Gastkommentar: Das neue Stiftungsrecht ist da – aber es reicht nicht

Am 1. Juli 2023 ist das kontrovers diskutierte bundeseinheitliche Stiftungsrecht in Kraft getreten. Rechtssicherheit ist gleichwohl längst nicht erreicht, meint Christoph Mecking.

Von Christoph Mecking

Das Stiftungswesen in Deutschland ist sehr lebendig. Zum Ende letzten Jahres wurden 25.254 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts gezählt, die überwiegend gemeinnützige Zwecksetzungen verfolgen. Diese rechtsfähige Stiftung gilt als Prototyp für die Verselbständigung nachhaltiger Vermögenswidmungen. Für sie markiert nun der 1. Juli einen historischen Einschnitt: Seit Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches vor fast 130 Jahren sehen wir die umfangreichste Reform des Stiftungsrechts. Sie soll die bisher auf Landesebene zersplitterten Regelungen vereinheitlichen und mehr Klarheit schaffen.

Ziel der Neuregelung war die Vereinheitlichung des materiellen Stiftungsrechts für ganz Deutschland. Dabei sollte der Stand der Rechtsentwicklung rechtssicher kodifiziert und die Grundlage für eine verallgemeinerungsfähige Praxis geschaffen werden. Änderungen von Satzung und Status einer Stiftung sollten klarer geregelt und notleidende Stiftungen leichter umgestaltet oder aufgelöst werden können. Ein Stiftungsregister soll Transparenz und Publizität verbessern.

Die Länder hinken hinterher

Seit der Verabschiedung der neuen Vorschriften werden Inhalt und Reichweite in Wissenschaft und Praxis jedoch intensiv diskutiert. Ein gemeinsames Verständnis zur Auslegung der Regelungen fehlt in weiten Bereichen noch. Auch sind erst wenige Landesstiftungsgesetze an die neue Rechtslage angepasst. Die Anwendungspraxis der zuständigen Behörden war bei der Anerkennung einer Stiftung nicht zuletzt aufgrund differierender Landesstiftungsgesetze uneinheitlich. Es ist zu beobachten, dass die herkömmliche Herangehensweise trotz veränderter Rahmenbedingungen fortgeführt wird. Gerichtliche Entscheidungen dazu fehlen.

Bedenkliche Praxis der Behörden

Dabei wäre neben der Stärkung der Stifterfreiheit im Gesetz eine hilfreichere Verwaltungspraxis wünschenswert. Nicht selten versuchen die Behörden, auf uniforme Statuten oder eine verpflichtende externe Abschlussprüfung hinzuwirken, um sich selbst die Aufsicht zu erleichtern. Viel zu oft hat sich der Stifter mit kleinlichen Vorgaben auseinanderzusetzen. Und seit Längerem ist eine Bearbeitungszeit festzustellen, die die Grenze der Zumutbarkeit erreicht. Damit werden Stiftende abgeschreckt oder entmutigt. Änderungen dieser bedenklichen Praxis sind derzeit nicht ersichtlich.

Das zeigt sich auch in den ersten Erfahrungen der Stiftungsinitiative „Fundatio“, die konzipiert wurde, um eine einheitliche behördliche Haltung, mehr Dynamik und Rechtssicherheit im Stiftungswesen und damit eine Stärkung des Stiftungsstandortes zu bewirken. (Hier findet sich eine umfassende Dokumentation dazu.) Errichtet werden soll eine Stiftung, deren Satzung sich unmittelbar an dem neuen materiellen Stiftungsrecht orientiert und in ihren Formulierungen offene stiftungsrechtliche Fragen adressiert. Doch die im März eingeleiteten Vorprüfungsverfahren werden derzeit von den zuständigen Behörden blockiert. Dies wird mit Überlastungen und allgemeinen Bedenken begründet, die sich allerdings nicht aus dem Gesetz herleiten lassen. Daher werden wohl förmliche Anträge auf Anerkennung der Stiftung zu stellen und bei deren Versagung eine gerichtliche Überprüfung einzuleiten sein. Die aus der Beratungspraxis getragene Initiative „Fundatio“ soll und wird insofern einen Beitrag zur Wirksamkeit der Stiftungsrechtsreform leisten.

Was also ist von der Reform zu erwarten?
Ansätze zu Dynamisierung und Flexibilisierung der Stiftungsform fehlen, ebenso Impulse für Stifter- und Stiftungsautonomie. Auch dürfte die Regelungsdichte für Interessierte eher abschreckend wirken: Statt 7 Paragrafen sind es jetzt 36. Immerhin ist aber mit der Diskussion der Neuregelungen und ihrer Umsetzung in die Praxis das Stiftungswesen wieder deutlicher ins Bewusstsein gerückt. Insofern bleibt zu hoffen, dass trotz dieses Gesetzes weiter gestiftet und in den nächsten Jahren Verbesserungen diskutiert und dann auch umgesetzt werden.

Dr. Christoph Mecking ist Rechtsanwalt und Geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Stiftungsberatung in Berlin.

Kommentar von Dr. Christoph Mecking für bürgerAktiv – Nachrichtendienst Bürgergesellschaft, Ausgabe 245 – Juni 2023 vom 29.06.2023

Ausgabe 245 Juni 2023, Debatte, Kommentare und Analysen