„Ermüdend“ findet der Berliner Historiker Prof. Dr. Paul Nolte die pessimistischen Diagnosen zum Zustand der Demokratie. „Demokratische Staaten kippen nicht, wie um 1930, plötzlich in offene und gewaltsame Diktaturen um“, schrieb er im Tagesspiegel vom 29. Oktober 2019. Die Demokratie in der Bundesrepublik sei quicklebendig und stabil. „Ernste Gefahren sind nicht zu leugnen. Aber wann gab es sie nicht?“, so Nolte. Im Rückblick stellt er fest, dass eine Phase „wohlgeordneter“, aber auch „eng geführter“ Demokratie hinter uns liege. Sie sei nun wieder zu einer „rauen und ruppigen“ geworden. „Nicht einmal auf die geschriebene Verfassung ist noch Verlass (…): Im Grundgesetz ist von den Parteien die Rede, nicht aber von NGOs und Aktivisten, und auch nicht eindeutig davon, wie sich Nationalstaat und Europäische Union demokratisch zueinander verhalten“, so Nolte. Dennoch funktioniere „dieser seltsam verwischte Zustand der neuen Demokratie“. Der Beitrag hat den Titel „Twitterhass, Populismus, Individualisierung: Die Demokratie ist nicht in der Krise, sie ist nur rauer geworden“.
Tagesspiegel: Rau, aber stabil
Ausgabe 205 Oktober 2019