicht jedes Jahr. Er befragt online 5000 Menschen zwischen 16 und 70 Jahren und rechnete die Antworten auf lediglich 5,8 Milliarden Euro hoch. Doch sind in seiner Statistik nur Spenden bis 1500 Euro enthalten. Die beiden Organisationen haben Konsequenzen gezogen: Sie wollen künftig zusammenarbeiten und die Zahlen des DFRV sollen als Teilstatistik gekennzeichnet werden (bürgerAktiv berichtete).

Ebenfalls deutlich niedriger als die DZI-Zahlen sind die Zahlen des Deutschen Spendenrats in seiner „Bilanz des Helfens“: 5 Milliarden Euro wurden für 2023 gezählt, ein Rückgang von 12 Prozent gegenüber 2022. Der Spendenrat erfasst Spenden bis 2500 Euro von deutschen Staatsangehörigen. Er arbeitet mit dem GfK Charity Panel, für das eine repräsentative Stichprobe von 10.000 Panelteilnehmern befragt wird.
Noch viel niedriger sind die Zahlen der Finanzämter. Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik enthält jene Spenden, die von der Steuer abgesetzt werden können, bis zu einer Höhe von 20 Prozent der Einkünfte. Die Auswertungen kommen mit jahrelanger Verzögerung. Im November 2024 liegen die Zahlen für 2020 vor. In dem Jahr wurden rund 2,7 Milliarden Euro als Spenden von der Steuer abgesetzt.

Mangelware sind Zahlen zu Unternehmensspenden und Großspenden. Der Thinktank Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) veröffentlicht regelmäßig Befragungsergebnisse in seinem Unternehmensmonitor. 2022 gaben 51 Prozent der Unternehmen an, regelmäßig Geldspenden zu tätigen, 36 Prozent gelegentlich. Wie viel sie spendeten, ist nicht bekannt.

Zur DZI-Meldung für 2023
Zum DZI-Spenden-Almanach
Zum Spendenmonitor des DFRV
Zur Bilanz des Helfens des Spendenrats
Zur Lohn- und Einkommensteuerstatistik
Zum Unternehmensmonitor von ZiviZ

Text: Gudrun Sonnenberg

Dieser Beitrag ist Teil des Fokus Werben, geben, wirken – Spenden für den guten Zweck der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte November 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Fokus Oktober 2024: Soziale Innovation gestern, heute, morgen

1024 683 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Bei Innovation denken die meisten Menschen zunächst an den technischen Fortschritt. Doch es gibt auch Innovation in der sozialen Praxis. Neue Organisationsformen gehören ebenso dazu wie neue Formen gemeinsamen Wirtschaftens. Vieles, was heute selbstverständlich und traditionell erscheint, ist als soziale Innovation gestartet – Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände zum Beispiel.

Ein Treiber für soziale Innovation ist das bürgerschaftliche Engagement. In vergleichsweise großer Freiheit lassen sich hier innovative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln und ausprobieren. Die Aktive Bürgerschaft hat sich zur Aufgabe gemacht, innovativen Konzepten zum Erfolg zu verhelfen. So sind unter anderem die Bürgerstiftungen entstanden, die die Aktive Bürgerschaft von Anfang an in ihrer Entwicklung begleitet hat. Seit vielen Jahren unterstützt sie mit dem Programm sozialgenial auch Service Learning, ein spezielles Engagementkonzept für Schülerinnen und Schüler, denn es verbindet gezielt das schulische Lernen und mit dem Engagement für das Gemeinwohl.

Lesen Sie im Fokus „Soziale Innovation gestern, heute, morgen“ die folgenden Beiträge:

Lasst sie nur machen: Zivilgesellschaft als Versuchslabor für soziale Innovation und Zukunft

In einer Welt, die durch technologische Fortschritte, gesellschaftliche Veränderungen und ökologische Herausforderungen geprägt ist, wird die Rolle der Zivilgesellschaft immer wichtiger. Sie hat das Potenzial, innovative Ideen zu entwickeln, um komplexe Probleme zu lösen und diese in das Leben der Menschen zu übersetzen. Vernetzung spielt dabei eine tragende Rolle, erklärt Michael Vilain von der Evangelischen Hochschule Darmstadt.
Zum Beitrag

Soziale Innovationen gestern und heute: Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände

Als sie im 19. Jahrhundert entstanden, waren Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände innovative Akteure des sozialen Wandels. Sie boten alternative Modelle zur kapitalistischen Wirtschaftsweise und zur staatlichen Bürokratie. An der Schnittstelle von Staat, Markt und Gemeinschaft ermöglichten sie es den Menschen, ihre ökonomische und soziale Situation eigenverantwortlich zu verbessern. Ein historischer Abriss der Verwaltungswissenschaftlerin Tanja Klenk.
Zum Beitrag

Stiftung Aktive Bürgerschaft: Warum uns soziale Innovationen bewegen

Gutes besser tun! Wir machen innovative Engagementkonzepte praxistauglich und setzen sie mit Partnern bundes- oder landesweit um. Im Sinne dieses Leitmotivs gibt die Aktive Bürgerschaft Impulse für die Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft. Sie fördert die Bürgerstiftungen in Deutschland und sie fördert Service Learning an den weiterführenden Schulen in Deutschland. Wie innovativ beide Ansätze sind, erläutert Stefan Nährlich von der Stiftung Aktive Bürgerschaft.
Zum Beitrag

„Ehrenamt ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Soziale Innovation“

Zarah Bruhn, die Beauftragte für Soziale Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung, setzt sich für mehr Förderung sozialer Innovation ein, etwa für besseren Zugang zu Wagniskapital. Dabei habe sie neben den Sozialunternehmen auch andere Akteure wie die Bürgerstiftungen im Blick, sagt sie im Interview mit bürgerAktiv.
Zum Interview

Mehr zum Thema

Kommentar: Bürgerstiftungen und soziale Innovation:
Häufig wird derzeit über soziale Innovation gesprochen. Warum eigentlich fällt in diesem Zusammenhang nie der Begriff der Bürgerstiftung, fragt Stefan Nährlich von der Stiftung Aktive Bürgerschaft.
Zum Kommentar

Foto: Priscilla du Preez / unsplash.com

Lasst sie nur machen: Zivilgesellschaft als Versuchslabor für soziale Innovation und Zukunft

1024 774 Stiftung Aktive Bürgerschaft

In einer Welt, die durch technologische Fortschritte, gesellschaftliche Veränderungen und ökologische Herausforderungen geprägt ist, wird die Rolle der Zivilgesellschaft immer wichtiger. Sie hat das Potenzial, innovative Ideen zu entwickeln, um komplexe Probleme zu lösen und diese in das Leben der Menschen zu übersetzen. Vernetzung spielt dabei eine tragende Rolle.

Von Michael Vilain

Natürlich gibt es nicht nur die eine, homogene Zivilgesellschaft. Vielfalt ist für sie ein geradezu bestimmendes Wesensmerkmal. Die Zivilgesellschaft versammelt viele Akteure, darunter Nonprofit-Organisationen (NPO) wie Vereine und Verbände, soziale Unternehmen, Initiativen, (Bürger-)Stiftungen, aber auch spontan organisierte Gruppen. Sie alle bringen ihre unterschiedlichen Perspektiven, Denkansätze und Ressourcen in die Lösung gesellschaftlicher Probleme ein.

Ihre Stärke liegt einerseits in der Nähe zur Bevölkerung, dem Verständnis für lokale Bedürfnisse und der Fähigkeit, schnell und flexibel zu handeln. Andererseits unterstützen große Verbände wie etwa die Wohlfahrtsverbände, aber auch Berufs- und Fachverbände die Übersetzung der Interessen der Menschen in die Politik. Sie kooperieren mit der Politik auf allen Ebenen, erbringen mitunter Dienstleistungen für die Gesellschaft, sind Schrittmacher und üben Druck auf die Politik aus. Zivilgesellschaft fördert Partizipation, Bildung und Netzwerke, in denen sich neue soziale Praktiken rasant verbreiten können – am liebsten ganz ohne staatliche Steuerungsversuche. Und vor allem ist Zivilgesellschaft auch ein großes Versuchslabor für „…neue Ideen, die darauf abzielen, soziale Bedürfnisse zu erfüllen und neue Beziehungen oder Kooperationen zwischen Bürgern, Gemeinschaften und Organisationen zu schaffen“ (Europäische Kommission).

Ohne Praxis keine Innovation

Allerdings reicht, entgegen landläufiger Stammtischmeinung, die Idee allein nicht aus, um zu einer sozialen Innovation zu führen. Denn sie muss auch in eine gelebte soziale Praxis überführt werden. Logisch also, dass es zwar viele Ideen zur Lösung sozialer Probleme gibt, die Zahl der realen Umsetzungsversuche jedoch bereits deutlich geringer ist und die echten Erfolge noch seltener sind. Hinzu kommt, dass es auf soziale Innovationen kaum Patente gibt, neue Ideen schnell kopiert werden können und dann der kommerzielle Nutzen ausbleibt. Das spüren viele der sogenannten Social Entrepreneurs, Mischformen aus unternehmerischer und karikativer Organisation, die in den letzten Jahren vermehrt antreten, um nicht nur soziale Probleme zu lösen, sondern mit diesen Aktivitäten auch selbst ein Einkommen zu erzielen. Das gelingt leider nicht oft.

Der Antrieb für soziale Innovation ist entsprechend selten ein reines Gewinnstreben. Er stammt meist auch nicht aus einer politisch verordneten Förderumwelt. Er liegt vielmehr im einzelnen Menschen begründet und in dessen Spannungsverhältnis zwischen den wahrgenommenen sozialen und gesellschaftlichen Zuständen und dem Wunsch nach Veränderung. Solche Spannungen gibt es satt. Viele soziale Probleme spitzen sich zu, beispielsweise Wohnungslosigkeit, Gentrifizierung der Städte, Verteuerung des täglichen Lebens, Klimakrise, Ausweitung der Staatstätigkeit, Migration und Integration, Abstiegsängste der Mittelschichten. Gleichzeitig wächst die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und schwindet das Vertrauen in angestammte Institutionen.

Der Nährboden ist bereitet

Anders gesagt: Es ist genug Dampf im Kessel – der Nährboden für soziale Innovationen ist bereitet. Ihr Antriebsriemen sind die finanziellen, technischen und kommunikativen Möglichkeiten der jeweiligen Zeit. Handlungsfelder sind dabei unter anderen:

  • Digitale Lösungen: Die Digitalisierung bietet zahlreiche Möglichkeiten für soziale Innovationen. Plattformen für den Austausch von Dienstleistungen, Nachbarschaftshilfe oder Peer-to-Peer-Learning sind Beispiele dafür, wie Technologie genutzt werden kann, um soziale Interaktionen zu fördern. In Zukunft könnten solche digitalen Plattformen noch mehr Raum für Bürgerengagement schaffen und lokale Gemeinschaften stärken.
  • Nachhaltige Entwicklung: Angesichts der Klimakrise wird die Entwicklung nachhaltiger Lösungen immer wichtiger. Soziale Innovationen könnten sich darauf konzentrieren, umweltfreundliche Praktiken in den Alltag zu integrieren, etwa durch gemeinschaftliche Projekte wie Urban Gardening oder lokale Tauschbörsen, aber auch durch die Sicherung der Akzeptanz für nachhaltiges Handeln in allen Lebensbereichen. Diese Initiativen fördern nicht nur die Umwelt, sondern stärken auch den sozialen Zusammenhalt.
  • Inklusive Gesellschaft: Die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft ist eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit. Soziale Innovationen, die darauf abzielen, marginalisierte Gruppen einzubeziehen, könnten neue Programme zur beruflichen Bildung oder zur sozialen Integration entwickeln. Projekte, die Flüchtlingen und Migranten helfen, sich in die Gesellschaft einzugliedern, werden zunehmend an Bedeutung gewinnen.
  • Politikalternativen: In vielen Staaten weltweit lassen sich die Entstehung neuer politischer Gruppierungen und Parteien beobachten, viele davon als Form des Protests gegen etablierte Strukturen und deren als mangelhaft wahrgenommene Problemlösungsfähigkeit. Grundlage sind dabei nicht selten neuartige Kommunikationsstile und netzwerkartige Kommunikationsstrukturen, die es mitunter auch vermögen, zuvor isolierte Gruppen miteinander zielgerichtet zu verbinden.

Um Innovationen erfolgreich umzusetzen und zu verbreiten, ist eine starke Vernetzung innerhalb der Zivilgesellschaft unerlässlich. Kooperationen zwischen verschiedenen Akteuren – sei es zwischen NPOs, Unternehmen, Kirchen, Schulen oder Kommunen und Ministerien – können das Entstehen und die Wirksamkeit sozialer Innovationen erhöhen. Netzwerke ermöglichen auch den Austausch bewährter Praktiken und fördern die Verbreitung erfolgreicher Lösungen.

Fazit

Auch wenn der Fokus vieler öffentlicher Debatten derzeit auf der Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Staat liegen, wird deutlich, dass die Zukunft unseres Landes letztlich davon abhängt, ob und wie es gelingen wird, die Erfordernisse einer modernen und nachhaltigen Welt auch in gelebte und akzeptierte soziale Praxis zu verwandeln. Dazu braucht es künftig mehr denn je soziale Innovationen – und Zivilgesellschaft.

Prof. Dr. phil. Michael Vilain ist Vizepräsident für Forschung und Internationales der Evangelischen Hochschule Darmstadt, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Zukunftsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft (IZGS) und Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Foto: Jörg Meisinger

Dieser Beitrag ist Teil des FOKUS SOZIALE INNOVATION GESTERN, HEUTE, MORGEN der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte Oktober 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Soziale Innovationen gestern und heute: Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände

1024 706 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Als sie im 19. Jahrhundert entstanden, waren Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände innovative Akteure des sozialen Wandels. Sie boten alternative Modelle zur kapitalistischen Wirtschaftsweise und zur staatlichen Bürokratie. An der Schnittstelle von Staat, Markt und Gemeinschaft ermöglichten sie es den Menschen, ihre ökonomische und soziale Situation eigenverantwortlich zu verbessern.

Von Tanja Klenk

Was sind soziale Innovationen?

Soziale Innovationen sind Veränderungen in sozialen Praktiken, die darauf abzielen, gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen oder neue, bessere Wege des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens zu schaffen. Das können neue Organisationsformen und Geschäftsmodelle sein, neue soziale Bewegungen oder politische Strategien. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur technischen Fortschritt bedeuten, sondern auch soziale Beziehungen, Verhaltensweisen und institutionelle Strukturen nachhaltig beeinflussen.

Klassische Beispiele für soziale Innovationen sind Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände. Beide Organisationstypen entstanden im 19. Jahrhundert als Reaktion auf die sozialen Missstände der Industriellen Revolution. Viele Menschen litten unter schlechten Arbeitsbedingungen, hatten nur unzureichenden Zugang zu wichtigen Ressourcen wie Krediten, Wohnraum oder landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die soziale Absicherung im Falle von Krankheit und Invalidität reichte nicht aus. Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände bildeten sich damals als neue gesellschaftliche Ordnungsformen heraus.

Sie können als soziale Innovationen betrachtet werden, weil sie alternative Modelle boten zu den beiden dominanten gesellschaftlichen Ordnungsformen ihrer Zeit – der kapitalistischen Wirtschaftsweise und der sich im Zuge der Nationalstaatsbildung entwickelnden staatlichen Bürokratie. Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände positionierten sich an der Schnittstelle von Staat, Markt und Gemeinschaft und ermöglichten es den Menschen, ihre ökonomische und soziale Situation eigenverantwortlich zu verbessern. Während sie im Unterschied zur kapitalistischen Wirtschaftsweise das Prinzip der kollektiven Verantwortung betonten, setzten sie im Verhältnis zum Staat auf Eigenverantwortung und Subsidiarität.

Die beiden Beispiele zeigen, dass soziale Innovationen nicht zwingend als eine bahnbrechende, völlig neue Erfindung zu verstehen sind, sondern sich durch eine innovative Neuordnung bestehender gesellschaftlicher Strukturen entwickeln können. Das Wirtschaften – das heißt, die Produktion von Gütern und die Erbringung von (sozialen) Dienstleistungen – wird mit demokratischen Entscheidungsformen wie kollektiven Versammlungen, Konsens- oder Kompromissbildung, Mehrheitsentscheidungen und Wahlen so zusammengeführt, dass hybride Organisationsformen entstehen.

Hybride Organisationsformen: Katalysatoren für soziale Innovationen

An Genossenschaften und Wohlfahrtsverbänden ist besonders interessant, dass sie nicht nur das Ergebnis sozialer Innovationen sind, sondern gleichzeitig weitere innovative Lösungen entwickeln und verbreiten. Als hybride Organisationen sind sie Agenten des sozialen Wandels: Sie bringen Akteure aus unterschiedlichen Bereichen zusammen und fördern dadurch den Austausch und die Vernetzung verschiedener Perspektiven und Kompetenzen. Indem sie staatliche, zivilgesellschaftliche und marktwirtschaftliche Partner einbinden, überwinden sie sektorale Grenzen und können komplexe gesellschaftliche Herausforderungen ganzheitlich adressieren. Diese Interaktion ermöglicht es, innovative Lösungsansätze zu entwickeln, die aus den traditionellen Strukturen der einzelnen Sektoren nicht hervorgegangen wären.

Gesellschaft in der Polykrise: Die Rolle von sozialen Innovationen

Durch ihre Fähigkeit, Dienstleistungen an neue soziale Bedürfnisse anzupassen und innovative Lösungen für die Herausforderungen ihrer jeweiligen Zeit zu entwickeln, sind hybride Organisationen wie Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände nicht nur von historischem Interesse. Auch in der heutigen Situation, die durch das Zusammentreffen mehrerer sich wechselseitig verstärkender Krisen – die sogenannte Polykrise – gekennzeichnet ist, können sie eine wichtige Rolle bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen spielen und dazu beitragen, die Gesellschaft resilienter zu gestalten.

Eine Gesellschaft wird resilient nicht durch das Festhalten an alten Strukturen, sondern durch ihre Fähigkeit, Krisensituationen als Chancen für soziale Innovationen zu nutzen. Das zeigen viele Studien zum Krisenmanagement. Herausforderungen wie die sozial-ökologische Transformation, die Digitalisierung der Gesellschaft, der demografische Wandel und die Integration von Menschen auf der Flucht lassen sich kaum ohne die Ideen und Ansätze jener Organisationen, die zwischen Markt, Staat und Zivilgesellschaft agieren, bewältigen. Diese Organisationen sind es, die Kompromisse schaffen zwischen divergierenden Steuerungsformen und innovative Lösungen entwickeln, um gesellschaftliche Herausforderungen umfassend anzugehen.

Freiräume müssen erhalten bleiben

Damit aber hybride Organisationen Sozialinnovationen entwickeln und neue Lösungen erproben können, müssen sie die Fähigkeit besitzen, tatsächlich flexibel im Spannungsfeld zwischen Markt, Staat und Zivilgesellschaft zu agieren. Die Geschichte zeigt, dass die Aufrechterhaltung einer hybriden Struktur ein permanenter Balanceakt ist, der leicht aus dem Gleichgewicht geraten kann. Ein wesentlicher bestimmender Faktor sind die Rahmenbedingungen, die der Staat durch regulative Vorgaben und Förderpolitik setzt. So stehen Wohlfahrtsverbände aufgrund der Sozialstaatsreformen der vergangenen Jahre unter einem erheblichen Effizienz- und Wettbewerbsdruck und haben hohe bürokratische Lasten, die durch die Regulierung der sogenannten Wohlfahrtsmärkte entstehen. Infolgedessen verschwimmt die spezifische Differenz dieses Organisationstypus sowohl zu unternehmerischen wie auch zu behördlichen Strukturen immer mehr – und damit auch die Autonomie dieser Organisationen, die für die Entwicklung und Umsetzung sozialer Innovationen notwendig ist.

Für die Förderung sozialer Innovationen bedeutet dies, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet werden müssen, dass hybride Organisationen genügend Spielraum für kreative Lösungen und innovative Ansätze haben. Hierfür ist es entscheidend, dass Bürokratieabbau und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Regulierung und Eigenverantwortung die Handlungsfähigkeit dieser Organisationen stärken. Insbesondere sollten Anreizstrukturen geschaffen werden, die die Nutzung von Innovationspotenzialen fördern, ohne dabei die gemeinwohlorientierte Mission durch übermäßige Effizienzvorgaben zu gefährden. Darüber hinaus müssen staatliche Förderinstrumente und Regularien so angepasst werden, dass sie die spezifischen Bedürfnisse hybrider Organisationen berücksichtigen.

Nur wenn hybride Organisationen sowohl die Unterstützung staatlicher Akteure als auch die Freiräume zur eigenständigen Entfaltung erhalten, können sie ihre Rolle als wichtige Treiber sozialer Innovationen voll ausschöpfen und nachhaltig zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen.

Prof. Dr. Tanja Klenk ist Professorin für Verwaltungswissenschaften an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg und Stiftungsrätin der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Foto: Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr

Dieser Beitrag ist Teil des FOKUS SOZIALE INNOVATION GESTERN, HEUTE, MORGEN der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte Oktober 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Stiftung Aktive Bürgerschaft: Warum uns soziale Innovationen bewegen

1024 576 Stiftung Aktive Bürgerschaft

„Gutes besser tun! Wir machen innovative Engagementkonzepte praxistauglich und setzen sie mit Partnern bundes- oder landesweit um.“ Das ist das Leitmotiv der Stiftung Aktive Bürgerschaft und in diesem Sinne will sie mit ihrer Arbeit Impulse für die Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft geben. Die Aktive Bürgerschaft realisiert ihren Anspruch mit zwei Programmenbereichen: Sie fördert die Bürgerstiftungen in Deutschland und sie fördert Service Learning an den weiterführenden Schulen in Deutschland. Wie innovativ beide Ansätze sind, erläutert Stefan Nährlich von der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Übrigens: Die Gründung der Aktiven Bürgerschaft als Kompetenzzentrum für Bürgerengagement der Genossenschaftlichen Finanzgruppe war seinerzeit ebenfalls neuartig.

Von Stefan Nährlich

Bürgerstiftungen

Die Bürgerstiftungen sind eine neue Idee für ein altes Stiftungsproblem: die oft enge Zweckbindung einer Stiftung und einen oft nicht mehr zeitgemäß umsetzbaren Stifterwillen. Für den amerikanischen Bankier und Rechtsanwalt Frederick Goff war diese „dead hand of the past“ im Jahr 1914 der Anlass zur Entwicklung und Gründung der weltweit ersten Bürgerstiftung – Community Foundation – in den USA.

Goff legte den Grundstein für die Verbindung von Vereins- und Stiftungselementen mit der neuen Organisationsform, die weltweit in unterschiedlichen Varianten Nachahmer fand. In der Bürgerstiftung sichert eine Vielzahl von Stiftungszwecken die Flexibilität für die Zukunft. Unabhängige, engagierte und kompetente Bürgerinnen und Bürger in den Gremien und Projekten sorgen für eine zeitgemäße und wirkungsvolle Mittelverwendung.

Erst 1996/1997 kam die Idee der Bürgerstiftung nach Deutschland. Akteure wie die Aktive Bürgerschaft haben dazu beigetragen, dass bis heute an mehr als 420 Orten Bürgerstiftungen gegründet wurden – eine erfolgreiche Skalierung.

In Deutschland mit seiner staatsnahen Tradition bürgerschaftlichen Engagements stellen die Bürgerstiftungen noch eine weitere soziale Innovation dar: ohne irgendein Bundesmodellprogramm, sondern aus der Praxis vor Ort heraus, sind privat getragene Strukturen entstanden, die inzwischen mehr als 400.000 Menschen für ihr Engagement genutzt haben. Über eine halbe Milliarde Euro haben die Bürgerstiftungen mittlerweile als Stiftungsvermögen gebildet und verfügen damit über, wie wir es gerne nennen, zivilgesellschaftliches Eigenkapital, das es erlaubt, eine eigenständige Agenda zu verfolgen.

Service Learning

Schulisches Wissen direkt anwenden, dabei Neues lernen, sich als wirkmächtig erfahren und Gutes tun: Im Schulalltag ist das ein schöner Traum – Service Learning ermöglicht, ihn wahr werden zu lassen. Denn es ist eine Lehr- und Lernmethode, die schulischen Unterricht (oder Lehrveranstaltungen an Hochschulen) mit ehrenamtlichem Engagement für das Gemeinwohl verbindet – gerade auch in Projekten bei oder mit Vereinen, sozialen Einrichtungen und anderen außerschulischen Partnern.

Das fördert einerseits die bessere Vermittlung von Lehrinhalten und die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen. Anderseits sehen wir darin die Lösung für die in Deutschland schwieriger werdende Gewinnung ehrenamtlich Engagierter: deren Anzahl steigt nicht und es gibt bei ihnen einen deutlichen Mittelschichts-Bias, wie die Freiwilligensurveys zeigen. Maßnahmen der gemeinnützigen Organisationen und staatliche Kampagnen erreichen oft nur diejenigen Menschen, die bereits über den Familien- und Freundeskreis Berührungen mit bürgerschaftlichem Engagement haben.

In Schulen dagegen erreichen Service-Learning-Projekte junge Menschen herkunftsunabhängig und frühzeitig. Auch das ist wichtig, bevor sich andere Präferenzen bilden, womit sie sich im späteren Leben beschäftigen.

Service-Learning-Projekte lassen Engagement für eine Vielzahl von gesellschaftlichen Themen zu und sind mit nahezu allen Fächern und Lehrplänen verknüpfbar. Bisher haben sich in dem Service-Learning-Programm sozialgenial unserer Stiftung über 160.000 Schülerinnen und Schüler engagiert. Von anfangs einigen wenigen Schulen in Münster ist uns die Skalierung auf über 1000 Schulen in vier Bundesländern gelungen. Ab diesem Schuljahr 2024/25 bieten wir sozialgenial den weiterführenden Schulen bundesweit an, wobei uns neben der DZ BANK und regionalen Genossenschaftsbanken auch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt finanziell unterstützt.

Die Aktive Bürgerschaft

Im Jahr 1997 wurde mit der Gründung der Aktiven Bürgerschaft selbst Neuland in Deutschland betreten: Es entstand eine gemeinnützige Organisation, die bundesweit bürgerschaftliches Engagement fördert und von einer Bankengruppe getragen wird. Dies korrespondierte mit der Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements hin zu einer Gesellschaft mitgestaltender aktiver Bürgerinnen und Bürger. Den Initiatoren der Aktiven Bürgerschaft ging es dabei auch darum, gemeinnützige Organisationen zu unterstützen, die dem Engagement Nachhaltigkeit verleihen, und um Strukturen, die individuelles Engagement fördern und stärken.

Indem Volksbanken und Raiffeisenbanken sich als Stifter und Partner der Aktiven Bürgerschaft engagieren, knüpfen sie auch an ihr eigenes Selbstverständnis als soziale Innovatoren an: Genossenschaftsbanken trugen während der industriellen Revolution durch Kooperation und Hilfe zur Selbsthilfe maßgeblich dazu bei, die wirtschaftlichen Not der Menschen zu lindern und Wohlstand für breite Bevölkerungsschichte zu ermöglichen.

Dr. Stefan Nährlich ist Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Foto: Werner Kissel/Stiftung Aktive Bürgerschaft

Dieser Beitrag ist Teil des FOKUS SOZIALE INNOVATION GESTERN, HEUTE, MORGEN der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte Oktober 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

„Ehrenamt ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Soziale Innovation“

1024 576 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Zarah Bruhn, die Beauftragte für Soziale Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung, setzt sich für mehr Förderung sozialer Innovation ein, etwa für besseren Zugang zu Wagniskapital. Dabei habe sie neben den Sozialunternehmen auch andere Akteure wie die Bürgerstiftungen im Blick, sagt sie im Interview mit bürgerAktiv.

Womit befassen Sie sich als Beauftragte der Bundesregierung für Soziale Innovation zurzeit vor allem?

Mein Ziel ist es vor allem, gute Rahmenbedingungen zu erreichen und bestehende Hürden abzubauen – für alle Akteurinnen und Akteure, die Soziale Innovationen hervorbringen und umsetzen. Dabei kann ich meine Erfahrungen einbringen aus der Zeit vor etwa acht Jahren, als ich mein Sozialunternehmen socialbee gegründet und keine Gründungsunterstützung bekommen habe. Weder war das Thema bekannt, noch gab es gezielte Förderprogramme – und auf die klassischen Start-Up Programme konnte ich mich mit unserer gGmbH nicht bewerben. Hier ist Deutschland unter anderem mit der ersten nationalen Strategie der Bundesregierung zur Förderung Sozialer Innovationen schon einen entscheidenden Schritt weiter. Das freut mich schon sehr. Trotzdem sind zur Umsetzung natürlich auch dicke Bretter zu bohren, um die Finanzierung zu verbessern oder den Zugang zu Wagniskapital zu erleichtern.

Die Währung von Sozialen Innovationen ist ihre Wirkung. Daher versuche ich überall, wo es möglich ist, die Opportunitätskosten und den Social Return on Investment zu verdeutlichen. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) setzt sich für die Erforschung der Wirkungsmessung ein. Ein erstes Praxishandbuch liegt schon vor – herausgegeben von der Ludwig-Maximilian-Universität München und der Universität Hamburg. Vielleicht ist das auch ein hilfreiches Tool für Bürgerstiftungen. Es ist online abrufbar und auf der zentralen Anlaufstelle sigu-plattform.de verlinkt, die das BMBF und Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördern. Diese Plattform ist natürlich auch für die Bürgerstiftungen da.

In welchen gesellschaftlichen Bereichen werden aus ihrer Sicht Soziale Innovationen am dringendsten gebraucht?

Eigentlich in allen Bereichen. Ich bin froh, dass viele Sozialunternehmen sich auf innovative Weise der Integration von Geflüchteten widmen – oder MigrantInnen zu dringend benötigten Fachkräften qualifizieren und bei der Jobvermittlung unterstützen. Weitere Akteure, so auch die zahlreichen Bürgerstiftungen, setzen sich für Partizipation, Vielfalt, Toleranz und Demokratie und Zusammenhalt ein. Ebenso brauchen wir Soziale Innovationen für die Inklusion, zur Krisenprävention, für mehr Bildungschancen, für die MINT-Bildung und die Bildung für nachhaltige Entwicklung, für die Bewältigung des Klimawandels und vieles mehr.

Bürgerstiftungen spielen in der Regierungsstrategie Soziale Innovationen keine Rolle. Sind Bürgerstiftungen nicht innovativ?

Bürgerstiftungen sind selbst schon eine Soziale Innovation in sich. Sie unterstützen dabei, gesellschaftliche Innovationen vor Ort zu realisieren und geben wichtige Impulse für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft.

Unsere Regierungsstrategie bezieht alle sozial-innovativen Akteurinnen und Akteure aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mit ein – wir denken akteursoffen und nicht in Rechtsformen. So können auch die Bürgerstiftungen in den Genuss einer Förderung durch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) kommen, die unter anderem Innovationen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamts, insbesondere digitale Innovationen fördert.

Welche Rolle kann aus Ihrer Sicht das ehrenamtliche Engagement für die Entwicklung Sozialer Innovationen spielen?

Ohne ehrenamtliches Engagement wäre unsere Gesellschaft so viel ärmer. Es ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Soziale Innovationen. Viele sozial-innovative Projekte haben mehr ehrenamtliche als hauptamtliche Mitarbeitende. Ehrenamtlich Engagierte bringen – sehr häufig auch in Bürgerstiftungen – ihre Zeit, ihr Geld und ihre Ideen ein. Daher möchte ich dieses Interview zugleich nutzen, um hier schwarz auf weiß und aus vollem Herzen DANKE zu sagen und meine Anerkennung zu zollen.

Zarah Bruhn ist Sozialunternehmerin und seit 2022 Beauftragte für Soziale Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Foto: Hans Joachim Rickel / BMBF

Das Interview ist Teil des Fokus Soziale Innovation gestern, heute, morgen der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte Oktober 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Fokus September 2024: Engagiert für die Zukunft – Wie Bürgerstiftungen wachsen

1024 624 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Vermögen aufzubauen, gehört zu den wesentlichen Merkmalen einer Bürgerstiftung. Denn finanzielle Unabhängigkeit ist wichtig, um eigene Ideen zu verwirklichen, sich für die Demokratie einzusetzen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern einen starken Rückhalt zu geben.

Im bürgerAktiv Magazin 2024/25 über Bürgerstiftungen widmet sich die Stiftung Aktive Bürgerschaft unter anderem der Frage, wie das Wachstum gelingen kann, und stellt fest: Die in vielen Fällen erfolgsträchtigste Strategie sind Stiftungsfonds, namens- oder zweckgebundene Zustiftungen in das Grundstockkapital der Bürgerstiftung.

Wie Stiftungsfonds funktionieren und warum sie so gut sind, lesen Sie im Fokus „Engagiert für die Zukunft – Wie Bürgerstiftungen wachsen“ mit diesen Beiträgen aus dem bürgerAktiv Magazin und mehr:

Der Königsweg

Von der Rettungsaktion bis zur Vermögensverwaltung: Stiftungsfonds ermöglichen Stifterinnen und Stiftern sich ohne bürokratischen Aufwand zu engagieren – und die Bürgerstiftung kann damit wachsen. Fünf Bürgerstiftungen erzählen, wie sie zu ihren Stiftungsfonds kamen und welche Weichen sie für die Zukunft gestellt haben.
Zum Beitrag

Chancen nutzen

Je größer ihr Kapital ist, desto nachhaltiger und unabhängiger kann eine Bürgerstiftung mitgestalten. Warum wachsen dann nicht alle Bürgerstiftungen? Die Aktive Bürgerschaft hat die Gründe in einer Umfrage ermittelt – mit klaren Ergebnissen. Eine Analyse von Stefan Nährlich und Jonas Rugenstein.
Zum Beitrag

Die Strategie

Mit Stiftungsfonds können Bürgerstiftungen zweierlei: sofort mehr bewirken ebenso wie langfristig wachsen und tragfähige Strukturen aufbauen. Warum die Aktive Bürgerschaft den Bürgerstiftungen die Stiftungsfonds so nachdrücklich empfiehlt, erläutert Bernadette Hellmann.
Zum Beitrag

Musik, Frieden, Medienkompetenz

Immer mehr Stifterinnen und Stifter setzen auf Stiftungsfonds bei Bürgerstiftungen, um ihre Ideen zu verwirklichen. Dabei können sie sich ganz auf ihr Engagement konzentrieren, denn die Bürgerstiftung übernimmt die Verwaltung. Vier Beispiele zeigen, wie Stifter diese Möglichkeit nutzen.
Zum Beitrag

Mit Stiftungsfonds Stifter gewinnen: Angebote und Unterstützung

Dem Geld darf man nicht nachlaufen: Man muss ihm entgegengehen. Die Aktive Bürgerschaft hilft Bürgerstiftungen bei der Entwicklung ihres Angebots für Stiftungsfonds mit Weiterbildung, Beratung und Vernetzung.
Zum Beitrag

Mehr zum Thema

Bürgerstiftungen in Zahlen – aktuelle Daten und Finanzkennzahlen aus dem Report Bürgerstiftungen
Zu den Zahlen

Bernadette Hellmann über die historische Entwicklung von amerikanischen Bürgerstiftungen und ihren Stiftungsfonds: 100 JAHRE CLEVELAND FOUNDATION. Wie Bürgerstiftungen im Wandel der Zeit ihrer Idee treu bleiben, erschienen in Stiftung&Sponsoring 1|2014
Zum Beitrag

Engagiert für die Zukunft – das bürgerAktiv Magazin 2024 über Bürgerstiftungen
Zum Magazin

Foto: Sebastian Petersen

Der Königsweg

1024 640 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Von der Rettungsaktion bis zur Vermögensverwaltung: Stiftungsfonds ermöglichen Engagement und die Bürgerstiftung kann dabei wachsen.

Stiftungsfonds sind Zustiftungen in das Grundstockkapital einer Bürgerstiftung. Für Stifterinnen und Stifter stellen sie ein attraktives Angebot dar: Mit minimalem Aufwand und Kosten können sie unter dem Dach und mithilfe der Bürgerstiftung ihre Projekte umsetzen und dem Fonds einen eigenen Namen oder Zweck geben. Die Bürgerstiftung profitiert wiederum vom Zuwachs beim Kapital. Fünf Beispiele:

Laupheimer Bürgerstiftung: Rettungsaktion mit Zulegung als Stiftungsfonds

Zwar sind 150.000 Euro viel Geld, doch die Kapitalerträge in dieser Größenordnung sind bescheiden, zumal in der Niedrigzinsphase. Das mussten die Vorstände der Stiftung zur Förderung des Museums für Christen und Juden in Laupheim feststellen. Sie war, wie der Name sagt, errichtet worden, um das Museum zu fördern, konnte jedoch diesem Zweck kaum noch nachkommen, weil die ohnehin zu niedrigen Erträge aus der Vermögensanlage von den Kosten für die Verwaltung der Stiftung aufgefressen wurden.

Die Lösung: Die Stiftung wurde als zweckgebundener Stiftungsfonds der Laupheimer Bürgerstiftung zugelegt. Dort war man vorbereitet, sagt ihr Vorstand Christian Striebel: „Wir hatten Stiftungsfonds nach einer Qualifizierung bei der Aktiven Bürgerschaft schon im Blick.“

Bis zur Überweisung des Kapitals zum Jahreswechsel 2022/23 an die Bürgerstiftung dauerte es ein Jahr – die Zulegung war auch für die Beteiligten im Regierungspräsidium und beim Finanzamt ein ungewohnter Prozess. Seither entfallen die Verwaltungskosten, und so können Projekte zur Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde in Laupheim weiter unterstützt werden. Involviert ist dabei weiterhin der Freundeskreis des Museums, ein seit Jahren aktiver Verein. Die Bürgerstiftung verwaltet das Vermögen, das sie zusammen mit dem Stiftungskapital der Bürgerstiftung anlegt. Insgesamt beträgt ihr Stiftungskapital jetzt rund 1,6 Millionen Euro. Die Bürgerstiftung will weitere Stiftungsfonds einwerben. Neben der Zulegung weiterer kleinerer Stiftungen sieht sie dabei vor allem beim Thema Erbschaften/Nachlässe Potenzial: „Über einen Stiftungsfonds kann der Erblasser in Abstimmung mit uns auch thematische Förderschwerpunkte setzen und so auch über seinen Tod hinaus noch Gutes in unserer Region bewirken.“

Bürgerstiftung Dresden: Vermögensaufbau als Schwerpunkt

Von den Community Foundations in den USA inspiriert, setzte die Bürgerstiftung Dresden schon Ende der 1990er-Jahre auf den Vermögensaufbau. Es habe ein paar Jahre gedauert, bis die Sache in Schwung kam, sagt Vorstandsmitglied Winfried Ripp. „Die erste Million ist immer die schwerste! Aber schließlich haben sich unsere Fonds herumgesprochen.“ Es begann ein enormes Wachstum. Immer mehr Stifterinnen und Stifter vertrauten der Bürgerstiftung ihre Stiftungen an. Heute hat sie ein Vermögen von mehr als 40 Millionen Euro. Drei Viertel davon sind Fremdkapital: Treuhandstiftungen, rechtsfähige Stiftungen – und auch 35 Stiftungsfonds mit zusammen rund 6,5 Millionen Euro Vermögen. „Je mehr Vermögen wir verwalten, desto bessere Konditionen bekommen wir bei der Anlage“, sagt Ripp. Die Bürgerstiftung ist mit 23 hauptamtlichen Mitarbeitenden entsprechend professionell aufgestellt, allerdings gehe die meiste Manpower in maßgeschneiderte Konzepte für Projekte, so Ripp.

„Die Stiftungsfonds sind optimal, denn es entstehen keine Verwaltungskosten“, findet er inzwischen. So fließt mehr Geld in die Verwirklichung der Stiftungszwecke. Die Bürgerstiftung wandele daher aktiv Treuhandstiftungen in Stiftungsfonds um, zehn Umwandlungen gab es bereits. Es hänge von der Aktivität der Stiftenden ab, was sinnvoll sei. Ripp nennt als Beispiel die Treuhandstiftung Musik in Sachsen mit dem prominenten Trompeter Ludwig Güttler: „Hier sind die Stifter sehr aktiv, die Gremien funktionieren. Da erübrigt sich die Nachfrage nach einer Umwandlung.“ Wenn dagegen die Stiftenden weniger Zeit investieren können, eigne sich ein Stiftungsfonds besser.

Bürgerstiftung Hellweg-Region: Treuhand versus Stiftungsfonds – Korrekturbedarf

Zwölf Stiftungsfonds und 17 Treuhandstiftungen: So sieht derzeit das Verhältnis bei der Bürgerstiftung Hellweg-Region aus. Die Bürgerstiftung würde es gerne noch weiter in Richtung Stiftungsfonds verschieben und Treuhandstiftungen in Stiftungsfonds umwandeln, um Notlagen aufgrund mangelnder Erträge und höherer Verwaltungskosten zu verhindern.

Als Knackpunkt hat sich bei der ersten Umwandlung das Abtreten der Entscheidungsbefugnisse an die Bürgerstiftung erwiesen, berichtet Stephanie Hackelsberger, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung. Mit einem Gremium der Stiftenden, deren Vorschläge die Bürgerstiftung gerne berücksichtigt, ließen sich die Sorgen auflösen. „Das haben wir auch mit der Aufsichtsbehörde besprochen“, sagt Hackelsberger.

Neue Stiftungsfonds nimmt die Bürgerstiftung unter ihrem Dach auf, wenn mindestens 5000 Euro gestiftet und weitere Zuwendungen in Aussicht gestellt werden. Die Untergrenze für Treuhandstiftungen liegt bei 25.000 Euro, sie soll aber erhöht werden, um künftig ein stabileres Verhältnis von Kosten und Erträgen zu gewährleisten. Das Vermögen der Bürgerstiftung liegt bei neun Millionen Euro, fünf Millionen davon machen die Treuhandstiftungen aus, eine Million die Stiftungsfonds.

Stiftung Bürger für Leipzig: Der Stiftungsfonds ermöglicht einen Sprung

Die Stiftung Bürger für Leipzig, wie die Bürgerstiftung in Leipzig heißt, sieht zwar ihre Projektarbeit im Vordergrund und wirbt Spenden ein. Dennoch beschäftigt man sich auch hier mit Stiftungsfonds. „Wir haben in der Weiterbildung der Stiftung Aktive Bürgerschaft verstanden, dass wir dafür selbst aktiv werden müssen“, sagt die Geschäftsführende Vorständin der Bürgerstiftung, Angelika Kell.

Man erstellte Informationen für die Website, plante Veranstaltungen. Dann meldete sich das Ehepaar Prof. Berthold Schmid und Prof. Monika Meier- Schmid, das aus Baden-Württemberg nach Leipzig gezogen war und sich für Gesangstudierende engagieren wollte. Gut, dass die Bürgerstiftung sich schon vorbereitet hatte. So kann das Ehepaar sein Vorhaben seit Anfang 2023 mit seinem Stiftungsfonds „Schmid-Meier-Schmid-Stiftung ‚Singen‘“ unter dem Dach der Bürgerstiftung umsetzen. Der Fonds ist mit 200.000 Euro ausgestattet.

Das Vermögen der Bürgerstiftung ist durch den Stiftungsfonds auf rund eine halbe Million Euro angewachsen. Die neuen Stifter bringen sich mit dem Projekt „Musik unter vier Augen“, bei dem ehrenamtliche Musikerinnen und Musiker Wohnzimmerkonzerte im Betreuten Wohnen veranstalten, auch in die gemeinsame Arbeit in der Bürgerstiftung ein.

Bürgerstiftung Laichinger Alb: Teilverbrauchsfonds als Option

Ab einem Kapital von 25.000 Euro kann man bei der Bürgerstiftung Laichinger Alb einen Stiftungsfonds gründen. Vier aktive Fonds mit im Schnitt 50.000 Euro Kapital gibt es derzeit, darunter zwei regionale Stiftungsfonds für Gemeinden innerhalb des Einzugsgebiets. Manchmal arbeiten die Fonds auch zusammen: „Wenn zum Beispiel von einem der Fonds ein tolles Projekt an einer Schule gemacht wird, geben die anderen Fonds was dazu“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung, Ralf Schiffbauer. Jedoch seien die Stiftungsfonds in der Niedrigzinsphase nicht sehr attraktiv gewesen: „Wenn es keine Erträge gibt, müssen die Verantwortlichen des Fonds aktiv werden und Spenden einwerben, damit etwas passiert. Das ist natürlich ein Problem, wenn jemand sein Vermögen vererben und einen Gedächtnisfonds hinterlassen möchte.“

Die Bürgerstiftung hat deshalb 2020 in ihre Satzung die Option aufgenommen, Stiftungsfonds als Teilverbrauchsfonds zu gründen: Die Hälfte des Kapitals geht bleibend in das Vermögen der Bürgerstiftung über, die andere Hälfte wird innerhalb von zehn bis zwanzig Jahren verbraucht. „So hat der Fonds gleich eine ausschüttende Wirkung. Man muss nicht erst aus den Zinsen etwas ansparen, sondern kann direkt den Stiftungszweck umsetzen“, sagt Schiffbauer.

Die Errichtung des ersten Verbrauchsfonds steht noch aus, ist aber angekündigt: Es wird ein Gedächtnisfonds werden. Er ist bereits testamentarisch verfügt und notariell beglaubigt. Das Vermögen der Bürgerstiftung liegt derzeit insgesamt bei einer Million Euro.

Text: Gudrun Sonnenberg
Foto: Winfried Kurtzke

Der Beitrag ist im bürgerAktiv Magazin 2024/25 erschienen und Teil des Fokus Engagiert für die Zukunft – wie Bürgerstiftungen wachsen der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte September 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Chancen nutzen

1024 546 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Je größer ihr Kapital ist, desto nachhaltiger und unabhängiger kann eine Bürgerstiftung mitgestalten. Warum wachsen dann nicht alle Bürgerstiftungen? Die Aktive Bürgerschaft hat nachgefragt. Jonas Rugenstein und Stefan Nährlich erläutern die Ergebnisse.

Mit einer großartigen Kampagne zeigen im Dezember 2024 die Bürgerstiftungen im Norden, was in ihnen steckt. Gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk sammeln sie unter der Überschrift „Hand in Hand für Norddeutschland“ Spenden für Projekte, die Menschen zusammenbringen und aus der Einsamkeit holen. Gleichzeitig ist die Kampagne auch eine schöne Werbung für Bürgerstiftungen. Denn dass es Bürgerstiftungen gibt, was sie vielerorts leisten und dass man sich selbst in einer von 426 Bürgerstiftungen in Deutschland engagieren kann, wissen viele Menschen noch nicht. Auch die Bürgerstiftungen sind noch nicht alle darauf vorbereitet, wenn Menschen mitmachen wollen, vor allem bei größeren Zustiftungen.

Damit Stifterin oder Stifter und Bürgerstiftung zusammenkommen, braucht es mehr als das Wissen voneinander. Wichtig ist, dass sie die Zustiftung so gestalten, dass diese für beide Seiten gleichermaßen vorteilhaft ist. Die ideale Lösung ist oftmals der Stiftungsfonds, eine namens- oder zweckgebundene Zustiftung auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags. Die Stiftenden kommen so schneller und unbürokratischer zu ihrer Stiftung, als wenn sie eine rechtlich selbstständige Stiftung gründen. Beim Stiftungsfonds haben sie die Möglichkeit, nachträglich beispielsweise die Stiftungszwecke zu ändern, und können dennoch steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen. Die Bürgerstiftung hat mit der Verwaltung von Stiftungsfonds wenig Aufwand und kann damit erfolgreich das zentrale Merkmal einer Bürgerstiftung erfüllen, kontinuierlich das Stiftungskapital aufzubauen. Für beide Seiten wie auch für die Zielgruppen des Engagements vorteilhaft: Weniger Verwaltungsaufwand bedeutet, dass mehr Mittel in die Zweckverwirklichung fließen.

Wachstumsstarke Bürgerstiftungen setzen auf Stiftungsfonds

Wie der „Report Bürgerstiftungen“, die Datenerhebung der Stiftung Aktive Bürgerschaft unter allen Bürgerstiftungen, zeigt, gelingt den Bürgerstiftungen in Deutschland insgesamt das stetige finanzielle Wachstum. Zum 31. Dezember 2022 betrug das Stiftungskapital der heute 426 Bürgerstiftungen zusammen mehr als eine halbe Milliarde Euro. Das durchschnittliche Stiftungskapital einer Bürgerstiftung belief sich im Jahr 2022 auf 1,3 Millionen Euro, im Jahr 2011 lag es noch bei rund 600.000 Euro. Lediglich zehn Prozent des Gesamtkapitals aller Bürgerstiftungen wurden bereits mit der Gründung der Bürgerstiftungen gestiftet. Der weitaus größte Teil wurde im Laufe der Jahre nach der Gründung einer Bürgerstiftung von Privatpersonen und Unternehmen zugestiftet.

Analysiert man das Wachstum des Stiftungskapitals genauer, fällt jedoch auf, dass nur ein Drittel der 426 Bürgerstiftungen das Wachstum prägt. Und zwar diejenigen, die gezielt Angebote für zweckgebundene Zustiftungen in Form von Treuhandstiftungen oder Stiftungsfonds machen. Diesen gut 35 Prozent der Bürgerstiftungen in Deutschland flossen in den letzten Jahren über 90 Prozent aller jährlichen Zustiftungen zu. Dieser Trend ist seit über zehn Jahren stabil und zeigt, dass nicht alle Bürgerstiftungen es schaffen, finanziell zu wachsen und den weiteren Kapitalaufbau voranzutreiben.

Warum bieten wachstumsschwache Bürgerstiftungen keine Stiftungsfonds an?

Warum nutzen zwei Drittel der Bürgerstiftungen das Instrument des Stiftungsfonds noch nicht? Das hat die Aktive Bürgerschaft im Frühjahr 2024 alle 274 Bürgerstiftungen gefragt, die keine Stiftungsfonds anbieten. 101 Bürgerstiftungen haben an der Umfrage teilgenommen.
Der Hauptgrund lautet Unwissenheit. 45 Prozent, also knapp die Hälfte der Befragten, gaben an, nicht gewusst zu haben, dass Stiftungsfonds eine positive Wirkung auf die Gewinnung von Zustiftungen haben. Eine weitere Ursache ist, dass Bürgerstiftungen andere Prioritäten setzen. Für fast die Hälfte der Befragten (43 Prozent) hat die Gewinnung von Spenden Vorrang. Gut ein Drittel (36 Prozent) schätzt die Nachfrage vor Ort als zu gering ein. Aus ihrer Sicht lohnt sich die Einführung von Stiftungsfonds daher nicht. Fehlende zeitliche und fachliche Ressourcen sind ein weiteres Hindernis. So geben 44 Prozent der Bürgerstiftungen an, dass ihnen das Fachwissen für die Einführung von Stiftungsfonds fehlt, 38 Prozent der Bürgerstiftungen fehlt die Zeit, sich darum zu kümmern. Jede fünfte der befragten Bürgerstiftungen bietet zwar Stiftungsfonds an, hat aber noch keine Interessenten gefunden.

Das Fazit der Umfrage: Es fehlt vielen Bürgerstiftungen in erster Linie an ehrenamtlich Engagierten, meist Vorstandsmitgliedern, die sich nachhaltig um das Thema Stiftungsfonds und Stiftergewinnung kümmern, sowie das Wissen um die strategische Relevanz. Die Datenanalyse zeigt zudem, dass es Bürgerstiftungen auch in einkommensschwächeren und ländlichen Regionen gelingt, Zustiftungen in Form von Stiftungsfonds zu gewinnen. Bislang ausbleibendes Interesse spiegelt unserer Analyse nach keine generell fehlende Nachfrage wider.

Die Stiftung Aktive Bürgerschaft unterstützt die Bürgerstiftungsgremien daher mit gezielten Weiterbildungen, Beratungen und Praxishilfen beim Einsatz von Stiftungsfonds. Einerseits, weil der kontinuierliche Aufbau des Stiftungskapitals zum Wesen einer Bürgerstiftung gehört. Andererseits, um öffentliche Aufmerksamkeit von Spendenkampagnen wie aktuell in Norddeutschland für die Gewinnung von Zustiftungen nutzen zu können. Denn Spenden sind wichtig für die Arbeit von Bürgerstiftungen, aber erst die Erträge aus einem hohen Stiftungskapital ermöglichen ihnen eine nachhaltige und unabhängige gesellschaftliche Mitgestaltung.

Text: Jonas Rugenstein, Stefan Nährlich

Jonas Rugenstein ist stellvertretender Programm-Leiter Bürgerstiftungen der Stiftung Aktive Bürgerschaft.
Dr. Stefan Nährlich ist Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Der Beitrag ist im bürgerAktiv Magazin 2024/25 erschienen und Teil des Fokus Engagiert für die Zukunft – wie Bürgerstiftungen wachsen der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte September 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Die Strategie

1024 546 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Die Aktive Bürgerschaft empfiehlt den Bürgerstiftungen die Stiftungsfonds mit Nachruck – aus guten Gründen, erläutert Bernadette Hellmann.

Es gibt immer mehr Menschen in Deutschland, die ihr Vermögen gemeinnützigen Organisationen vermachen. Besonders beliebt ist dabei auch die Gründung einer eigenen Stiftung, um Bleibendes zu hinterlassen. Der Stiftungsfonds bietet fast die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten wie die rechtsfähige Stiftung, verursacht aber nur einen Bruchteil des Aufwands. Das macht ihn attraktiv für Stiftende und Bürgerstiftung. Dennoch verwaltet nur jede dritte Bürgerstiftung Stiftungsfonds. Aber: Dieses Drittel erhält über 90 Prozent aller Zustiftungen und zwei Drittel aller Spenden.

Mit Stiftungsfonds können Bürgerstiftungen also beides: sofort mehr bewirken ebenso wie langfristig wachsen und tragfähige Strukturen aufbauen. Wir motivieren und unterstützen sie dabei, dieses Potenzial zu nutzen.

Angebote, Erfahrungen, langer Atem

Seit 2008 unterstützt die Aktive Bürgerschaft die Bürgerstiftungen in Deutschland mit verschiedenen Angeboten, von individueller Beratung über Workshops bei Regionalforen bis hin zu Mustertexten für die Webseite. Trotzdem liegt die Schwelle, den ersten Stiftungsfonds einzuwerben, weiter hoch. Denn Stiftungsfonds erfordern neben dem grundsätzlichen Verständnis und der strategischen Entscheidung der Gremien, den Vermögensaufbau zu priorisieren, auch zeitliche Ressourcen. Es braucht einen langen Atem von der Aneignung des erforderlichen Know-hows bis zum ersten Erfolg.

Weiterbildungserfolg: Wissen wirkt!

Von 2020 bis 2024 haben wir zwei Gruppen von Bürgerstiftungen über zwei Jahre mit einer Qualifizierung dabei unterstützt, alle erforderlichen Prozesse zu durchlaufen und Stiftungsfonds aktiv anzubieten. Der Erfolg: Unter den Teilnehmenden stieg der Anteil der Bürgerstiftungen, die Stiftungsfonds verwalten, auf 73 Prozent an. Sie konnten zusammen erhebliche Zuwächse bei der Anzahl von Stiftungsfonds (plus 100 Prozent) und deren Gesamtkapital (plus 179 Prozent) erzielen.

2024 haben wir außerdem Bürgerstiftungen, die noch keine Stiftungsfonds verwalten, dazu befragt, welche Unterstützung sie benötigen. Ergebnis: Vor allem mangelt es ihnen an Wissen sowie an Ressourcen im Vorstand. Beides ist das A und O.

Wie geht es weiter?

Durch die Qualifizierung und die Befragung wissen wir, was für die erfolgreiche Akquise von Stiftungsfonds förderlich ist, woran es hakt und was sich in der Praxis bewährt. Dieses Wissen haben wir genutzt, um neue, zielgerichtete Angebote zu entwickeln. 2025 bieten wir Einsteiger-Webinare für alle Bürgerstiftungen an, die keine Stiftungsfonds verwalten. Dort erfahren sie, wie sie zum ersten Stiftungsfonds kommen. Wir begleiten sie mit Tools, Mustern und Beratung bei der Umsetzung.

Bei den Regionalforen, die wir jeden Herbst für die Bürgerstiftungen veranstalten, diskutieren wir über Gelingensbedingungen. Für erfahrene Bürgerstiftungen bauen wir den kollegialen Fachaustausch aus. Wir greifen unter anderem die Frage auf, wie der Fondsvertrag so gestaltet werden kann, dass Aufwand und Nutzen für die Bürgerstiftung optimiert werden.

Text: Bernadette Hellmann

Bernadette Hellmann ist stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung Aktive Bürgerschaft, Geschäftsbereich Bürgerstiftungen und Förderpartnerschaften.

Der Beitrag ist im bürgerAktiv Magazin 2024/25 erschienen und Teil des Fokus Engagiert für die Zukunft – wie Bürgerstiftungen wachsen der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte September 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Musik, Frieden, Medienkompetenz

1024 546 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Immer mehr Stifterinnen und Stifter setzen auf Stiftungsfonds bei Bürgerstiftungen, um ihre Ideen zu verwirklichen. Dabei können sie sich ganz auf ihr Engagement konzentrieren, denn die Bürgerstiftung übernimmt die Verwaltung.

Stiftungsfonds sind namens- oder zweckgebundene Zustiftungen in das Grundstockkapital der Bürgerstiftung. Vier Beispiele zeigen, wie Stifter diese Möglichkeit nutzen, und die Aktive Bürgerschaft informiert, wie Interessierte zu einem Fonds kommen können.

Jan-Eric Peters, 59, Journalist und Ex-Chefredakteur der WELT-Gruppe, hat 2022 unter dem Dach der Bürgerstiftung Berlin den Stiftungsfonds „jep“ gegründet, mit dem er die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen fördert. Sie sollen lernen, selbst in den sozialen Medien zu kommunizieren, aber auch sehen, wie beispielsweise Bilder manipuliert werden können und wie man Fakten von Meinungen unterscheidet. Solche Kenntnisse braucht es in einer Demokratie, um verantwortungsvoll zu kommunizieren.
ZUM FONDS bei der Bürgerstiftung Berlin

Klaus Riedel, Erziehungswissenschaftler und Professor, hat mit seiner inzwischen verstorbenen Frau Lydia Riedel 2012 den „Familienfonds Klaus und Lydia Riedel“ bei der Bürgerstiftung Berlin gegründet, um Friedenspädagogik zu fördern. Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht der jährlich verliehene Preis „Buddies for Peace“ für schulische und außerschulische Projekte, in denen sich Kinder und Jugendliche konstruktiv mit Konflikten auseinandersetzen.
ZUM FONDS bei der Bürgerstiftung Berlin
Mehr zum Familienfonds der Riedels können Sie im bürgerAktiv Magazin 2020 ab Seite 46 lesen.

Monika Meier-Schmid und Berthold Schmid, Musikprofessoren, haben 2023 den Stiftungsfonds „Stiftung Singen Schmid Meier Schmid“ unter dem Dach der Bürgerstiftung in Leipzig gegründet. Sie wollen mit Stipendien und Preisen begabte Gesangsstudierende finanziell entlasten, damit diese sich voll auf ihr musikalisches Studium konzentrieren können.
Zum Fonds bei der Stiftung Bürger für Leipzig

Renate Peter, 62, Diplom-Übersetzerin, Bürokauffrau und Patentanwaltsfachangestellte, hat 2016 mit ihrem Mann, dem Ingenieur Kurt Peter, die Stiftung Valentina als Stiftungsfonds bei der Bürgerstiftung Kreis Ravensburg gegründet. Sie hilft schwerst- und sterbenskranken Kindern. Die Tochter der Peters, Valentina, war mit 13 Jahren an einem Knochentumor verstorben. Die Stiftung unterstützt das mobile Kinder-Palliativteam „PalliKJUR“ der Universitätsklinik Ulm. Das Ziel ist, dass möglichst viele schwer- und sterbenskranke Kinder zuhause betreut werden können.
Zur Stiftung Valentina unter dem Dach der Bürgerstiftung Kreis Ravensburg

So kommen Stifterinnen und Stifter zu ihrem Stiftungsfonds:
Wer sich mit einem Stiftungsfonds für sein Anliegen engagieren möchte, wendet sich am besten an die Bürgerstiftung in seinem Ort oder seiner Region. Zu klären ist, welche Zwecke der Fonds erfüllen soll und wie man sie so abfasst, dass sie auf Dauer erfüllt werden können. Einzelheiten regeln Stifter und Bürgerstiftung in einem Fondsvertrag. Der Fonds entsteht, indem die Stifterin oder der Stifter die Summe, die sie einsetzen möchte, zweckgebunden in das Vermögen der Bürgerstiftung zustiftet. Die Mittel werden von der Bürgerstiftung verwaltet und die Erträge können für die gewünschten Zwecke eingesetzt werden. Unabhängig davon können Stifterinnen und Stifter weitere Zustiftungen oder Spenden einwerben und sich für ihre Projekte selbst engagieren. Ein Stiftungsfonds kann auch als Nachlass der Bürgerstiftung zugestiftet werden.
Weitere Informationen für Stifterinnen und Stifter

Mehr über Menschen, die bei Bürgerstiftungen mitmachen, finden Sie im bürgerAktiv Magazin 2024/25 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Fotos: Jule Halsinger, privat, Winfried Kurtzke, Christoph Morlok

Dieser Beitrag ist Teil des Fokus Engagiert für die Zukunft – wie Bürgerstiftungen wachsen der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte September 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Mit Stiftungsfonds Stifter gewinnen: Angebote und Unterstützung

150 150 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Dem Geld darf man nicht nachlaufen, sondern man muss ihm entgegengehen. Tatsächlich gehen mehr als 90 Prozent aller Zustiftungen an jene Bürgerstiftungen, die Stifterinnen und Stiftern mit Stiftungsfonds helfen, ihr Herzensanliegen zu fördern und Bleibendes zu schaffen. Um Bürgerstiftungen bei der Entwicklung entsprechender Angebote zu helfen, hat die Aktive Bürgerschaft nach zwei zweijährigen Intensiv-Fortbildungen für Bürgerstiftungen eine durchdachte neue Kombination aus einem Einsteiger-Webinar und weiterführenden Handreichungen sowie Beratungen entwickelt. Darüber hinaus bietet sie einen eigenen kollegialen Fachaustausch für erfahrene Bürgerstiftungen zu Stiftungsfonds an.

Über die Termine und mehr Weiterbildungsangebote für Bürgerstiftungen informiert die Stiftung Aktive Bürgerschaft auf ihrer Website.

Zu den Angeboten

Dieser Beitrag ist Teil des Fokus Engagiert für die Zukunft – wie Bürgerstiftungen wachsen der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte September 2024 der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Fokus Juli 2024: Engagementpolitik – Was geht noch?

1024 683 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Eine neue Engagementstrategie, Entlastungen von bürokratischen Vorschriften und ein moderneres Gemeinnützigkeitsrecht: Dies und mehr schrieben im Herbst 2021 die Parteien der Ampelkoalition in ihren Koalitionsvertrag (bürgerAktiv berichtete). Sie griffen damit viele Anliegen aus der Zivilgesellschaft auf. So hatte zwei Jahre zuvor das Bürokratie-Barometer Bürgerstiftungen der Stiftung Aktive Bürgerschaft zutage gefördert, dass Funktionsträger in Bürgerstiftungen bis zu zwei Drittel ihrer Zeit mit der Bewältigung bürokratischer Aufgaben verbringen mussten. Im Gemeinnützigkeitsrecht wurde seit langem die Überarbeitung der Zwecke im Katalog der Abgabenordnung gefordert, nachdem Organisationen wie dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac wegen politischer Tätigkeit die Gemeinnützigkeit entzogen wurde.

Knapp drei Jahre später sind einige Vorhaben umgesetzt – beispielsweise die ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigte Strategie für gemeinwohlorientierte Unternehmen – , andere, wie die Nationale Engagementstrategie, lassen auf sich warten oder müssen, wie das Demokratiefördergesetz, als gescheitert angesehen werden. Gut ein Jahr hat die Koalition noch Zeit. Was ist noch zu erwarten, und was brauchen die Menschen, die sich vor Ort engagieren, tatsächlich?

Lesen Sie im Fokus „Engagementpolitik: Was geht noch?“ folgende Beiträge:

Neue Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft: Wo stehen wir?

Die Grundzüge des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert – einer Zeit, die gemeinhin als Obrigkeitsstaat bezeichnet wird. Viele Einzelheiten wurden 1941 (!) in einer Gemeinnützigkeitsverordnung festgelegt und gelten bis heute. Kein Wunder, dass seit über 35 Jahren gefordert wird, dieses Recht an moderne Vorstellungen von einem freiheitlichen Gemeinwesen anzupassen – bisher ohne nennenswerten Erfolg, stellt Rupert Graf Strachwitz von der Maecenata Stiftung fest.
Zum Gastbeitrag

Was kann die Engagementpolitik gut, was den Engagierten nützt?

Was kannst du gut, was anderen nützt: Das fragen Schülerinnen und Schüler im Programm sozialgenial der Stiftung Aktive Bürgerschaft, wenn sie in der Schule ihre Engagementprojekte entwickeln. Die Frage sollte man auch andernorts stellen, nämlich in der Engagementpolitik, findet Stefan Nährlich, Geschäftsführer der Stiftung Aktive Bürgerschaft.
Zum Beitrag

„Exklusive Zeit für Projekte bekommen“

sozialgenial-Projekte zu organisieren, erfordert eine mühselige Suche nach Kapazitäten im Schulalltag und Freiräumen im Stundenplan. Barbara Schmiedek, didaktische Leiterin der Städtischen Gesamtschule am Michaelsberg in Siegburg, hat Vorschläge, wie die Politik Engagementprojekte in Schulen erleichtern könnte.
Zum Interview

„Vorgaben für die Zusammenarbeit mit Gemeinnützigen machen“

Theophil Graband, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Nürnberg, würde gerne mehr mit Wissenschaftlern und Studierenden zusammenarbeiten und wünscht sich entsprechende Verpflichtungen für Hochschulen. Denn Non-Profit-Organisationen können mit Auftraggebern aus der Wirtschaft nicht mithalten.
Zum Interview

„Mehr Anreize für das Ehrenamt bieten“

Stiftungen und andere gemeinnützige Organisationen haben oft Schwierigkeiten, Mitstreiter im Ehrenamt für ihre Gremien zu finden: Diese Beobachtung macht im Stiftungsmanagement Hans-Dieter Meisberger, bei der DZ PRIVATBANK Abteilungsdirektor und Leiter Stiftungen, Öffentliche Einrichtungen und Non-Profit-Organisationen. Die Politik sollte deshalb mit besseren Angeboten Engagierte stärker motivieren, meint er.
Zum Interview

Mehr zum Thema:

Bürokratie-Barometer Bürgerstiftungen
ZU den UMFRAGEergebnissen

Stellungnahme der Aktiven Bürgerschaft zum Demokratiefördergesetz
Zur Stellungnahme

Stellungnahme der Aktiven Bürgerschaft zum Thema „Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bzw. Bürokratieabbau im Ehrenamt“
Zur Stellungnahme

 

Neue Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft: Wo stehen wir?

977 652 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Die Grundzüge des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert – einer Zeit, die gemeinhin als Obrigkeitsstaat bezeichnet wird. Viele Einzelheiten wurden 1941 (!) in einer Gemeinnützigkeitsverordnung festgelegt und gelten bis heute. Kein Wunder, dass seit über 35 Jahren gefordert wird, dieses Recht an moderne Vorstellungen von einem freiheitlichen Gemeinwesen anzupassen – bisher ohne nennenswerten Erfolg.

Von Rupert Graf Strachwitz

Veränderungen waren immer nur Klientelpolitik oder dem Wunsch der jeweils Regierenden geschuldet, durch ein kleines Trostpflaster zu dokumentieren, man habe etwas für die Zivilgesellschaft – oder wie manche Parteien heute noch sagen, für die Vereine vor Ort, die Ehrenamtlichen – getan, oder für die Stiftungen, als man sich der Illusion hingab, diese könnten und würden in wesentlichem Umfang Staatsaufgaben finanzieren.

Kein Wunder also, dass man gespannt war, was die jetzige Bundesregierung aus ihren Ankündigungen machen werde, „mit der Zivilgesellschaft“ (der Begriff taucht im Koalitionsvertrag rund 20-mal auf) das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren, eine neue Engagementstrategie des Bundes zu entwickeln und das in der letzten Bundesregierung gescheiterte Demokratiefördergesetz zu verabschieden.

Zivilgesellschaft ist mehr als die Summe der Vereine

Zugegeben: Es kam die „Zeitenwende“! Sicherheit vor Agression, Inklusion von Migrantinnen und Migranten, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Resilienz unserer Demokratie haben Priorität; das ist verständlich. Trotzdem ist nicht verständlich, warum aus den Vorhaben für die Zivilgesellschaft bisher gar nichts geworden ist, weil nur eine starke, unabhängige Zivilgesellschaft den Zusammenhalt sichert und weil sie die beste Bundesgenossin des Staates im Kampf um die Resilienz unserer Demokratie ist. Sie ist eben nicht nur die Summe der Vereine „vor Ort“, sondern hat ein politisches Mandat und ist eine politische Kraft. Klar ist zwar auch, dass sie sehr heterogen und nicht immer nur „gut“ ist. Aber viele Erfahrungen in Deutschland und anderswo zeigen uns, wie wichtig sie ist. Wäre das nicht so, würden die autoritären Systeme dieser Welt nicht so viel Mühe darauf verwenden, sie zu unterdrücken und würde sie nicht immer wieder Heldinnen und Helden hervorbringen, die uns zeigen, was Freiheit, Herrschaft des Rechts und Demokratie bedeuten. Und immer gilt: Wenn Not am Mann ist, sind Bürgerin und Bürger zur Stelle. Deswegen dürfen Versuche der Verzwergung durch das Parteiensystem und die Staatsverwaltung, die der Angst vor einem Machtverlust entspringen, nicht hingenommen werden! Diffamierungen von der Art, Zivilgesellschaft sei ein „grünes Projekt“ (so innerhalb der Regierungskoalition), ist entgegenzutreten, gleich welcher Richtung im demokratischen Spektrum man zuneigt.

Demokratiefördergesetz: Entwurf ruht

Wo stehen wir heute? Zum Demokratiefördergesetz gibt es einen Entwurf. Das „mit der Zivilgesellschaft“ war nicht mehr als ein Feigenblatt. Der Entwurf ist unausgereift; würde er Gesetz, trüge dieses zur Demokratieentwicklung nichts bei, sondern würde nur – bestenfalls – einigen üblichen Verdächtigen mehr staatliche Fördermittel bescheren und sie in eine noch größere Abhängigkeit vom Staat treiben. Der Entwurf ruht seit längerem irgendwo im Bundestag und dürfte in dieser Legislaturperiode kaum wieder auftauchen.

An der neuen Engagementstrategie arbeiten angeblich interministerielle Arbeitsgruppen. Das „mit der Zivilgesellschaft“ beschränkt sich auf klassische Verbändeanhörungen; inhaltlich scheint eine neue Definition von bürgerschaftlichem (oder zivilgesellschaftlichem) Engagement eine wichtige Rolle zu spielen. Die Frage, ob es wirklich Aufgabe von Ministerien ist, Engagement zu definieren, stellen Politik und Verwaltung nicht.

Gemeinnützigkeitsrecht: Reform kommt wieder nicht

Die dringend notwendige grundlegende Reform des Gemeinnützigkeitsrechts (genau: der §§ 51-68 der Abgabenordnung) kommt, so viel steht fest, in dieser Legislaturperiode wieder nicht. Kein Wunder, wenn die Ministerin, deren Haus sich mal selbst das Engagementministerium nannte, kein Interesse hat und der Bundesfinanzminister, in dessen Zuständigkeit das Steuerrecht fällt, von einer so tiefen Abneigung gegen die Zivilgesellschaft erfüllt ist, dass seine Partei die liberale Tradition eines Ralf Dahrendorf, der einst den ordnungs- und demokratiepolitischen Rahmen der Zivilgesellschaft formulierte, bedenkenlos über Bord geworfen hat. Dabei kostet diese Reform kein Geld! Sie macht nur Politik moderner und lebendiger und wehrt autoritäre Angriffe von links, rechts und aus der Mitte ab.

Der am 10. Juli 2024 als Jahressteuergesetz II vorgelegte Referentenentwurf, der am 24. Juli mit dem Titel Steuerfortentwicklungsgesetz als Regierungsentwurf verabschiedet wurde und nun dem Parlament zugeleitet wird, enthält nur ein paar minimale Änderungen des bestehenden. Steuerbegünstigten Körperschaften soll gestattet werden, „außerhalb ihrer Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung“ zu nehmen. Aber das politische Mandat bleibt ihnen versagt. Und die Abschaffung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung, die kein Verband oder Experte je gefordert hat, ist der völlig falsche Ansatz. Was wir brauchen, ist eine neue Ordnungspolitik für die Zivilgesellschaft. Dafür wäre nicht der Finanzminister, sondern der Bundeskanzler zuständig. Aber von ihm und überhaupt von dieser Bundesregierung dürfen wir da leider nichts erwarten.

Dr. Rupert Graf Strachwitz ist Vorstand und Senior Strategic Advisor der von ihm gegründeten Maecenata Stiftung, eines unabhängigen Think Tanks zu den Themen Zivilgesellschaft, Bürgerengagement, Philanthropie und Stiftungswesen.

Der Beitrag ist Teil des Fokus Engagementpolitik: Was geht noch? der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Engagementpolitik: Was geht noch?

Was kann die Engagementpolitik gut, was den Engagierten nützt?

1024 576 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Was kannst du gut, was anderen nützt: Das fragen Schülerinnen und Schüler im Programm sozialgenial der Stiftung Aktive Bürgerschaft, wenn sie in der Schule ihre Engagementprojekte entwickeln. Die Frage sollte man auch andernorts stellen, nämlich in der Engagementpolitik, findet Stefan Nährlich, Geschäftsführer der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Von Stefan Nährlich

In der Stiftung Aktive Bürgerschaft setzen wir uns dafür ein, die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu verbessern, insbesondere für Service Learning an Schulen und Bürgerstiftungen, die wir in unseren Programmbereichen explizit unterstützen. Wir sprechen mit Abgeordneten und Mitarbeitenden in Ministerien, erheben Zahlen und Fakten, beteiligen uns an Anhörungen und Diskussionen. Die zentrale Frage ist immer: Was würde unseren Partnern vor Ort helfen?

Was Schulen helfen würde

Unter dem Motto „Was kannst du gut, was anderen nützt?“ entwickeln Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern in unserem Service-Learning-Programm sozialgenial konkrete Engagementprojekte und verbinden sie mit dem Schulunterricht. Die Lehr- und Lernmethode Service Learning dient einerseits der Bildungsförderung und ist andererseits ein Instrument für Engagement- und Demokratieförderung.
Die Stiftung Aktive Bürgerschaft hat ihre Unterstützung für Lehrkräfte so entwickelt, dass sozialgenial leicht skaliert und in allen weiterführenden Schulen eingesetzt werden kann. In der aktuellen Legislaturperiode haben wir mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt und den Genossenschaftsbanken sozialgenial in zwei neue Bundesländer gebracht und in zwei Jahren bisher über 70 neue sozialgenial-Mitgliedsschulen gewonnen.

Wir beobachten: Wenn Schulen sich in unseren Webinaren informiert, aber noch keine sozialgenial-Projekte entwickelt und umgesetzt haben, ist dies in den meisten Fällen daran gescheitert, dass zu wenig Lehrkräfte und zu wenig freie Unterrichtsstunden zur Verfügung standen. Wir schlussfolgern: Eine bessere personelle Ausstattung der Schulen und mehr zeitliche Ressourcen wären hier die beste staatliche Engagementförderung mit der gleichzeitig größten und nachhaltigen Wirkung.

Was Bürgerstiftungen helfen würde

Im Programmbereich Bürgerstiftungen ist es unser Hauptziel, die Bürgerstiftungen beim weiteren Kapitalaufbau und Wachstum zu unterstützen, das ist eines der wesentlichen Merkmale dieser Stiftungsform und wichtig, um sich unabhängig und eigenständig zu engagieren. Damit die Bürgerstiftungen optimal wirken können, sind in den Satzungen möglichst breite Stiftungszwecke nötig, um die verschiedenen Vorhaben ihrer Stifterinnen und Stifter umsetzen zu können.

Seit einigen Jahren verhalten sich jedoch viele Stiftungsaufsichtsbehörden bei Satzungsgenehmigungen oder Änderungsanträgen restriktiv und wollen weitere Zwecke nur genehmigen, wenn zuvor das Stiftungskapital erhöht wird. Die Diskussionen verlaufen wie die Geschichte vom Huhn und dem Ei: Die Bürgerstiftungen sagen, sie wollten zuerst die Zwecke, dann komme das Geld. Die Stiftungsaufsicht will es andersherum. Seit Jahren argumentieren wir in Gesprächen und Anhörungen für eine stiftungsfreundliche Anwendung der Gesetze, stoßen aber oft auf dogmatische Ablehnung.

Was die Engagementpolitik tut

Womöglich spielen solche Diskussionen im Stiftungsbereich aber bald keine Rolle mehr. Denn nun hat die Bundesregierung ihr zweites Jahressteuergesetz vorgelegt, umbenannt in Steuerfortentwicklungsgesetz, in dem die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung entfällt. Vermögen ließe sich dann in jeder gemeinnützigen Rechtsform bilden. Auch in denen, die keiner Stiftungsaufsicht unterliegen. Keine Stiftungsaufsicht hieße in dem Fall auch, keine Genehmigungspflicht, was die Vielfalt der Zwecke angeht.

Begründet wird das Vorhaben mit Bürokratieabbau. Die Bedenken, dass künftig einige auf die Idee kommen könnten, lediglich steuerbegünstigt Geld zu sammeln, aber nicht mehr für die Förderung der Allgemeinheit auszugeben, werden lapidar abgetan: „Es ist davon auszugehen, dass es im eigenen Interesse der jeweiligen steuerbegünstigten Körperschaften liegt, ihre Mittel weiterhin regelmäßig zeitnah für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden“, hieß es in dem vorausgehenden Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums.

Auch wenn der Satz in diesem Fall vielleicht unpassend erscheint, so ist er als Leitlinie grundsätzlich richtig. Ich wünsche mir für unsere Partner jedenfalls eine Engagementpolitik, die in erster Linie zivilgesellschaftliches Handeln ermöglicht, anstatt es kleinteilig zu regulieren, und die zuerst auf die Eigenverantwortung der handelnden Männer und Frauen in den Vorständen und Aufsichtsorganen gemeinnütziger Organisationen setzt.

Dr. Stefan Nährlich ist Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Aktive Bürgerschaft.

Der Beitrag ist Teil des Fokus Engagementpolitik: Was geht noch? der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Engagementpolitik: Was geht noch?

„Exklusive Zeit für Projekte bekommen“

1024 672 Stiftung Aktive Bürgerschaft

sozialgenial-Projekte brauchen Kapazitäten im Schulalltag und Freiräume im Stundenplan. Barbara Schmiedek, didaktische Leiterin der Städtischen Gesamtschule am Michaelsberg in Siegburg, hat Vorschläge, wie die Politik die Organisation der Engagementprojekte in Schulen erleichtern könnte. Im Interview erläutert sie, was sie sich vorstellt.

Was macht Ihnen in der Administration von den Engagement-Projekten am meisten Arbeit?

Bei der Durchführung von sozialgenial-Projekten besteht immer die erste Aufgabe darin, eine Umsetzungsmöglichkeit in der Stundentafel zu finden: Woher kommt die Doppelstunde, an welches Fach wird das Projekt inhaltlich angeknüpft, welche Lehrerinnen oder Lehrer betreuen das Projekt, haben die am besten geeigneten Lehrkräfte noch Kapazitäten oder sind sie durch das Unterrichten ihrer Fächer bereits ausgelastet, sodass ein eine andere Kollegin oder ein anderer Kollege eingesetzt werden muss, ist das dann für das Projekt sinnvoll, und so weiter.
Sind diese Herausforderungen geschafft, gibt es gerade zu Beginn viel organisatorische Arbeit: Elternbriefe müssen, passend zum Kurs und Jahrgang, zunächst geschrieben und dann unterschrieben wieder eingesammelt werden, Kollegen, die neu im Projekt sind, bedürfen einer längeren und motivierenden Einweisung, die zu Beginn stattfindenden Projekttage müssen vorbereitet, Listen mit möglichen Kooperationspartnern ebenso wie Material, Verträge, Anwesenheitslisten, Tagebuchseiten aktualisiert werden.
Organisatorisch wichtig ist dabei zudem, dass das sozialgenial-Projekt nachmittags in Randstunden liegen muss, was eine zusätzliche Herausforderung für den ohnehin mit fest gesetzten Stunden überfrachteten Plan und die Kolleginnen und Kollegen, die ihn erstellen, darstellen kann.

Wie gehen Sie mit den Herausforderungen um?

Wir planen das sozialgenial-Projekt mit einem vierköpfigen Team aus Kolleginnen, die alle freiwillig und mit Begeisterung dabei sind. Es ist wichtig, dass nicht eine Lehrkraft/Schulsozialarbeiterin alles allein planen und organisieren muss. Hilfreich gegen Stress und Überforderung ist, regelmäßig mit den Mitarbeitenden aus den gemeinnützigen Einrichtungen zu sprechen, in denen die Schülerinnen und Schüler sich engagieren. Sehr oft wird dann deutlich, wie viel Unterstützung durch die Schüler in der Einrichtung ankommt und wie wichtig das für die Einrichtung ist. Es ist schön zu sehen, dass sich der Extra-Einsatz mit aller dahintersteckenden Arbeit lohnt. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit, das wir mit dem Projekt bei den Schülerinnen und Schülern stärken möchten, ist auch für die Lehrkräfte und Schulsozialarbeiterinnen nicht zu unterschätzen.
Um Belastungen entgegenzuwirken, sind auch kleine organisatorische Dinge hilfreich: beispielsweise das Team, welches das sozialgenial-Projekt plant und organisiert, für die Zeit der Treffen von Vertretungen auszunehmen und es in den Hochphasen, etwa während der Projekttage zu Schuljahresbeginn, stundenweise aus dem Unterricht auszuplanen.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Natürlich wäre es schön und viel einfacher, wenn es in der vorgeschriebenen Stundentafel feste Zeiten für Engagement-Projekte gäbe, vielleicht unter dem weiten Begriff „Demokratie-Lernen“, der Raum für verschiedene Projekte bietet. Das würde uns ersparen, erst Lücken für das Projekt suchen zu müssen. Ich denke, dass es aktuell ein wichtiges Zeichen wäre, zu beschließen, dass Schulen exklusive Zeit für Demokratie-Projekte verschiedener Art bekommen, die durchgeführt werden müssen – nicht wie im Moment „können“, was häufig mit Extra-Einsatz einzelner Kolleginnen oder Kollegen verbunden ist. Mein großer Wunsch ist, die Stundentafel zu modernisieren und flexibler zu gestalten. Natürlich gibt es Lücken und Freiräume, dennoch engen die Vorgaben immer wieder ein und je mehr Themen von Bedeutung anliegen, etwa durch aktuelle Tagespolitik, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel oder den Ausbruch von Kriegen, desto mehr „freie“ Zeit wäre nötig.
Für vieles wäre außerdem ein leichter zugängliches finanzielles Budget hilfreich, ähnlich dem, das es durch das „Aufholen nach Corona“-Paket gab, das die Übernahme von Fahrtkosten, Anschaffungen oder die Durchführung einer Feier am Projektende ermöglichen würde. Es wäre ein Zeichen der Wertschätzung und es würde Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften die Suche nach Sponsoren ersparen. Durch einen offiziell größeren Stellenwert von Engagement-Projekten, eine Verankerung in der Stundentafel und mehr Freiheiten im Umgang mit Vorgaben wären solche Projekte einfacher und würden vermutlich häufiger durchgeführt.

Interview: Gudrun Sonnenberg

Der Text ist Teil des Fokus Engagementpolitik: Was geht noch? der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Engagementpolitik: Was geht noch?

„Vorgaben für die Zusammenarbeit mit Gemeinnützigen machen“

1024 609 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Theophil Graband, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Nürnberg, würde gerne mehr mit Wissenschaftlern und Studierenden zusammenarbeiten und wünscht sich entsprechende Verpflichtungen für Hochschulen. Denn Non-Profit-Organisationen können mit Auftraggebern aus der Wirtschaft nicht mithalten, sagt er im Interview.

Was macht Ihnen in der Administration der Bürgerstiftung am meisten Arbeit?

Der größte Aufwand ist der Jahresabschluss und die damit verbundene Wirtschaftsprüfung. Weniger Bürokratie an dieser Stelle wäre natürlich schön, aber überbordend schlimm finde ich sie nicht. Ich sehe durchaus ein, dass die Gemeinnützigkeit und die damit verbundene Steuerersparnis für die Bürgerstiftung eine Rechenschaftspflicht mit sich bringt und Prüfung erfordert.

Wie gehen Sie in der Bürgerstiftung mit dieser Art von Belastungen um?

Wir haben verschiedene Strategien. Einerseits haben wir den Jahresabschluss und die Buchhaltung an die deutsche Stiftungstreuhand ausgelagert, so dass wir uns dem Engagement widmen können. Andererseits versuchen wir, unsere Prozesse durch Digitalisierung zu verschlanken. Wir kommunizieren digital über Microsoft Teams, das erspart Zeit. Desgleichen werden Förderanträge an die Bürgerstiftung bei uns online eingereicht. Dann entscheidet über sie demokratisch unser Mitmach-Parlament. Da schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir realisieren im administrativen Prozess zugleich die Beteiligung unserer Engagierten.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Sie sollte grundsätzlich mehr Engagement ermöglichen. Für uns ist es ein Anliegen, mit Hochschulen zusammenzuarbeiten, insbesondere bei der Entwicklung neuer Engagementkonzepte. Es gibt schon kleine Erfolge, temporär gewinnen wir junge Leute, die bei uns mitmachen. Das könnte man mit Lehrplänen in Bachelor- und Masterstudiengängen verknüpfen und verstetigen. Darüber hinaus ist schwierig, dass wir bei den Hochschulen nicht mit den Budgets anderer Auftraggeber aus Industrie und Wirtschaft mithalten können. Wir wünschen uns, dass die Hochschulen von der Politik Vorgaben bekommen, in einem bestimmten Umfang auch mit Gemeinnützigen zusammenarbeiten zu müssen.

Interview: Gudrun Sonnenberg

Der Beitrag ist Teil des Fokus Engagementpolitik: Was geht noch? der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Engagementpolitik: Was geht noch?

„Mehr Anreize für das Ehrenamt bieten“

1024 683 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Stiftungen und andere gemeinnützige Organisationen haben Schwierigkeiten, Mitstreiter im Ehrenamt für ihre Gremien zu finden: Diese Beobachtung macht im Stiftungsmanagement Hans-Dieter Meisberger, bei der DZ PRIVATBANK Abteilungsdirektor und Leiter Stiftungen, Öffentliche Einrichtungen und Non-Profit-Organisationen. Die Politik sollte deshalb mit besseren Angeboten Engagierte stärker motivieren, meint er.

Was macht Ihnen in der Stiftungsbetreuung am meisten Arbeit?

Der Schwerpunkt im Stiftungsmanagement der DZ PRIVATBANK liegt in der Vermögensberatung und in der Konzeption einer für jede einzelnen Stiftung passende Anlagelösung. Viele Stiftungen werden ehrenamtlich geführt und die Verantwortlichen sind in der Regel keine Finanzprofis. Die Stiftungsgremien schätzen unsere Zusammenarbeit und Transparenz, wenn es um die Erstellung einer Anlagerichtlinie oder Konzeption einer Anlagelösung geht. Themen wie „ESG“, „Nachhaltige Kapitalanlagen“, „Risikomanagement“, „Sicherheit“ , „ordentliche Erträge“ bis hin zur Unterstützung in der Dokumentation in der „Rechnungslegung“ sind die alltäglichen Parameter in unserer Stiftungsberatung.

Mit welchen Strategien begegnen Sie den Anforderungen?

Die Strategien sind sehr unterschiedlich und sehr heterogen, daher schauen wir uns die individuellen Bedürfnisse genau an. Die Basis und die Grundlage ist immer eine „Anlagerichtlinie“ der jeweiligen Stiftung. Sobald hierin Klarheit besteht, ist die Anlagestrategie auch zielgerichtet definiert. Nach wie vor erreichen uns Anforderungen von einer konservativen (bis zu 30 Prozent Aktienanteil) bis hin zu einer ausgewogenen Anlagestrategie (max. 50Prozent Aktienanteil). Gerade Stiftungen, die auf „unbestimmte Zeit“ begründet wurden, sind als langfriste Anleger auf der Suche nach einer ausgewogenen Anlagestrategie. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren das Thema „Nachhaltige Kapitalanlage“ verstärkt. Hier gibt es unterschiedliche Anforderungen, je nach Ursprung der Stiftung. Beispielsweise investieren kirchennahe Stiftungen nach einem anderen Leitfaden als kommunalnahe Stiftungen.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Wir leben in bewegten Zeiten. Von daher wünsche ich mir von der Politik (ob von der Bundesregierung oder der jeweiligen Landesregierungen) eine freundliche und besonnene Herangehensweise im Dritten Sektor zum Wohle der gemeinnützigen Stiftungen. In den letzten Jahren wurde durch unterschiedliche Reformen schon vieles positiv verändert. Die Gremien in den jeweiligen Stiftungen arbeiten aber weitestgehend ehrenamtlich und philanthropisch orientiert. Von daher würde ich mir noch eine weitere Stärkung der ehrenamtlichen Tätigkeiten und damit verbundenen Anreize wünschen. Wir sehen, dass immer mehr Stiftungen (ebenso wie Vereine) Schwierigkeiten haben, engagierte Mitstreiter zu finden, die ehrenamtlich für die gemeinnützige Körperschaft arbeiten möchten. Hier wünsche ich mir von der Politik, dass es mehr Anreize gäbe (zum Beispiel durch Ehrenamtskarten mit Vergünstigungen bei Eintritten in Kultureinrichtungen, Freizeiteinrichtungen, beim Reisen im Nahverkehr etc.). So könnte die Zivilgesellschaft insgesamt gestärkt werden. Zu diskutieren wäre ebenso ein verpflichtendes „Bürgergesellschaftsjahr“ für alle Schulabgänger zwischen 18 und 25 Jahren. Gemeinnützige Körperschaften und Wohlfahrtsverbände würden hiervon ebenso profitieren wie Einrichtungen und Verbände der Länder und des Bundes.

Interview: Gudrun Sonnenberg

Der Beitrag ist Teil des Fokus Engagementpolitik: Was geht noch? der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Engagementpolitik: Was geht noch?

Fokus Mai 2024: Haltung zeigen – Unternehmen und Engagement

1024 683 Stiftung Aktive Bürgerschaft

„Es gibt heute mehr denn je die Notwendigkeit für unternehmerisches Engagement“: Das sagt Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), mit Blick auf antidemokratische, rassistische und rechtsextreme Tendenzen. Im Interview mit bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte fordert er: „Mehr Unternehmen sollten hier ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen.“

Zu denen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung traditionell ernst nehmen, gehören die Genossenschaftsbanken, in deren Auftrag auch die Stiftung Aktive Bürgerschaft tätig ist. Ein dreistelliger Millionenbetrag geht jedes Jahr aus der Genossenschaftlichen FinanzGruppe an Vereine, in Bildung, Klima- und Umweltschutz, an Kinder und Jugendliche, Familien und ältere Menschen.

Lesen Sie im Fokus „Haltung zeigen – Unternehmen und Engagement“ diese Beiträge:

„Unternehmen müssen für die Demokratie geradestehen“

Mehr Unternehmen sollten Verantwortung übernehmen und sich gesellschaftlich engagieren, fordert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Interview mit bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte. Pflichten wie die nichtmonetäre Berichterstattung seien „gut und schön“, wichtiger aber sei, demokratische Werte zu leben, sagt er.
Zum Interview

Genossenschaftsbanken: Regional engagiert, überregional spezialisiert

Die Mitglieder der Genossenschaftlichen FinanzGruppe – die Volksbanken und Raiffeisenbanken vor Ort und die überregionalen Unternehmen der Gruppe – verfolgen die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und Klimaschutz in ihrer Unternehmenstätigkeit, aber auch in ihrem gesellschaftlichen Engagement.
Zum Beitrag

„Wir halten uns im Hintergrund“

Bildung und zukunftsträchtige Projekte zu fördern, das erledigen genossenschaftlich verfasste Unternehmen oft ohne großes Aufhebens. Wenn es allerdings darum geht, Haltung gegenüber antidemokratischen Tendenzen zu zeigen, wird man auch mal lauter. Wo überregionale Unternehmen der Genossenschaftlichen FinanzGruppe ihre gesellschaftliche Verantwortung sehen und wie sie ihr Engagement gestalten, zeigen drei Beispiele.
Zum Beitrag

Mehr zum Thema:

Die Stiftung Aktive Bürgerschaft arbeitet mit den Genossenschaftsbanken zusammen: Mit dem sozialgenial hilft-Förderfonds der Aktiven Bürgerschaft unterstützen Volksbanken Raiffeisenbanken Schulen in ihrem Geschäftsgebiet. Mit Stiftungsfonds unter dem Dach der Aktiven Bürgerschaft unterstützen sie Bürgerstiftungen.
Mehr zur Zusammenarbeit
Mehr zu sozialgenial hilft-Förderfonds
Mehr zu Stiftungsfonds bei der Aktiven Bürgerschaft

Der Urgedanke: Kurz nach der Jahrtausendwende, im Jahr 2002, rief der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) seine Mitglieder auf, die Gründung von Bürgerstiftungen zu initiieren, um nachhaltiges Engagement für die Region zu sichern. Haben sich die Erwartungen erfüllt? Nachfragen in Halle, Schwäbisch Hall und Waltrop.
Zur Story im bürgerAktiv Magazin 2022

„Unternehmen müssen für die Demokratie geradestehen“

1024 682 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Mehr Unternehmen sollten Verantwortung übernehmen und sich gesellschaftlich engagieren, fordert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), im Interview mit bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte. Pflichten wie die nichtmonetäre Berichterstattung seien „gut und schön“, wichtiger aber sei, demokratische Werte zu leben, sagt er.

Herr Fratzscher, was bringt es, wenn sich Unternehmen in Anzeigenkampagnen für die Demokratie in Deutschland stark machen?

Es bringt eine Menge. Unternehmen haben eine positive Reputation. Kundinnen und Kunden kaufen gerne bei ihnen ein oder legen ihr Geld bei einer Bank an, der sie vertrauen. Es ist wichtig, dass Unternehmen dieses Vertrauen nutzen, um Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Denn wenn wir keine Demokratie mehr haben, wird es viele Unternehmen und Arbeitsplätze nicht mehr geben, wir verlieren Wohlstand, Grundrechte und Meinungsfreiheit. Es gehört zur Aufgabe von Unternehmen, sich für die Dinge einzusetzen, die das Unternehmertum und die Unternehmen erst möglich machen.

Beobachten Sie Veränderungen beim gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen?

Ich glaube nicht, dass die Unternehmen heute weniger aktiv sind als vor 20 oder 40 Jahren. Aber es gibt heute mehr denn je die Notwendigkeit für unternehmerisches Engagement. Die Demokratie ist gefährdet durch wachsenden Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, durch gesellschaftliche Konflikte, soziale Spaltung und die großen Herausforderungen unserer Zeit. Deshalb würde ich mir wünschen, dass die Unternehmen hier einen Kurswechsel vornehmen, dass sie diese Verantwortung ernster nehmen und aktiver werden, als es bisher der Fall ist. Manche Unternehmen tun das, aber es sollten mehr sein.

Was für Aktivitäten stellen Sie sich vor?

Nehmen wir Fremdenfeindlichkeit und Rassismus: Ich hätte mir in den letzten ein bis zwei Jahren gewünscht, dass mehr Vorstände oder Vorstandsvorsitzende von Unternehmen an die Öffentlichkeit, aber auch auf ihre Beschäftigten zugehen und sagen: Wir müssen für bestimmte Werte in unserer Demokratie geradestehen. Respekt, Toleranz, Anerkennung, Schutz von Minderheiten sind nicht verhandelbar. Es geht dabei nicht um die AfD, sondern die Werte und Prinzipien, die für uns als Gesellschaft essenziell sind. Es gibt tolle Beispiele für Unternehmen, die dafür geradestehen und bei denen die Vorstandsvorsitzenden genau das tun. So eine Haltung und deutliche Kommunikation hätte ich mir aber von so ziemlich jedem Vorstand und jeder Unternehmensleitung gewünscht.

„Mit bürokratischen Hürden schaffen Sie keinen Mentalitätswandel“


Können die ESG-Kriterien – Umwelt, Soziales, Unternehmensführung – etwas in Ihrem Sinne bewirken?

Die meisten Unternehmen schimpfen über die ESG als Bürokratiemonster und über den Aufwand, das alles einzuführen. Mit bürokratischen Hürden und Papierkram schaffen Sie keinen Mentalitätswandel und kein Problembewusstsein bei Unternehmen und ihren Beschäftigten. Dazu braucht es mehr, als dass Unternehmen in ihrem tagtäglichen Verhalten sich gewisse Kriterien oder gewisse Grundlagen bewusst machen: Es braucht eine Kommunikation in die Gesellschaft wie auch in das eigene Unternehmen hinein. Das geht viel weiter als die ESG-Grundlinien. Es ist gut und schön, sich Regeln zu geben, aber wichtiger ist, Werte zu leben und für sie geradezustehen.

Wenn sich ein Unternehmen zum Beispiel dafür engagiert, dass Geflüchtete einen Ausbildungsplatz bekommen oder wenn es die Trikots für die Fußballmannschaft im Flüchtlingsheim spendet: Ist das sinnvoll oder eher albern?

Das würde ich für sinnvoll halten. Es steht in keiner ESG-Grundlinie, dass sie irgendwelche Trikots spenden müssen, sondern es sind eben diese Dinge, die ein Unternehmen macht, weil es davon überzeugt ist. Das meine ich damit, Werte zu leben. So etwas kann man nicht per Gesetz verordnen und auch nicht nur top-down verordnen. Es ist vielmehr die Aufgabe der Unternehmensführung, Dialoge anzustoßen und auch die eigenen Beschäftigten zu motivieren, aktiv zu werden, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen, Verantwortung zu übernehmen.

Bewirkt die nichtmonetäre Berichterstattung über die Nachhaltigkeit denn aus Ihrer Sicht nur Bürokratie oder ist da auch was Sinnvolles dran?

Ich würde mir mehr Realitätsnähe wünschen und ein besseres Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen. Prinzipiell finde ich eine Pflicht, sich über zentrale gesellschaftliche Anliegen ein Bewusstsein zu verschaffen, sinnvoll. Die Frage ist: Schimpfen die Leute nur über die Bürokratie, die damit verbunden ist, oder bekommen sie auch Denkanstöße?

Und letzteres ist nicht der Fall?

Wir haben im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auch viele Berichtspflichten, auch wenn wir kein privates Unternehmen sind, sondern gemeinnützig. Natürlich fragen auch wir tagtäglich, ob das so sinnvoll ist. Andererseits ist das auch immer Benchmarking. Wir haben als DIW den Anspruch, führend zu sein, wollen progressiv sein und Dinge verbessern. So gesehen finde ich zwar manche Berichtspflichten ziemlich lästig und zu zeitintensiv. Aber andere sind gut, um zu sehen, wo wir stehen.

Interview: Gudrun Sonnenberg

Prof. Marcel Fratzscher, Ph. D., ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt Universität zu Berlin. Er ist unter anderem auch Mitglied des High-Level Advisory Board der Vereinten Nationen zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) und Mitglied des Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums. Foto: DIW Berlin/B. Dietl

Zur Seite von Marcel Fratzscher beim DIW

Der Beitrag ist Teil des Fokus Haltung zeigen – Unternehmen und Engagement der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Haltung zeigen – Unternehmen und Engagement

Genossenschaftsbanken: Regional engagiert, überregional spezialisiert

150 150 Stiftung Aktive Bürgerschaft

Die Mitglieder der Genossenschaftlichen FinanzGruppe – die Volksbanken und Raiffeisenbanken vor Ort und die überregionalen Unternehmen der Gruppe – verfolgen die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und Klimaschutz in ihrer Unternehmenstätigkeit, aber auch in ihrem gesellschaftlichen Engagement.

„Langfristige Auswirkungen seines Handelns bedenken, unternehmerische Verantwortung übernehmen und so zukünftige Leistungsfähigkeit sicherstellen“, so beschreibt beispielsweise die Zentralbank der Genossenschaftlichen FinanzGruppe, die DZ BANK, ihren Ansatz.

Regionales Engagement

Die rund 700 Volksbanken und Raiffeisenbanken in Deutschland arbeiten vor Ort und entsprechend ist auch ihr gesellschaftliches Engagement regional ausgerichtet: Sie fördern Sportvereine und Bildungsinitiativen, Schulen, Kindertagesstätten und Kirchengemeinden in ihrer Region, ihre Zielgruppen sind Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, Familien und Lebensgemeinschaften. Wichtige Themenfelder sind Sport und Erholung, aber auch Kunst und Kultur, Soziales und Integration sowie Bildung und Forschung. 257 Genossenschaftsbanken engagieren sich bei 369 der 426 Bürgerstiftungen.

Stiftungen für die Umsetzung

Viele Genossenschaftsbanken haben Stiftungen errichtet, um ihre Engagementziele jenseits ihres Geschäftsbetriebs umzusetzen. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), der jährlich einen Bericht über das gesellschaftliche Engagement der Genossenschaftlichen FinanzGruppe vorlegt, bezifferte im letzten Bericht vom September 2023 das Stiftungskapital in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe für 2022 auf 380 Millionen Euro. Zusammen mit Spenden und Sponsorings unterstützen die Genossenschaftsbanken gesellschaftliches Engagement in Deutschland mit insgesamt 171 Millionen Euro. Davon kamen 95,2 Millionen Euro aus dem genossenschaftlichen Gewinnsparen.

Überregional thematische Schwerpunkte

Die überregional tätigen Unternehmen in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe nutzen ihre Stiftungen teilweise, um bestimmte Themen voranzutreiben. So hat die DZ BANK ihre DZ BANK Stiftung errichtet, um mit einem sechsstelligen jährlichen Betrag Wissenschaft und Forschung im Finanz- und Genossenschaftswesen zu fördern. Die Teambank, die auf Konsumfinanzierung spezialisiert ist („easyCredit“), errichtete 2007 die operativ tätige Stiftung Deutschland im Plus, deren Zweck die Prävention vor Überschuldung von Privatpersonen ist. Die Stiftung der R+V Versicherung fokussiert auf Jugend und Bildung sowie auf die Förderung bürgerschaftlichen Engagements, und die Bausparkasse Schwäbisch Hall gibt mit ihrer Stiftung Impulse für wohnungspolitische Diskussionen.

Zum Engagementbericht

Der Beitrag ist Teil des Fokus Haltung zeigen – Unternehmen und Engagement der bürgerAktiv – Nachrichten für Engagierte der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Zum Fokus Haltung zeigen – Unternehmen und Engagement

  • 1
  • 2